Neue Wettkampf-Formate So will der Deutsche Skiverband die Zukunft der Nordischen Kombination retten

Analyse | Herzogenaurach · Die Nordische Kombination steht in diesem Winter unter besonderer Beobachtung. Denn das IOC will das Starterfeld für Olympia reduzieren. Es droht sogar das komplette aus. Der Deutsche Skiverband hat deswegen neue Formate vorgestellt.

Nordische Kombination - Weltcup 2022/23 - Kader der Deutschen
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Der Kader der deutschen Nordischen Kombinierer

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Foto: AP/Matthias Schrader

Die Bilder vom spektakulären Schlussspurt bei den Olympischen Winterspielen zwischen Vinzenz Geiger, Jorgen Grabak, Johannes Lamparter und Johannes Rydzek mit dem Sensationssieg für den Deutschen Geiger, von den spannenden Aufholjagden und vom engen Kampf um Medaillen sind vielen Fans der Nordischen Kombination noch gut in Erinnerung. Und doch geht die traditionsreiche Sportart unter schwierigen Vorzeichen in die neue Wintersaison. Denn der Weltcup 2022/23 dürfte sich für viele Athleten wie eine Bewährungsprobe anfühlen.

Der Grund: Das Internationale Olympische Komitee hat im Sommer nicht nur die Aufnahme der Frauen-Wettkämpfe in das Programm für die Olympischen Winterspiele 2026 abgelehnt, es stellt die olympische Zukunft der gesamten Sportart infrage. Die Wettkämpfe seien nicht spannend genug, Nationen außerhalb von Europa seien abgehängt worden, wodurch die Vielfalt und das mediale Interesse verloren gehen würden, es fehle an Innovationen, modernen Ideen und Attraktivität für die breite Masse. Das sind im Groben die Vorwürfe des IOC. Und deswegen würde man die Nordische Kombination bei Olympia eigentlich lieber gegen Sportarten austauschen, die mehr Social-Media-Stars, mehr Fans in den großen Nationen wie USA, China oder Russland mitbringen.

Erst einmal will man es 2026 aber wohl noch mit der Kombination versuchen. Damit die erfolgreichen Nationen aber nicht mehr allzu dominant sind, soll das Starterfeld auf zwei Athleten pro Nation reduziert werden. Wenig Überraschend stößt das auf wenig Gegenliebe im Deutschen Skiverband (DSV), bei den Norwegern, Österreichern oder auch Finnen. Weil man sich im DSV aber bewusst ist, dass das IOC sich durch reinen Widerspruch und Protest nicht umstimmen lassen wird, will man versuchen, den Ringeverband davon zu überzeugen, dass die Nordische Kombination durchaus in der Lage ist, Menschen zu begeistern, sich zu verändern und auch schwächere Nationen zu fördern.

Um ihre Sportart zu retten, haben die deutschen Trainer nun beim Komitee des Ski-Weltverbandes Fis eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, wie Bundestrainer Hermann Weinbuch bei der Einkleidung der Athleten in Herzogenaurach verriet. Denn wenn es künftig wirklich so sein sollte, dass es nur 36 Startplätze bei Olympia gibt, und er nur zwei Athleten statt jetzt vier oder fünf nominieren könne, sei das für ihn sehr schwierig und belastend, gab der Erfolgscoach zu. Die Chancen für die Athleten und vor allem auch den Nachwuchs würden dann immer kleiner. „Und dann wird die Motivation natürlich sehr, sehr schwierig“, befürchtet der 62-Jährige. Schon jetzt tue er sich schwer, aus der Leistungsgruppe 1a mit neun Athleten zwei auszuwählen, die nicht zum Siebener-Team für den Weltcup gehören, auch, weil sie fast alle gleich stark seien. „Aber wenn ich dann sage, nur zwei, dann werden wir die Breite verlieren – mittelfristig und auch langfristig.“ Dann gehe es genau in die andere Richtung als die, die man eigentlich wolle.

