Olympiasieger Johannes Rydzek Oben angekommen

Düsseldorf · Mehrfacher Weltmeister, Olympiasieger in der Nordischen Kombination und Sportler des Jahres: Johannes Rydzek (26) hat all das geschafft, obwohl ihm in seiner Karriere manch einer im Weg stand, ob andere oder er selbst.

 Deutscher Star der Nordischen Kombination: Johannes Rydzek

Deutscher Star der Nordischen Kombination: Johannes Rydzek

Foto: dpa, mut fgj

Johannes Rydzek hat grün-braune Augen. Er trägt einen getrimmten Bart auf der Oberlippe und rund um das schmale Kinn. Interessant zu sehen, weil sonst meist Skibrille und Halstuch das Gesicht des Nordischen Kombinierers verdecken, der das Skispringen und Langlaufen derzeit besser beherrscht, als alle anderen. Rydzek hat in den vergangenen drei Jahren den Durchbruch geschafft: Team- und Einzel-Olympiasieger 2018, sechsfacher Weltmeister und Sportler des Jahres 2017. Er ist schon mit 26 Jahren oben angekommen. Wo soll es jetzt noch hingehen?

Müdigkeit liegt an diesem Abend nicht in Rydzeks Blick, als er in der Lobby eines Düsseldorfer Hotels sitzt. Dabei hat sein Tag schon um 5.30 Uhr begonnen. Da hat er die Joggingschuhe angezogen und einen 19-Kilometerlauf durch Oberstdorf gemacht. Anschließend hat er in der Hochschule Kempten eine Vorlesung besucht und am Nachmittag den Flieger nach Düsseldorf genommen. Die Pflicht rief.

Rydzek ist anlässlich einer Veranstaltung seines Sponsors hier. Seit 2015 ist er Markenbotschafter der Walser Privatbank. „Im Flugzeug hat mich keiner erkannt“, sagt Rydzek, der zum ersten Mal in Düsseldorf ist. In seiner bayerischen Heimat sei das anders, aber nie unangenehm für ihn. Die Goldmedaillen aus Pyeongchang hat er auch dabei – sie baumeln versteckt in einem Jutebeutel, der die Aufschrift „Schönes aus der Heimat“ trägt.

Einfach war Rydzeks Weg nicht. Mit 19 galt er bereits als vielversprechendster Kombinierer, wurde dreimal Vize-Weltmeister. „Mit dem Druck muss man erstmal klarkommen“, sagt Rydzek. Olympia-Bronze mit dem Team 2010 in Vancouver war das nächste Ausrufezeichen. Doch der eigene Ehrgeiz stand ihm alsbald im Weg. Er wollte den Erfolg erzwingen, trainierte zu viel und war zu verkrampft. Gespräche mit Trainern und Vertrauten halfen, seine Energie in die richtige Bahn zu lenken. Selbst der Zwischenfall bei den Winterspielen 2014 warf ihn nicht zurück. Zumindest nicht langfristig.

„Ich hatte schon daran zu knabbern“, sagt Rydzek. Drei Deutsche waren damals im Schlussspurt des Rennens auf Medaillenkurs. Ausgerechnet sein Teamkollege und Zimmergenosse Fabian Rießle brachte Rydzek zu Fall. Die Medaillenchance war dahin. Rydzek ließ Ärger, Frust und Wut im Ziel freien Lauf. Rydzek sagt heute: „Hätte ich die Sache früher im Rennen geklärt und mir einen Vorsprung in der Loipe verschafft, wäre es dazu nicht gekommen.“ Bodenhaftung scheint sein Erfolgsrezept zu sein. In der Heimat hat er Familie und Freunde bei sich, genießt Hobbys wie Bergsteigen und Skitouren. Mit den anderen deutschen Kombinierern verstehe er sich trotz aller Konkurrenz gut. „Das sind Kumpels“, sagt Rydzek, auch über den ärgsten Rivalen, Eric Frenzel (29). „Wenn man so viele Tage im Jahr zusammen verbringt, schweißt das zusammen.“

Johannes Rydzek: Vom Kronprinzen zum Olympiasieger der Kombinierer
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Einen Monat Pause hat Rydzek seinem Körper nach Olympia gegönnt. Jetzt steht die Vorbereitung an: 15 bis 20 Stunden pro Woche für die Grundlagenausdauer, plus Sprungtraining auf Matten. Taktik und Physis wolle er verbessern – und sich selbst ein wenig den Druck nehmen. „Wenn ich mal nicht auf dem Podest stehe, ist das kein Weltuntergang“, sagt er. „Ich mache das nicht hauptsächlich, um Olympiasieger zu werden. Das tägliche Training macht mir unglaublich Spaß. Ich lebe für den Sport.“ Auch deswegen lässt er sich nicht zu Kampfansagen verleiten, lässt konkrete Saisonziele offen. Auch wenn jeder weiß, dass Rydzek der Gesamtweltcupsieg noch fehlt. Rydzek ist nicht nur Leistungssportler, sondern auch Student: Wirtschaftsingenieurswesen in Kempten. Sport und Uni finanziert er selbst.

Die Fußball-WM verfolgt der Fan des FC Augsburg auch. „Natürlich ist da ein Ungleichgewicht in der Aufmerksamkeit und im Gehalt“, antwortet Rydzek auf die Frage, ob er neidisch auf Fußballer sei. Neidisch sei er aber nicht. Rydzek ist zufrieden mit dem, was er hat. Zur Leistung der Nationalelf sagt er: „Man kann Erfolg nicht erzwingen.“

(ball)
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