Doping-Skandal weitet sich aus Kronzeuge Johannes Dürr festgenommen

Innsbruck · Auch sechs Tage nach der "Operation Aderlass" bei der Nordischen Ski-WM zieht der Doping-Skandal weiter seine Kreise. Im Mittelpunkt stand die Festnahme des Kronzeugen Johannes Dürr.

 Langläufer Johannes Dürr.

Langläufer Johannes Dürr.

Foto: dpa/Jfk

Kronzeuge Johannes Dürr muss hinter Gitter, ein weiterer Athlet gesteht Blutdoping und Radprofi Marcel Kittel ist fassungslos: Der Doping-Skandal um den Erfurter Arzt Mark S. sorgt weiter für Entsetzen. Vor allem Dürrs Festnahme warf am Dienstag Fragen auf, hatte der 31-Jährige mit seinen Aussagen doch die Aufdeckung des Doping-Skandals erst ins Laufen gebracht.

"Ich bin selber überrascht", sagte Dürrs Anwalt Michael Lehner dem SID über die Festnahme seines Mandanten und bestätigte den Vorfall. Bislang hatte Dürr in dem Doping-Skandal nur als Zeuge ausgesagt. "Vorrangig ist, dass wir Johannes Dürr sehr viel zu verdanken haben", sagte Lehner.

Sprecher Hansjörg Mayr von der Staatsanwaltschaft Innsbruck bestätigte die Festnahme "eines weiteren Ski-Langläufers", wollte aber keinen Namen nennen. Nach Informationen österreichischer Medien wird wegen des Verdachts des Sportbetruges und wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Gesetz ermittelt, zudem sollen österreichische Athleten behauptet haben, Dürr habe ihnen den Kontakt zu Mark. S. ermöglicht.

Dürr gilt als Kronzeuge des Skandals und hat mit seinen Aussagen Mitte Januar im ARD-Film "Die Gier nach Gold - Der Weg in die Dopingfalle" die Zerschlagung des Dopingnetzwerkes um den Erfurter Sportarzt Mark S. ausgelöst. Mark S. und drei seiner Komplizen befinden sich derzeit in Haft. Bei dem Mediziner fanden die Ermittler 40 Blutbeutel, die nun Athleten zugeordnet werden müssen.

Der 2014 überführte Dürr hatte Doping mit EPO und Wachstumshormonen sowie Eigenblutdoping eingeräumt und erklärt, dass der Sprung an die Weltspitze ohne den Missbrauch nicht möglich gewesen sei. Bislang hatte der 31-Jährige ausgesagt, dass er bei seinen Befragungen als Zeuge keinen seiner Teamkameraden verpfiffen hätte.

Kurz vor der Festnahme von Dürr hatte der estnische Ski-Langläufer Algo Kärp als bereits achter Spitzenathlet seine Beteiligung an dem Netzwerk um Mark S. zugegeben. "Ich werde wahrscheinlich alle meine Freunde verlieren, aber ich hätte mit dieser Lüge nicht mehr leben können", sagte Kärp über sein Geständnis.

Bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld in der vergangenen Woche waren die Skilangläufer Max Hauke und Dominik Baldauf (beide Österreich), die Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjärv sowie der Kasache Alexei Poltoranin festgenommen und nach Geständnissen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Im Anschluss gaben auch die beiden österreichischen Radprofis Georg Preidler und Stefan Denifl zu, in Kontakt zu Mark S. gestanden zu haben. Der Radsport-Weltverband UCI teilte am Dienstag mit, dass gegen beide Athleten vorläufige Sperren ausgesprochen wurden.

Radprofi Marcel Kittel reagierte indes mit Bestürzung auf die Enthüllungen. Besonders das Geständnis seines langjährigen Teamkollegen Preidler sowie die Verbindung zu seiner thüringischen Heimat hätten den 30-Jährigen getroffen. Zudem erhob Kittel schwere Vorwürfe gegen den Landessportbund Thüringen und beklagte den allgemeinen Werteverfall im Sport.

"Ich bin persönlich mit meinem Latein am Ende", schrieb Kittel in einer Stellungnahme auf seiner Homepage: "Nicht nur, weil Georg drei Jahre mein Teamkollege gewesen ist, sondern vor allem auch, weil das ganze Dopingnetzwerk mit einem Arzt aus meiner Heimatstadt Erfurt seinen Ursprung in Thüringen hat."

Die immer neuen Enthüllungen der vergangenen Tage habe er mit "Fassungslosigkeit" verfolgt. Er sei froh, dass das Treiben des verhafteten Mediziners jetzt ein Ende habe. "Ich finde es tragisch, wie eine Handvoll Personen das Image des deutschen Sports und meiner Heimatstadt so beschädigen konnten", sagte Kittel.

(ako/dpa)
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