Ungewöhnlicher Start in Marathon-Saison Was die deutschen Skispringer vom Saisonstart auf Matten halten

Herzogenaurach/Düsseldorf · Schon am ersten November-Wochenende geht es für die Skispringer los, enden soll der Weltcup erst im April. Warum der frühe Start auf Matten wegen der Fußball-WM für das deutsche Team eher eine Chance als ein Problem ist und mit welchen Zielen Karl Geiger und Co. in den Winter gehen.

Skispringen 2023/24 DSV-Kader: die deutschen Skispringer beim Weltcup-Auftakt
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Der Kader der deutschen Skispringer

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Foto: dpa/Daniel Karmann

So früh wie in diesem Winter sind die Skispringer noch nie in die Saison gestartet. Am 5. November geht es mit dem Weltcup in Wisla/Polen für Karl Geiger, Halvor Egner-Granerud, Ryoyu Kobayashi und Co. los. Auch die Skispringerinnen starten dort in ihre Saison. Und das angesichts von Energiekrise, Klimawandel und Schneemangel bei zumindest derzeit noch milden Temperaturen. Doch die Fußball-WM in Katar erschien den Renndirektoren als zu große Konkurrenz für die beliebte Wintersportart. Und so entschied der Weltverband Fis, lieber einige der WM-Wochenenden zu pausieren, und dafür eben früher zu starten und bis zum ersten April-Wochenende 2023 zu springen.

Dass es vor allem Anfang November in Polen mit dem Schnee etwas schwierig werden könnte, war den Verantwortlichen jedoch schon im Sommer klar. Und so wurde direkt geplant, auf Matten statt auf Schnee zu springen.

Die Athletinnen und Athleten kennen das gut aus dem Sommer-Grand-Prix. Bis vor wenigen Wochen sind sie ohnehin in Keramik- oder Eisspuren die Schanze hinuntergesaust und auf dem künstlichen Rasen gelandet. Wirkliche Schneesprünge haben die wenigsten in der Vorbereitung bisher gemacht. Und so tangiert es auch die deutschen Skispringer wenig, dass die Wintersaison nicht direkt auf Schnee beginnt. Bei den Deutschen Meisterschaften präsentierten sich nahezu alle im deutschen Team auf einem sehr guten oder guten Niveau.

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Das sind die Weltcup-Termine der Skispringerinnen 2023/24

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Foto: dpa/Arne Dedert

Andreas Wellinger meldete sich mit dem Titel zurück und scheint sein langes Tief mit Verletzungen und Formsuche überwunden zu haben. So könne es gleich weitergehen, befand er bei der Einkleidung der deutschen Wintersportler in Herzogenaurach am 25. Oktober. Wellinger hofft auf einen guten Start in Wisla und freut sich auf das Mattenspringen: „Wir trainieren seit Jahren ja schon mit Eisspur und auf der Matte, speziell in der Vorbereitung im Oktober und November, deshalb wird es jetzt von der Herangehensweise oder vom Gefühl nichts anderes. Das neue Gefühl wird dann eben nur der Winter-Weltcup auf Matte. Aber ich glaube, das ist einfach eine gute Möglichkeit für uns und unsere Sportart“, sagte der Normalschanzen-Olympiasieger von 2018. Gerade in der aktuellen Situation, mit den großen Themen Klimawandel und Energiekrise, sei man im Skispringen mit dieser Möglichkeit einen Schritt voraus. Das Mattenspringen könne man jetzt einfach mal im Winter ausprobieren und schauen, was dabei rauskomme.

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Foto: AP/Terje Bendiksby

Auch der Sauerländer Stephan Leyhe fände es besser, wenn da, wo es möglich ist, auf Matten ausgewichen werde, statt den Weltcup wegen zu hoher Energiekosten oder fehlendem Schnee abzusagen. Auch der Willinger fühlt sich zum Start in diesen Winter wieder topfit. Im vergangenen Jahr war er von einer langwierigen Knieverletzung zurückgekehrt, hatte hier und da noch Probleme mit der Konstanz. Die Sprünge liefen noch nicht so automatisch und selbstverständlich wie früher, befand er damals. Das sei nun anders: „Ich denke nicht mehr darüber nach, ob da eine Verletzung war oder nicht. Das funktioniert gut. Ich habe auch keine Angst davor, wieder weit zu springen“, sagte Leyhe.

Ähnlich geht es auch Wellinger. Abgesehen von den sechs Wochen Pause wegen der Meniskus-OP habe er sehr gut trainieren können, sagte er. „Mein Knie ist kaputt, das habe ich so akzeptiert, und das wird sich auch nicht mehr ändern. Aber der Rest funktioniert gut“, erklärte der 27-Jährige. Aber mit dem Skiwechsel auf die neue Firma des früheren Ski-Alpin-Stars Marcel Hirscher sei eine Baustelle weg, und er starte voll motiviert in die neue Saison.