„Man ist ein bisschen der Willkür des IOC ausgeliefert. Die Ansätze oder die Kritikpunkte sehen wir natürlich ein bisschen anders, differenzierter. Es gibt viele andere Sportarten, die da vielleicht auch nicht so eine große Leistungsdichte oder Vielfalt von Nationen haben. Wenn ich da Rodeln und Bobfahren anschaue, aber auch in anderen Bereichen. Selbst im Sommersport, wenn ich Sprint zum Beispiel anschaue, im 100-Meter-Lauf, da sind fast keine Europäer dabei. Und uns ist angekreidet worden, dass eben die Überseenationen nicht mehr präsent sind“, sagte Weinbuch. In Vancouver 2010 sei immerhin noch ein Amerikaner Olympiasieger geworden. Das IOC habe aber nur die letzten zwei olympischen Zyklen angeschaut. Wäre man nur einen Zyklus weiter nach hinten gegangen, hätte man das gesehen, so Weinbuch. „Also Statistiken kann man so sehen, wie man es will. Das habe ich schon im Studium gelernt, dass man das so auslegen kann, wie man das gern möchte. Darum ist es ein bisschen schwierig für uns“, erklärte der Bundestrainer die Situation.

Nordische Kombination 2022/23 Termine - Weltcup-Kalender der Kombinierer
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Das sind die Weltcup-Termine in der Nordischen Kombination 2022/23

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Auch der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Eric Frenzel kritisiert das IOC. Im Endeffekt würden ihnen als Athleten immer nur Diagramme zur Performance der Sportarten gezeigt, die keine Zahlen beinhalten würden und bei denen dann mehrere Sportarten einen gleich langen Balken hätten. „Und warum wir dann unter denen an letzter Stelle stehen, kann man in dem Punkt gar nicht entscheiden. Für mich ist das alles sehr, sehr willkürlich. Dennoch müssen wir natürlich schauen, wie sieht es jetzt eben nach 2026 aus, was können wir bis dahin tun“, sagte Frenzel.

Die Fis habe aus seiner Sicht in dieser Sache für die Nordische Kombination zu wenig Widerspruch gegeben, findet Weinbuch. Eine Sichtweise, die Athleten wir Frenzel oder Johannes Rydzek teilen. Fabian Rießle findet zudem, dass die Fis in den vergangen Jahren zu wenig getan habe, um die Sportart attraktiv zu halten: „Gerade das, was ja der größte Punkt bei uns ist, die Medienwirksamkeit, da haben wir die letzten Jahre eben immer das Gleiche gemacht, sind nicht innovativ gewesen, haben keine neuen Wettkampfformate probiert, sondern haben das einfach alles so weiter laufen lassen, wie es war.“ Nun müsse man damit umgehen, dass man Handeln muss. „Ich denke, da sind andere Interessen wichtiger als die kleine Kombination. So sieht es zumindest aus. Ich bin aber nicht in diesen Verhandlungen dabei“, sagte Weinbuch über die Fis. Dabei war er aber bei der Vorstellungen der DSV-Ideen zur Rettung der Nordischen Kombination. Und die seien ganz gut angekommen beim Weltverband.

Was aber stellt sich der deutsche Verband vor?

1. Entwicklungshilfe für andere Nationen

Skispringen: Das ist Vinzenz Geiger
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Das ist Olympiasieger Vinzenz Geiger

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Zwei Ideen sollen den schwächeren Teams in der Nordischen Kombination helfen, konkurrenzfähiger zu werden. So will der DSV solche Nationen zu Camps einladen, um Trainer zu schulen, zu zeigen, wie man einen Anzug richtig schneidert, wie man im für den Langlauf so wichtigen Wachsbereich arbeitet oder wie man coacht und trainiert. „Und die Aktiven sollen dann natürlich auch in diesen Camps trainieren“, sagt Weinbuch.

