Weltcup-Finale in Planica Die Chance auf einen versöhnlichen Abschluss für die deutschen Skispringer

Analyse | Düsseldorf · Wenn mit dem Skifliegen in Planica die bisher längste Saison für die Skispringer zu Ende geht, freuen sich die Athleten auf ein paar Wochen Urlaub. Die Wettkämpfe sind traditionell auch ein großes Abschlussfest. Für das deutsche Team um Karl Geiger bietet das Weltcupfinale aber auch die Chance, nach einem durchwachsenen Winter mit einem Erfolgserlebnis und guten Gefühl in die Pause zu gehen.

 Der deutsche Skispringer Andreas Wellinger beim Skifliegen 2022 in Planica. (Archivfoto)

Der deutsche Skispringer Andreas Wellinger beim Skifliegen 2022 in Planica. (Archivfoto)

Foto: dpa/Darko Bandic

Während sich die anderen Wintersportarten teils schon seit einigen Wochen in die Pause verabschiedet haben, müssen die Skispringer am ersten Aprilwochenende noch mal antreten: zum traditionellen Saisonfinale mit dem Skifliegen im slowenischen Planica.

Es war eine lange Saison 2022/23, mit dem frühesten Start in der Geschichte des Skisprungweltcups Anfang November, der Vierschanzentournee und der Nordischen Ski-WM, die erst vor einem Monat ebenfalls in Planica ausgetragen worden ist. Packende Duelle zwischen Gesamtweltcup-Sieger Halvor Egner Granerud und Dawid Kubacki, Windlotterien, Überraschungssieger und Premieren – Skispringen hatte auch in diesem Winter einige besondere Geschichten zu bieten.

Daran schrieben auch die Deutschen wieder fleißig mit. Gerade bei den Erfolgsgeschichten spielten sie aber, anders als in den vergangenen Jahren, oft nur eine Nebenrolle. Mit WM-Silber für Andreas Wellinger von der Normalschanze sowie Bronze für Karl Geiger im selben Wettbewerb konnten die Athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) aber immerhin ein ruhmreiches Kapitel zur Saisongeschichte hinzufügen. Und Wellinger sorgte mit zwei Weltcupsiegen immerhin für eine schöne persönliche Comeback-Geschichte nach vielen Verletzungen und Jahren der Formsuche. Allerdings fehlten bei beiden Siegen auch viele der Topathleten.

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Foto: dpa, pil

Auch beim Skifliegen in Planica gehen die Deutschen nicht als Topfavoriten an den Start. Der große Letalinca, wie die Schanze heißt, bietet aber die perfekten Voraussetzungen, um ein schönes und versöhnliches Finale zu schreiben. Bei gutem Wetter bietet sie die perfekten Bedingungen für Flüge auf 230, 240 oder gar 250 Meter.

Das Panorama, die euphorischen Zuschauer und die riesige Skisprungparty vollenden das ganz besondere Erlebnis, selbst wenn es nicht zum Sieg reicht. Planica bietet für das DSV-Team das Potenzial, sich aus einer mäßigen Saison mit einem guten Gefühl und neuem Selbstvertrauen zu verabschieden.

„Ich freue mich sehr auf Planica. Skifliegen ist immer sehr, sehr cool. Die Atmosphäre ist mit dem Mix aus Saisonabschluss und Frühjahrsstimmung ganz besonders. Ich möchte noch mal gute Flüge zeigen und die Saison mit guten Leistungen und positiven Eindrücken beenden“, sagte Wellinger.

Im Weltcup war der 27-Jährige genauso wie Karl Geiger und Markus Eisenbichler nicht konstant genug, um wie selbstverständlich Woche für Woche um Podestplätze und Siege zu springen. Wenn es gut lief, kam regelmäßig am nächsten Wochenende ein Rückschritt. Situationen, die das Team von Bundestrainer Stefan Horngacher seit Jahren nicht mehr kannte. Geiger oder Eisenbichler – einer von beiden sprang immer vorn mit.

