Ryoyu Kobayashi beeindruckt Der fliegende „Künstler“ triumphiert bei der Vierschanzentournee
Bischofshofen · Ryoyu Kobayashi hat erneut die Vierschanzentournee gewonnen, den ersehnten Geschichtsbucheintrag aber verpasst. Dennoch springt der Japaner seit Wochen in einer eigenen Liga und beeindruckt die Konkurrenz.
Ryoyu Kobayashi weiß ganz genau, wo er seinen zweiten Goldadler für den Triumph bei der 70. Vierschanzentournee aufbewahren wird. "In meinem Haus neben dem Fernseher", sagt der japanische Skisprung-Held mit leuchtenden Augen. Denn dort steht auch schon die erste tierische Tournee-Trophäe, die er vor drei Jahren gewonnen hat.
Auf seiner Lieblingsschanze in Bischofshofen sicherte sich der 25-Jährige aus Hachimantai im Norden Japans am Dreikönigstag seinen zweiten Tourneetriumph, nach zuvor drei Siegen reichte dafür ein fünfter Platz. Das Erfolgsrezept des unscheinbaren Japaners? "Er ist ein Virtuose, ein Künstler", beschrieb ihn ZDF-Experte Toni Innauer. Er spüre Dinge in der Luft, "die sonst kein anderer spürt".
Die Konkurrenz ist jedenfalls beeindruckt. "Er ist a cooler Hund mit wahnsinnigem Selbstvertrauen", sagt der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher. "Er springt saugut, ist aber nicht unschlagbar", meint Karl Geiger. Von Geiger holte sich Kobayashi während der Tournee das Gelbe Trikot des Führenden im Gesamtweltcup.
Dieses hatte er nur aus einem einzigen Grund nicht schon unmittelbar vor der Tournee inne: Corona. Eiskalt hatte Kobayashi die finnische Corona-Quarantäne getroffen. In Ruka war sein PCR-Test positiv ausgefallen, der Weltcup-Zirkus zog weiter, der mühsam in die Saison gekommene Kobayashi saß fest - und kam stärker zurück.
Das derzeit einzigartige Fluggefühl, das Kobayashi in einer anderen Liga springen lässt, erarbeitete er sich im Sommer. Gemeinsam mit Skisprung-Legende Noriaki Kasai, Teamchef seiner Trainingsgruppe, und seinem österreichischen Coach Richard Schallert.
Mit ihm tüftelte "Roy", wie er im japanischen Team gerufen wird, an Material und Sprungsystem. Er spulte viele Trainingsstunden in Österreich ab, in Innsbruck oder Bischofshofen, und perfektionierte dort sein Fluggefühl.
Er sei "ein wertvoller Diamant, der schon schön geschliffen ist", sagt Schallert. Während der Tournee konzentrierte sich Kobayashi hauptsächlich auf "gute Sprünge", wie er in meist sehr kurzen Interviews betonte, und verlor nie seine Ruhe.
Ob er denn die Interview-Marathons mag? "Es ist kalt", ließ er über seinen Dolmetscher Markus Neitzel nach dem Sieg im Nachholspringen in Bischofshofen kurz und knapp ausrichten.
So eine Ausnahmeerscheinung Kobayashi als Skispringer auch sein mag: Als Typ ist er ein ganz normaler japanischer Junge, ein durchaus extravaganter Mode- und Bling-Bling-Fan, der sich für schnelle Autos und Musik interessiert und Weihnachten gerne mal shoppend in Paris verbringt.
Auch andere Sportarten verfolgt Kobayashi aufmerksam. Etwa "Golf, Volleyball und Fußball", aber auch Baseball. Als Fan der Hokkaido Nippon Ham Fighters ist er hin und wieder auch im Stadion mit dabei.
Sonst fliegt Kobayashi vorzugsweise über die Straßen Japans, gerne mal in seinem knallblauen eJaguar, in dem er wohl auch bald seinen nächsten Goldenen Adler nach Hause fahren wird.