Nordische Ski-WM Kombiniererin Armbruster ist die Hoffnungsträgerin einer ganzen Sportart

Analyse | Düsseldorf · Vizeweltmeisterin Nathalie Armbruster ist das Gesicht der Nordischen Kombination der Frauen in Deutschland. Die 17-Jährige kämpft nicht nur für ihren persönlichen Erfolg, sondern für die olympische Zukunft der Disziplin.

 Hoffnungsträgerin der Nordischen Kombination: Nathalie Armbruster jubelt im Ziel über ihren zweiten Platz bei der WM.

Hoffnungsträgerin der Nordischen Kombination: Nathalie Armbruster jubelt im Ziel über ihren zweiten Platz bei der WM.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Gut möglich, dass die Elftklässler des Kepler-Gymnasiums in Freudenstadt etwas mehr Zeit für Fotos bei ihrer Studienreise in Berlin einplanen müssen. Nicht etwa, um selbst die besten Motive für Instagram und Co. zu ergattern, sondern weil eine doppelte Vizeweltmeisterin zu ihrer Reisegruppe gehört. Spätestens seit dem vergangenen Wochenende kennen Hunderttausende das Gesicht von Nathalie Armbruster.

Als erste deutsche Nordische Kombiniererin gewann die 17-Jährige am Freitag eine WM-Medaille – und hüpfte danach gut gelaunt als Vizeweltmeisterin von Interview zu Interview. Am Sonntag folgte erneut Silber – bei der WM-Premiere im Mixed-Team mit Julian Schmid und Olympiasieger Vinzenz Geiger sowie Jenny Nowak. Mit ihrer unbekümmerten Art und guten Laune dürfte Armbruster bei vielen Wintersportfans einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Doch nun kehrt sie erst mal zurück in den Teenager-Alltag.

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Von der Nordischen Ski-WM im slowenischen Planica ging es für Armbruster am Montag direkt zur Studienreise nach Berlin. Viel Zeit, die WM-Erfolge mit dem Team zu feiern, blieb der jungen Schwarzwälderin also nicht. Nach Platz zwei im Einzel wollte sie mit alkoholfreiem Sekt anstoßen, weil sie keinen Alkohol trinke. Mehr wurde es am Sonntag wohl auch nicht.

Dabei hat Armbruster für den Deutschen Skiverband Historisches in ihrer Sportart geschafft. Und sie ist gleichzeitig eine wichtige Botschafterin für die noch junge Disziplin der Nordischen Kombination der Frauen. Eine Rolle, die die Schülerin offenbar gerne und mit genauso viel Leidenschaft und Ehrgeiz angeht wie ihre Wettkämpfe.

Auch und vor allem im Moment des Erfolgs wird sie nicht müde, das Internationale Olympische Komitee (IOC) für die Entscheidung, die Nordische Kombination der Frauen nicht für 2026 ins Olympische Programm aufzunehmen, zu kritisieren. Ein Kindheitstraum sei für sie damit zerstört worden, betont die Deutsche immer wieder. Noch hoffen sie und ihre Kolleginnen auf Olympia 2030. Doch im Kampf um Fördergelder wird es ohne olympische Aussichten schwierig für sie. Die Weltmeisterschaft ist neben dem Weltcup die einzige Chance der Kombiniererinnen einen großen Titel zu gewinnen.

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Der Kader der deutschen Nordischen Kombiniererinnen

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Dass das auf Dauer nicht reichen wird, um auch neue Talente für die Sportart zu begeistern, ist Armbruster und Co. bewusst. Vor den Rennen protestieren sie regelmäßig mit gekreuzten Skistöcken über ihren Köpfen gegen die IOC-Entscheidung. „No eXception“ (keine Ausnahme), soll das Zeichen bedeuten. Die Enttäuschung und Wut hat Armbruster, die sich als zuversichtlichen Menschen bezeichnet, seit dem Sommer in Motivation umgesetzt, allen zu zeigen, warum auch die Kombiniererinnen an Olympia teilnehmen sollten, wie spannend und attraktiv die Disziplin ist.

Eine bessere Frontfrau hätte sich der DSV für diese Mission kaum wünschen können. „Ich glaube, von so einer Frohnatur, die dann auch noch erfolgreich ist, kann jede Sportart nur profitieren“, sagte Bundestrainer Florian Aichinger bei der WM. In ihrer Debütsaison im Weltcup gehört diese Frohnatur, wie auch ihre Teamkolleginnen Armbruster charakterisieren, prompt zu den Besten, liefert sich immer wieder spannende Lauf-Duelle mit teils deutlich erfahreneren Kontrahentinnen. Siebenmal stand sie bei den neun Weltcups in der bisherigen Saison auf dem Podest. Immer wieder beeindruckt sie vor allem in der Loipe mit einer cleveren Taktik und guten Rennaufteilung. Auch bei der WM zeigte sich Armbruster, die mit acht Jahren ihre ersten Sprünge machte, nicht nur von der Schanze stark, sondern auch abgebrüht im Langlauf und routiniert abseits der Strecke und Schanze. Zumindest nach außen unaufgeregt, locker und immer mit einem Lächeln bewältigt sie die Interviews, Medientermine und Fan-Wünsche.

„Es hätte für mich nicht besser laufen können. Ich bin gerade mal 17 Jahre alt. Hätte mir das einer vor einem Jahr gesagt, hätte ich das niemals geglaubt. Ich freue mich einfach unglaublich. Es ist eine überwältigende Woche“, sagte Armbruster in die TV-Kameras und verriet da auch, dass es nun für sie eben erst mal nach Berlin geht. Dort hat sie dann Zeit, mit ihren Freundinnen und Freunden zu feiern und wieder einfach die Schülerin Nathalie Armbruster zu sein.

Genau diese Mischung aus Leistungssport und Alltag scheint eine wichtige Zutat im Erfolgsrezept der Schwarzwälderin zu sein. Anders als viele Talente im deutschen Wintersport besucht sie kein Ski-Internat. Sie geht ganz normal auf das Gymnasium in der Nähe ihres Wohnortes Kniebis. Während der Saison nimmt sie oft nur montags und dienstags am Unterricht teil. Für die Wettkämpfe im Weltcup oder wie jetzt bei der WM wird sie freigestellt.

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Der Medaillenspiegel der Nordischen Ski-WM 2023

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Foto: dpa/Matthias Schrader

Die verpassten Unterrichtsinhalte holt sie für sich nach, ihre Freundin bringt ihr die Unterlagen mit. Bisher klappe das ganz gut, sagt Armbruster in einem Beitrag der „Sportschau“. „Meine Familie bedeutet mir alles, da hole ich meine ganze Kraft her. Ich habe von Anfang an gewusst, wenn ich auf das Ski-Internat wechseln würde, kämen auch nicht mehr die Erfolge, weil ich nicht mehr mein stabiles Umfeld hätte“, erklärt Armbruster in dem Beitrag. Und Erfolge will sie in ihrer Sportart noch viele feiern – am liebsten doch noch bei Olympia. 2030 wäre sie immerhin auch erst 24 Jahre alt.

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