Abschied von Rosi Mittermaier Ein Star, der keiner sein wollte

Düsseldorf · Rosi Mittermaier wurde mit ihren Olympiasiegen 1976 zum Star. Auch nach ihrer Karriere als Skirennfahrerin blieb Gold-Rosi den Fans erhalten und schaffte ein bedeutendes Lebenswerk. Mit ihrer Herzlichkeit beeindruckte sie Generationen.

Rosi Mittermaier: Die Karriere der Ski-Legende in Bildern
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Karriere und Leben von Rosi Mittermaier in Bildern

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Foto: dpa, lrei_hae nic

Ihr Lachen, das fröhliche Funkeln in ihren Augen und ihre herzliche Art werden vielen in Erinnerung bleiben und ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn sie an Rosi Mittermaier denken. Vielleicht noch mehr als ihre Medaillen bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck. Gold in der Abfahrt und im Slalom gewann die damals 25-jährige Rosa Katharina Mittermaier, Silber kam in der Abfahrt dazu. Die Rennen galten gleichzeitig als Weltmeisterschaft, für die aber noch die damals nicht-olympische Kombination ausgetragen wurde, die Mittermaier ebenfalls gewann. Der Spitzname Gold-Rosi war für die strahlende Siegerin geboren. Er wird auch über ihren Tod hinaus für die bodenständige, hilfsbereite und fast immer fröhliche Ski-Ikone aus Deutschland stehen.

Am Mittwoch (4. Januar 2023) ist Rosi Mittermaier im Alter von 72 Jahren nach schwerer Krankheit im Kreis ihrer Familie im Garmisch-Partenkirchen gestorben. Dort, wo sie mit ihrem Ehemann Christian Neureuther, ebenfalls ehemaliger Skirennfahrer, nach ihrer sportlichen Karriere ihren Lebensmittelpunkt fand, eine Familie gründete und die Kinder Ameli und Felix aufzog. Wo sie auch immer wieder für den Sport in Deutschland kämpfte und Stammgast bei den Neujahrsspringen oder alpinen Ski-Weltcups war. Auch an ihrem Todestag fuhren die besten Skirennfahrer der Welt beim Nachtslalom in Garmisch um den Sieg. Aber vor allem während der Karriere ihres Sohnes Felix Neureuther waren die Eheleute Mittermaier-Neureuther Dauergäste an den Skistrecken dieser Welt. Mit viel Leidenschaft, Begeisterung und Freude begleitete Mittermaier die Entwicklungen in der Sportart, die sie so liebte und die sie zum Superstar in Deutschland gemacht hatte. Nicht nur ihr Sohn, auch Maria Höfl-Riesch oder Viktoria Rebensburg profitierten von den Ratschlägen und der öffentlichen Unterstützung der Gold-Rosi. Die immerhin genau wusste, was nach großen Titeln auf einen zukommt.

Ihr selbst war die Aufmerksamkeit für ihre Person immer auch fremd und etwas unheimlich. „Wenn ich heute daran denke, dass ich das alles ausgehalten habe, kann ich mir das nicht mehr vorstellen. Ich steh ja viel durch, aber das war krass“, sagte Mittermaier noch anlässlich ihres 70. Geburtstags dem Sportinformationsdienst.

Mit ihren großen Triumphen in Innsbruck löste die Skirennfahrerin eine Euphorie aus, die man bisher eigentlich nur von Popstars oder männlichen Sportstars wie Franz Beckenbauer oder Niki Lauda kannte. Ihre Poster zierten die Wände in etlichen Kinder- und Jugendzimmern. Wo Gold-Rosi auftrat, war der Andrang groß. Sie machte eine ganze Nation stolz auf ihren Erfolg. Der Briefträger habe nach den Olympiasiegen tonnenweise Fanpost zu ihnen gebracht, berichtete Mittermaier einmal. Trotz all dieser Liebesbekundungen und Ehrungen stieg Mittermaier dieser Erfolg nie zu Kopf. Immer wirkte sie bodenständig, dankbar für das, was sie erreichen, erleben und auch zurückgeben konnte. Genau das machte ihre besondere Beliebtheit über Generationen hinweg aus. Weggefährten, Konkurrentinnen, die sie selbst immer als „Mitläuferinnen und Freundinnen“ bezeichnete, und Journalisten bezeichneten sie immer wieder als hilfsbereit, bodenständig und ohne jegliche Allüren.