Markus Eisenbichler hingegen war in der Saisonvorbereitung das Sorgenkind im Team von Bundestrainer Stefan Horngacher. Der für seine gute Laune und markigen Sprüche bekannte Bayer plagte sich mit Verletzungen herum. In Herzogenaurach zeigte er sich aber mit Blick auf den Saisonstart wieder positiv gestimmt. Bei den Deutschen Meisterschaften habe er gemerkt, dass er mithalten kann, Wisla wird nun die nächste Standortbestimmung für ihn. In jedem Fall sei das Springen der richtige Saisonstart. „Hier gibt es genauso 100 Weltcup-Punkte. Jeder, der mich kennt, weiß, dass der Gesamtweltcup für mich auch wichtig ist. Da wäre es schon gut einigermaßen vorne dabei zu sein“, sagte der 31-Jährige.

Die lange Saison sieht er hingegen zwiegespalten, da die Strapazen immer größer würden. Aber im Endeffekt freue er sich auf die Saison und dass die Sportart so viel Aufmerksamkeit bekomme. „Dass wir der Fußball-WM aus dem Weg gehen, finde ich gar nicht so schlecht“, sagte Eisenbichler. Die Biathleten tun das zum Beispiel nicht und lassen ihre Weltcups wie gewohnt laufen. Mit Blick auf die Vierschanzentournee läge der Fokus dann eh wieder auf den Skispringern. Dort, beim Highlight der Saison, zu gewinnen, sei wie in den vergangenen Jahren das große Ziel.

Dass sich Eisenbichler auf das Skispringen freut, war noch vor wenigen Wochen nicht selbstverständlich. Gerade nach den schwierigen Wettkämpfen bei Olympia habe ihm die Motivation für die Saison gefehlt. „Ich wollte schon weitermachen, aber irgendwie fehlte mir die Motivation, und ich habe gedacht, wenn es so vom Gedankengang weitergeht, dann kann ich es nicht mehr weiter machen“, berichtete er. Mit einem Mentaltrainer habe er daran gearbeitet, weniger emotional und ruhiger zu werden, „viele Sachen einfach aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Nicht so emotional, sondern sich erstmal zu beruhigen und es sachlich zu betrachten“, erklärte der Bayer.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Die Jubelschreie und emotionalen Ausbrüche, für die der Siegsdorfer bekannt ist, werde es wahrscheinlich nicht mehr in der Form geben, kündigte er an. „Vielleicht gibt es mal einen Urschrei, aber dann, wenn es was ganz, ganz Wichtiges ist.“

Zu den ruhigeren im deutschen Skisprung-Team gehört Karl Geiger ohnehin. Der Erfolgsspringer der vergangenen Jahre wirkte auch beim Termin in Herzogenaurach gelassen und fröhlich. Mit der Vorbereitung ist auch er zufrieden, wenn auch ihm noch etwas fehlen würde, damit aus den guten Sprüngen sehr gute Sprünge würden. Im Sommer habe er versucht, an der Basis aus den vergangenen Jahren anzuknüpfen und sich zu steigern. „Das ist mir in dem Sinne nicht gelungen. Das ist aber auch schwierig, wenn das Niveau schon sehr hoch war. Jedes Mal noch einen draufzulegen, ist schwer“, sagte Geiger.

Viel habe er an der Anfahrtsposition gearbeitet, an der Position, an der Steilheit. Ein sehr schwieriges Unterfangen, wie er zugab. Dennoch sei es „gewinnbringend“ gewesen. Nun hofft er auf ein „Aha-Erlebnis“ im Weltcup, das den Knoten löst und seine Sprünge noch mal besser mache. Das müsse kein Überflug sein, sondern könne auch ein kleiner Moment sein, der ihm dieses Gefühl gebe.

Die lange Saison ist wie für alle Skispringer auch für den Oberstdorfer etwas Neues. Durch die Pausen im November und Dezember hofft er auf ein wenig Zeit zum Erholen. In den zwei Wochen zwischen dem Saisonstart und dem zweiten Weltcupwochenende in Finnland will das deutsche Team bei mehreren Lehrgängen noch mal den Fokus auf das Schanzentraining legen. Wahrscheinlich in Geigers Heimat Oberstdorf. „Aber spätestens ab der Vierschanzentournee geht es wirklich hart zu, da geht es Schlag auf Schlag. Da sind auch lange Reisen dabei – Japan, Amerika, die Weltmeisterschaft, die Skifliegen. Auf der Tournee sollte man wirklich gut aufgestellt sein und seine Körner gut aufsparen“, sagte der Vater einer kleinen Tochter. Sein Saisonziel: Gut starten, seinen Sprung weiter verbessern, Lockerheit finden und jedes Wochenende optimal nutzen. „Wie jedes Jahr ist die Vierschanzentournee das große Team-Ziel für uns. Wir werden alles daran setzten, dass da einer von uns gewinnt“, betonte Geiger.

Mit der WM in Planica gebe es weiter Chancen auf Medaillen. Hauptziel sei aber eine gute und konstante Leistung über die gesamte Saison, um im Idealfall bei den Höhepunkten auf dem Podium zu stehen.

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Der DSV-Kader der Skispringerinnen

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Foto: dpa/Robert Michael

Das wird der Bundestrainer gerne gehört haben. Auch Horngacher gibt wieder einmal den Sieg bei der so prestigeträchtigen Vierschanzentournee als Ziel aus. Seine Mannschaft sieht er auf einem hohen Niveau und mannschaftlich sehr geschlossen. Der eine oder andere könne daraus mit besonderen Leistungen herausstechen.

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