Stoch gewinnt die Vierschanzentournee Der polnische Hannawald

Bischofshofen/Düsseldorf · Kamil Stoch gewinnt die Vierschanzentournee. Und nicht nur das. Er siegt bei allen Springen - das war vor ihm nur Sven Hannawald gelungen. Am Abend wird der 30-Jährige direkt zu Polens Sportler des Jahres gewählt.

Vierschanzentournee 2017/18: Kamil Stoch feiert historischen Triumph
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Stoch feiert historischen Triumph

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Foto: afp

In Zakopane haben sie jetzt ein Problem. Der wohl bekannteste Sohn der Stadt im polnischen Süden, Kamil Stoch, hat die Vierschanzentournee gewonnen. Zuvor war das nur Adam Malysz 2001 gelungen. Ihm zu Ehren hatte seine Heimatstadt Wisla dann auch die Malinka- in Adam-Malysz-Schanze umbenannt. Eine Huldigung, die sie in Zakopane wohl gerne nachahmen würden. Doch das geht nicht. Schließlich ist die Schanze Wielka Krokiew im Tatra-Gebirge bereits nach Stanislaw Marusarz benannt, dem Skisprung-Vizeweltmeister von 1938. Daher dürfte es der Stadtverwaltung in Zakopane gelegen kommen, dass Kamil Stoch nun überhaupt nicht zur Kategorie "Eitler Superstar" zählt. Im Gegenteil. Den Beweis seiner schon an Teilnahmslosigkeit grenzenden Bodenständigkeit lieferte der 30-Jährige am Abend seines größten Erfolgs. Nachdem er auch das vierte Springen in Bischofshofen gewonnen hatte, wurde er zudem zu Polens Sportler des Jahres gewählt. Für Stoch kein Grund für freudetrunkene Reden: "Ich danke den Fans sowie dem polnischen Skiverband. Ich grüße euch und ruhe mich jetzt aus."

So müssen eben andere Lautsprecher spielen. Allen voran Polens Ministerpräsident. "Heute bilden wir alle gemeinsam das Gefolge eines neuen Königs - Kamil!", twitterte Mateusz Morawiecki. 16 Jahre lang schaffte es keiner, das Kunststück von Sven Hannawald zu wiederholen und alle vier Springen zu gewinnen - bis Samstag. Hannawald, als TV-Experte an der Schanze in Bischofshofen, stürmte nach dem finalen Sprung aus seiner Kabine in den Auslauf, riss Stochs rechten Arm in die Höhe und klopfte dem Polen immer wieder auf den Helm. "Jetzt sind wir zu zweit", sagte Hannawald und wirkte überhaupt nicht traurig über den lang befürchteten Verlust seines Alleinstellungsmerkmals. "Das war von einem anderen Stern. Lieber Kamil, bislang musste ich in diesem Klub immer mit mir selbst reden. Jetzt können wir zwei uns unterhalten", sagte der 43-Jährige aus dem Erzgebirge.

Stoch wirkte in der Stunde seines Triumphes ein wenig überfordert. Sein erster Dank ging an Frau und Managerin Ewa, die ihn gleichzeitig in Warschau bei der Sportler-des-Jahres-Wahl vertrat. Dort schlug Stoch dann einen gewissen Robert Lewandowski, seines Zeichens Torjäger von Bayern München, der Polens Fußball-Nationalmannschaft zuletzt mit 16 Toren fast im Alleingang zur WM geschossen hatte.

Die polnische Presse überschlug sich vor Begeisterung. "Oh Kamil, du bist in die Geschichte eingegangen", schrieb die Tageszeitung "Fakt", die "Gazeta Wyborcza" titelte: "Kamil räumt alles ab!" Der viermalige Weltmeister Adam Malysz, inzwischen Sportdirektor des polnischen Teams, verneigte sich: "Kamil ist der einzige komplette Springer. Nicht nur in Polen, sondern in der ganzen Welt."

Stoch war die ganze Lobhudelei freilich fast schon peinlich. Der Doppel-Olympiasieger ließ sich kurz von den Tausenden mitgereisten Polen feiern, ehe er seine Emotionen schnell wieder verschwinden ließ: "Ich wollte hier nur meine besten Sprünge zeigen, und ich habe mich ehrlich nicht auf den Grand Slam konzentriert." Mit dieser Einstellung gelang am Ende der ganz große Wurf, weit vor Andreas Wellinger, der zum Abschluss mit Platz drei seinen zweiten Rang in der Gesamtwertung behauptete. "Kamil ist so ein herzlicher Mensch, er hat verdient gewonnen", sagte Wellinger.

Der Erfolg von Stoch, der bereits 2017 die Tournee gewann, ist die Fortführung einer langen Skisprung-Tradition in Polen, die allerdings erst durch Malyszs Überraschungssieg 2001 wieder richtig erwacht ist. Seitdem gilt Skispringen als zweiter Volkssport nach Fußball. Im vergangenen Jahr gewann Polen erstmals WM-Gold. Bei den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) soll dann auch olympisches Team-Gold folgen.

(erer)
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