Weltcup im Sauerland Warum Willingen für die deutschen Skispringer zur richtigen Zeit kommt

Analyse | Düsseldorf · Die in den vergangenen Jahren so erfolgsverwöhnten deutschen Skispringer springen in dieser Saison den Erwartungen hinterher. Nun geht es zum Heim-Weltcup ins Sauerland. Dort konnte sich schon so mancher deutscher Lokalmatador feiern lassen.

Wenn an diesem Wochenende die Wintersportfans in Willingen zur Mühlenkopfschanze pilgern, dann hoffen viele von ihnen, dass bei der riesigen Skisprungparty am Ende die deutsche Hymne erklingt. Im besten Fall mehrfach. Denn sowohl die Skispringerinnen als auch die Skispringer treten im Sauerland zum Weltcup an.

Anders als die Frauen um Katharina Althaus und Selina Freitag haben die DSV-Springer in dieser Saison bisher nicht so viel Anlass für große Sieghoffnungen gegeben. Doch Willingen war in den vergangenen Jahren immer wieder ein guter Ort für deutsche Skisprungerfolge. Beflügelt von der Partystimmung im Sauerland flog so mancher DSV-Adler zum Heimsieg, bewältigte kleine Krisen oder beendete längere Durststrecken. Andreas Wellinger gelang zum Beispiel 2017 sein erster Weltcupsieg seit 2014. In diesem Winter zeigt er sich nach vielen Verletzungen und Jahren der Formsuche wieder in guter Form. Beim Skifliegen am Kulm verpasste er sein erstes Weltcuppodest seit 2018 nur knapp. Der 27-Jährige könnte beim Heim-Weltcup an die gute Leistung vom vergangenen Wochenende anknüpfen und endlich den langersehnten Erfolg schaffen. Wie es sich anfühlt in Willingen zu gewinnen, weiß der Olympiasieger von 2018 bereits. Vor sechs Jahren stand er ganz oben auf dem Podest und ließ sich ausgiebig feiern.

Lokalmatador Stephan Leyhe gelang 2020 auf der Mühlenkopfschanze gar der erste Sieg überhaupt im Weltcup. Und im vergangenen Jahr konnte der Willinger in seiner Comeback-Saison nach Knieverletzung mit Platz sechs zumindest einen persönlichen Erfolg feiern. Leyhe schwärmte danach von dem Fluggefühl, das er lange vermisst hatte. Sven Hannawald (2002 und 2003) und Severin Freund (2011 und 2015) konnten hingegen ihre ohnehin gute Form in Willingen jeweils zweimal zum Sieg nutzen. 21 deutsche Skispringer standen bisher in Willingen auf dem Podest.

Karl Geiger ist einer davon. Er sprang sich 2019 auf der größten Großschanze überhaupt in WM-Form und holte sich mit dem Sieg vor mehr als 23.000 Fans neues Selbstvertrauen. Für das gesamte deutsche Team war der euphorisch gefeierte Sieg damals ein Stimmungsaufheller zum genau richtigen Zeitpunkt. Denn es war die Generalprobe für die WM in Seefeld.

Auch 2023 könnte der Weltcup in Willingen mit den lautstarken Fans für Geiger ein Befreiungsschlag in einer bisher schwierigen Saison werden. Die Situation ähnelt der von 2019. Damals war der Oberstdorfer zwar mit Siegen in die Saison gestartet, musste dann aber bei der Vierschanzentournee eine herbe Enttäuschung hinnehmen. Danach wirkte er nicht mehr so locker wie bisher. Das Vertrauen in den Sprung schien etwas verloren gegangen zu sein. Doch in Willingen nutzte er die große Schanze, die die Springer, wenn sie den Absprung richtig treffen und gut in ihre Flugposition kommen, bis über die 150 Meter tragen kann, um sich das Gefühl für seinen Sprung zurückzuholen. Bei der Nordischen Ski-WM 2019 wurde Geiger dann Vizeweltmeister von der Großschanze.

Und genau deshalb könnte das Springen auf der Mühlenkopfschanze auch am kommenden Wochenende für das Team von Bundestrainer Stefan Horngacher gerade recht kommen. Fast die gesamte Männer-Mannschaft sucht in diesem Winter noch nach der Topform. Ende Februar steht aber mit der Nordischen Ski-WM der Saisonhöhepunkt an. Willingen könnte dabei helfen, wieder in die Erfolgsspur zu finden.

Nicht nur, dass die Fans in Willingen für eine ganz besondere Atmosphäre sorgen und das Stadion vor allem bei Fluchtlicht in einen Hexenkessel verwandeln, die Schanzenanlage hat das Potenzial, den Athleten ein ganz besonderes Fluggefühl zu geben. Zwar kann es an der Mühlenkopfschanze bei Wind gerne auch mal turbulent zugehen, oft bietet sie aber viel Aufwind und die Springer können sich regelrecht auf das Luftpolster legen, den Sprung laufen und sich weit hinuntertragen lassen. Die große Schanze bietet die Chance, den Sprung richtig zu genießen. Gute Sprünge fühlen sich dort noch etwas besser an. Manchmal sogar fantastisch. Und weil Skispringen eben auch viel mit Psyche zu tun hat, kann dieses besondere Gefühl so manchem Skispringer das Vertrauen in die eigene Technik und das Selbstverständnis für den Sprung zurückbringen.

 Karl Geiger sprang 2019 nach einer schwierigen Phase in Willingen zum Sieg.

Karl Geiger sprang 2019 nach einer schwierigen Phase in Willingen zum Sieg.

Foto: dpa/Arne Dedert
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Die erste Chance für ein Erfolgserlebnis in Willingen haben die deutschen Skispringer schon am Freitag gemeinsam mit den Skispringerinnen. Dann treten sie zum Mixed-Wettbewerb an. Am Samstag und Sonntag wird es für Frauen und Männer Einzelwettkämpfe geben. Vor allem für Katharina Althaus und Co. dürften es dann ganze besondere Sprünge werden. Der Weltcup am Samstag ist ausverkauft. 23.500 Zuschauende bedeuten für das Frauenskispringen eine Rekordkulisse.

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