Diesmal reichte es für Geiger nur zu drei Podestplätzen, jedes mal wurde er Dritter. Für Eisenbichler steht vor dem Weltcupfinale ein dritter Platz zu Buche. Wellinger stand neben seinen beiden Siegen noch ein weiteres Mal auf dem Podest: als Zweitplatzierter. Im Gesamtweltcup ist er aktuell Siebter und wird sich wohl auch nicht mehr deutlich verbessern. Geiger belegt Rang zehn, Eisenbichler liegt auf dem 13. Platz. In der Nationenwertung rangiert das deutsche Team gar nur auf dem fünften Rang, hinter Österreich, Norwegen, Slowenien und Polen. Höchsten die Polen könnten sie bei den letzten drei Wettkämpfen, zu denen auch ein Teamwettbewerb gehört, noch einholen.

Die größte Enttäuschung für das DSV-Team war wohl die Vierschanzentournee. Statt um den Sieg zu kämpfen, waren Geiger und Co. allesamt weit abgeschlagen. Die schlechteste Bilanz seit Jahren. TV-Experten und Fans diskutierten und kritisierten die Leistungen teils heftig.

Auch der Bundestrainer sprach von der schwierigsten Situation seit seinem Amtsantritt 2020. Gab aber auch zu bedenken, dass es nicht am viel diskutierten Material läge, sondern an Kleinigkeiten bei den einzelnen Springern. Zudem habe man nach Olympia das Training umgestellt, um neue Reize zu setzen. Die Saison nach Olympischen Spielen wird im Sport gern für grundlegendere Änderungen genutzt.

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Foto: dpa, Expa, Erich Auer

Den hohen Erwartungen konnte Horngachers Team diesmal aber nicht gerecht werden. Und doch war es bei aller Enttäuschung keine dramatisch schlechte Saison für die deutschen Skispringer. Das Potenzial und Leistungsvermögen blitzte ja immer wieder auf, Wellinger hat sich zurück in die Top Ten gearbeitet, Philipp Raimund hat sich mit guten Sprüngen in Szene gesetzt, zwei WM-Medaillen im Einzel sind eine gute Bilanz. Der Abstand zu den Top-Springern ist zwar deutlich, dennoch war auch zu sehen, dass es bei den meisten deutschen Skispringern nur kleine Änderungen und vor allem mehr Konstanz und Selbstverständlichkeit braucht, um wieder zu dauerhaft erfolgreichen Sprüngen zu finden.

Das Skifliegen in Planica kann da schon als Startschuss für eine bessere Saison 2023/24 dienen und bietet nicht nur die Chance für einen versöhnlichen Saisonabschluss. Die riesige Flugschanze sorgt ohnehin schon für ein ganz besonderes Erlebnis, viel Adrenalin und ein Fluggefühl, das es eben nur beim Skifliegen gibt.

Ein guter Sprungablauf fühlt sich da schnell noch mal besser an als auf einer normalen Skisprungschanze und die Athleten können die Abläufe für den erfolgreichen Sprung oft abspeichern und darauf im Training aufbauen.

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Foto: dpa, pil

Wer in Planica über die 200 Meter fliegt oder gar gewinnt, wird ganz zudem besonders gefeiert – und geht mit diesem Gefühl in die Pause und Vorbereitung auf die neue Saison. Karl Geiger und Markus Eisenbichler kennen dieses Gefühl. Beide haben zum Saisonabschluss schon in Planica gewonnen. Geiger wurde 2020 zudem dort Skiflug-Weltmeister. Einfach austrudeln lassen werden sie die Saison auch in diesem Jahr nicht. Auch wenn sie nicht mehr um einen Podestplatz im Gesamtweltcup kämpfen können.

„Wir wollen uns in Planica noch einmal mit guten Leistungen aus dieser Saison verabschieden. Nachvollziehbarerweise sind die Akkus der Aktiven weitgehend leer. Allerdings freuen sich alle im Team auf den traditionellen Saisonabschluss in Slowenien“, sagte auch der Bundestrainer. Denn den psychologischen Vorteil, mit einem Erfolgserlebnis und dem berauschenden Gefühl eines weiten und guten Fluges die Saison zu beenden, nimmt jeder gern mit.

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