2. Gemeinsame Technik-Teams für mehrere Nationen

Der zweite Ansatz bezieht sich auf die Infrastruktur und den Personalaufwand bei den Wettkämpfen. Es sollen Racing Teams zusammengestellt werden, in denen dann drei, vier Teams vor allem beim Wachsen der Skier zusammenarbeiten. „Denn ein Argument ist, dass die schwachen Nationen mit dem Hightech von den starken Nationen nicht mitkommen, dass sie auch die Manpower nicht haben“, sagt der Bundestrainer. Nach seiner Vorstellung würden mindestens Deutschland, Österreich und Norwegen andere Nationen in ihr Team aufnehmen. Die großen Nationen würden mehrer Techniker einbringen, eine Nation vielleicht nur zwei, eine andere gar keinen. „Aber mit sechs Techniker kann man alles abdecken und dann werden die schwachen Nationen genauso gleichgestellt wie die anderen und nutzen auch eh das gleiche Wachs.“ Damit soll die IOC-Idee von Einheits-Ski oder Einheitsanzüge abgewendet werden. „Da waren wir alle dagegen, denn dann nimmt man was weg, um nach vorne zu kommen, und ich glaube, dass das nicht das Richtige ist. Wir sind Racer, wir wollen Topleistungen bringen. Wir wollen uns entwickeln und da würden wir ja sagen, wir dürfen uns nicht mehr entwickeln“, erklärt Weinbuch.

Nordische Kombination: Das sind die Disziplinen im Weltcup
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Das sind die Disziplinen in der Nordischen Kombination

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Foto: REUTERS/TT NEWS AGENCY

Und dann gibt es noch zwei Ideen für neue Wettkampf-Formate:

1. Kompakt-Race - Vorteil für starke Läufer

Eines könnte eine Art Kompakt-Race oder Power-Race sein. Namen gebe es für die Formate noch keine, sagt Weinbuch. Wie das ablaufen soll? „Man springt normal und der Beste läuft als Erstes weg wie gehabt, und dann geht es nach Platzziffern. Also der Zweite hat dann fünf Sekunden Rückstand, der dritte zehn Sekunden, dann werden Viererschritte gemacht bis 50 Sekunden. Und dann, mit einer Minute, werden alle anderen losgelassen“, erklärt Weinbuch das Format. 25 oder 35 Kombinierer kämen dann auf einen Schlag auf die Strecke. „Und wenn man eine Minute Abstand hat, dann kann man noch unter die ersten Zehn laufen und die fordern. Ein Riiber kann dann nicht mehr vorn bummeln oder so, der wird trotzdem gewinnen. Es wird auch ein Lamparter vorn sein oder irgendeiner von meinen Leuten. Also die Besten werden trotzdem gewinnen. Aber das Rennen wird viel geschlossener und man würde die schwachen Nationen auch mal sehen“, erhofft sich der Bundestrainer von der Idee.

2. Crossrennen mit Startgruppen - Vorteil für starke Skispringer

Um einen Gegenpol zur Bevorzugung der guten Läufer zu haben, solle es zudem ein weiteres neues Format geben, das die starken Skispringer bevorzugt. „Denn sonst verlieren wir die Japaner oder eben andere, die da sehr stark sind“, sagte der Bayer. Das Springen soll dabei ablaufen wie bisher. Danach soll dass Feld dann in Zehner-Heats aufgeteilt werden. Die gehen dann zweimal drei Kilometer laufen. „Und das sollte eher ein Geschicklichkeitsrennen mit Wellen, mit Umsteigen, mit Slalomläufe und so sein“, betonte der Trainer. Die Schwächsten aus den Läufen würden dann ein Rennen absteigen, von den zweiten Heats steigen dann wieder zwei oder drei auf. Dann gebe es noch das Finale, sodass eine kleine Durchlässigkeit für alle Athleten gegeben sei.

„Die Rennen gibt es ja schon, für uns wäre das ein Ansatz um junge Leute auch zu motivieren. So würde man noch mal frischen Wind reinbringen“, hofft Weinbuch. Außerdem würden die beiden neuen Formate die Chance erhöhen, dass starke Skispringer wie die Japaner auch beim Laufen vorne dabei sind und dadurch im Fernsehen zu sehen sein würden. Andersrum gelänge das mit dem neuen Lauf-Format für zum Beispiel die US-Amerikaner. Das könne dann auch neue Sponsoren bringen. „Jetzt werden wir im Winter, vielleicht im COC, das mal probieren. Und dann, vielleicht im nächsten Winter, kommt das eine oder andere dann zum Einsatz“, hofft Weinbuch.