Der große Rummel war dennoch ein Grund für das frühe Karriereende. Die am 5. August 1950 in München geborenen und auf der Winklmoosalm in Reit im Winkel aufgewachsene Bayerin bevorzugte schon immer das familiäre Leben, auch wenn ihr die Freunde aus dem Skizirkus nach der Karriere fehlten. Den Fans blieb ihre Gold-Rosi dennoch erhalten. Denn ihren Bekanntheitsgrad wusste die lebensfrohe Frau stets zu nutzen. Sie wollte sich unabhängig von ihrem Erfolg eine Existenz aufbauen.

Nach ihrer sportlichen Karriere stand sie bei der bekannten US-amerikanischen Sportagentur International Management Group unter Vertrag. Das war bisher keiner Deutschen gelungen. Formel-1-Legende Jackie Stewart oder Tennissuperstar Björn Borg gehörten zu den Kunden der Agentur. In dieser Funktion warb sie bei Reisen für Skiartikel, entwarf aber auch eine Wintersportkollektion. Die Fußballlegenden Beckenbauer und Pelé traf sie in New York für gemeinsame Fotos auf dem Spielfeld. Und auch in Deutschland konnten die Fernsehzuschauer mit ihr Tele-Ski im Programm des Bayerischen Rundfunks machen.

In Garmisch-Partenkirchen fand sie mit ihrem Ehemann den für sie so wichtigen Rückzugsort. 1980 hatte das Paar geheiratet, die Kinder wurden geboren, Ameli 1981, Felix 1984. Fast immer hatte sie die Familie um sich, auch jetzt. Sohn Felix lebt mit seiner Frau und den drei Kindern direkt nebenan. Als Familie traten die Mittermaier-Neureuthers auch immer wieder im Fernsehen und der Öffentlichkeit auf. Der Zusammenhalt und die innige Beziehung waren nicht zu übersehen und auch eine Botschaft, die Mittermaier wichtig war.

Die Familie stand nach der Karriere im Vordergrund, ganz verschwand das Vorzeigepaar aber nie aus der Öffentlichkeit. Gemeinsam hatten sie sich über all die Jahre dem Ziel verschrieben, Menschen für Bewegung zu begeistern. Sie wurden so etwas wie die Vorreiter der Nordic-Walking-Bewegung. Neben anderen Büchern schrieben sie auch einen Ratgeber fürs Nordic Walking. In TV-Sendungen machten sie immer wieder Werbung für die Bewegung und andere Sportevents für Jedermann, nahmen regelmäßig an Touren und Wettbewerben teil. Als Werbeträger und Zugpferde, ja. Nicht aber als Stars mit Privilegien. Stets wirkte die Gold-Rosi wie ein ganz selbstverständlicher Teil der Menge – sei es beim Nordic Walking, im Zuschauerbereich an der Skistrecke oder auf der Piste selbst. Auch in TV-Shows waren Rosi und ihr Mann gern gesehene Gäste – sei es bei Quizsendungen, Talkrunden oder Unterhaltungssendungen. Auch Jahrzehnte nach ihren sportlichen Erfolgen konnte Mittermaier das junge Publikum noch begeistern und begleitete Generationen von Wintersportfans.

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Foto: dpa/Daniel Karmann

Bei aller Herzlichkeit und Lebensfreude versäumte sie es aber auch nicht, klare Worte zu finden, wenn sie diese für nötig hielt. Ungerechtigkeit, so sagte sie immer wieder, könne sie nicht ertragen. Und so bekam das Internationale Olympische Komitee immer wieder ihre Kritik ab. In Deutschland wurde sie 1997 Botschafterin für Sport, Toleranz und Fair Play. Die Ungerechtigkeiten in der Welt sprach sie unter anderem bei ihren Reisen für die Christoffel-Blindenmission an. Wie hoch ihr Stellenwert für den deutschen Sport ist, zeigen auch zahlreiche Auszeichnungen.

2006 wurde Mittermaier auch als Gründungsmitglied in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen. Und nicht nur dort wird die Erinnerung an die Gold-Rosi auch nach ihrem Tod weiterleben.

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