Österreicher beendet Skisprung-Saison Schlierenzauer: "Der Rucksack ist zu schwer geworden"

Wien · Psychische Probleme, bittere Enttäuschung und große Sehnsucht nach ein wenig mehr Ruhe: Gregor Schlierenzauer hat an seinem ziemlich traurigen 26. Geburtstag seinen vorläufigen Rückzug aus dem Skisprung-Zirkus verkündet. Der tief gefallene, mental erschöpfte und innerlich zerrissene österreichische Skisprung-Star will sich auf eine Sinnsuche begeben. Ein Karriereende schließt er nicht aus.

Das ist Gregor Schlierenzauer
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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

"Ich ziehe für heuer einen Schlussstrich, werde die Saison beenden und nehme mir damit nach zehn Jahren im Spitzensport erstmals eine richtige Auszeit", teilte Schlierenzauer am Donnerstag über sein Management mit. Auf seiner Website schrieb er von einer "Pause auf unbestimmte Zeit".

Damit nimmt der Weltcup-Rekordgewinner auch nicht an der Skiflug-WM in der kommenden Woche am Kulm (14. bis 17. Januar) in seiner Heimat teil. "Im Moment brauche ich eine Pause und Abstand, wenn die Wunden verheilt sind und der Kopf klarer ist, schauen wir weiter", sagte er.

Ob er seine Karriere, die mit dem vorzeitigen Aus bei der Vierschanzentournee einen weiteren Tiefpunkt erreicht hat, noch einmal fortsetzt, ist Schlierenzauer derzeit selbst nicht klar: "Ich weiß hier und heute ganz einfach nicht, was die Zukunft bringt, will das Feuer neu entfachen und mir ohne Zeitdruck klar darüber werden, wie mein Weg weitergeht."

Er ziehe "die Reißleine", schrieb er auf seiner Website. Der Rucksack, den er mit sich herumschleppe, sei "einfach zu schwer geworden".

Schlierenzauer war zuletzt in seiner Heimat so etwas wie das Gesicht der Skispringer-Krise, die das so erfolgsverwöhnte Land ins Mark traf. Der Gesamt-Dritte Hayböck verhinderte, dass erstmals seit 2006 kein Österreicher auf dem Tournee-Podium stand. Trotzdem: Das Ergebnis war für die Österreicher, die zuletzt sieben Mal in Folge den Tournee-Sieger stellten, ein Schlag ins Gesicht.

Schlierenzauer war dabei für die traditionell nicht zimperliche österreichische Boulevard-Presse ein gefundenes Fressen. Zur Tournee-Beginn war er zurückgekehrt, nachdem er sich am 6. Dezember infolge eines 20. Platzes in Lillehammer zum temporären Rückzug entschlossen hatte, schon dort physisch und psychisch in jämmerlicher Verfassung. "Ich musste einfach aussteigen aus diesem Hamsterrad und mich überprüfen: Brennt das Feuer noch in mir? Hob I no g'nug Pfeffer im Hintern?", sagte er damals - und bereut wohl noch heute, dass er nicht schon in Norwegen das Thema Skispringen ad acta gelegt hat.

Denn die Tournee wurde zum Albtraum, auch weil die Presse Gerüchte über eine Trennung von seiner Freundin Sandra genüsslich ausschlachtete. Schlierenzauer war darüber "sehr enttäuscht". Nur in Garmisch erreichte er den zweiten Durchgang, beendete ihn auf dem für ihn indiskutablen 21. Platz. Vor dem Finale in Bischofshofen hatte Cheftrainer Heinz Kuttin ein Einsehen und nahm Schlierenzauer mit den Worten aus dem Wettbewerb, dass für seinen Star der Wettbewerb nur noch "eine irrsinnige Qual" sei.

"Ich kann mich an keinen Skispringer erinnern, der mit 16 in den Weltcup gekommen ist und fast zehn Jahre in der Weltspitze geblieben ist", sagte Deutschlands österreichischer Bundestrainer Werner Schuster über Schlierenzauer, den er einst im Skigymnasium Stams trainierte. Nun macht er seinem alten Schützling Mut: "Da ist es nur normal, dass es mal nicht läuft. Er hat das Zeug dazu, wieder zurückzukommen."

(seeg/sid)
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