Was halten die Athleten von den Rettungsplänen?

Seine Athleten machen sich vor allem Sorgen um den Nachwuchs in ihrer Sportart. „Das sind schon grobe Einschnitte in unsere Sportart. Wenn nur zwei die Chance haben, zu Olympia zu kommen, dann wird es für die Jungen natürlich sehr schwierig und da fehlt natürlich Motivation und es gibt nicht mehr für so viele die Chance dann, zu Olympia zu kommen, und das ist einfach das größte Ziel von jedem Sportler, denke ich mal, und deswegen mache ich mir da Sorgen“, sagt Olympiasieger Geiger. Das gelte vor allem für die Damen die 2026 nicht bei Olympiastarten dürfen und auch für 2030 noch keine Zusage haben. „Ich hoffe, dass da die die WMs helfen können, dass die Mädels da dabei bleiben“, sagt Geiger, der wie viele seiner Kollegen findet, dass sie „als Sportart eigentlich einen guten Job gemacht haben. Wir haben uns gut entwickelt. Ich finde, die letzten Jahre waren sehr spannende Jahre.“ An dem Sport an sich müssen man aus seiner Sicht nichts ändern.

„Wir können einfach mit der Begeisterung, mit der wir als Kombinations-Familie, und da zähle ich auch die Damen mit dazu, den Sport ausüben, schauen, dass wir so viele Leute wie möglich begeistern und dass wir hoffentlich da einfach jetzt auch über die nächsten Jahre eine positive Entwicklung kriegen“, sagt Johannes Rydzek und hofft, dass der Nachwuchs weiter dabei bleibt.

„Ich glaube nicht, dass der Hebel, an der Sportart selber groß was zu verändern, wirklich der beste Ansatz ist. Ich glaube, unser Produkt ist sehr interessant. Wir haben viele verschiedene Bereiche, bei denen wir auf jeden Fall spannende Wettkämpfe abliefern“, sagt Frenzel. Er weiß aber auch, dass man die Nordische Kombination nur wird retten können, wenn man die Situation annimmt und schaut, wie man die Vorgaben erfüllen kann. Aus Frenzels Sicht ist aber nicht fehlendes Geld in den als schwächer bezeichneten Nationen das Hauptproblem. Immerhin gehe es unter anderem um die Amerikaner, Chinesen, Japaner. Da sei nicht das Fehlen von guten Athleten oder technischem Wissen und Vermögen das Problem. Das Investment, das man bereit sei in den Sport zu geben, sei einfach geringer als zum Beispiel in Deutschland, Österreich oder Norwegen, sagt Frenzel. „Man wird die Nordische Kombination nur dann retten können, wenn man sagt:,Okay, wie schafft man es, auch in anderen Nationen dieses Engagement für die Sportart zu wecken und Geld quasi dort offen zu legen“, so der Sachse. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass wir Weltcups dann eben nicht nur hauptsächlich in Deutschland, Norwegen, Finnland und Österreich stattfinden, sondern auch wieder in Pole oder in Übersee. Damit die entsprechenden Nationen dann merken würden, dass es „coole Wettkämpfe sind“ und es wieder mehr Zulauf gibt, es sich dann auch lohne mehr zu investieren, um selbst mit seinen Sportlern erfolgreich zu sein.

Fabian Rießle erinnert daran, dass auch der Erfolg in Norwegen, Österreich und Deutschland nicht aus dem Nichts kam. Man habe dort die letzten Jahre sehr gute Arbeit geleistet. Jetzt habe man schon das Gefühl, dass man dafür nun bestraft werde. „Es geht halt nur um Zahlen, Zahlen, Zahlen. Was drumherum ist, dier Tradition, zählt überhaupt nichts mehr. Es wird einfach nur noch geschaut, wer die meisten Social Media Follower oder so hat und das ist das Wichtigste und das hat eigentlich mit dem olympischen Gedanken überhaupt nichts mehr zu tun“, kritisiert Rießle das IOC deutlich.

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