Keine Nordischen Kombiniererinnen bei Olympia Das IOC rückt der Tradition zu Leibe

Meinung | Düsseldorf · Das IOC lässt nicht nur die Nordischen Kombiniererinnen bei Olympia außen vor, es stellt gleich die gesamte Olympische Zukunft der Sportart infrage. Es ist eine allein vom Kommerz getriebene Drohung, die zeigt, dass für die Macher um IOC-Präsident Thomas Bach Tradition allein kein Wert mehr ist, auf dem die Spiele fußen.

 Svenja Würth, Cindy Haasch, Jenny Nowak und Maria Gerboth bei der Nordischen Ski-WM 2021 in Oberstdorf.

Svenja Würth, Cindy Haasch, Jenny Nowak und Maria Gerboth bei der Nordischen Ski-WM 2021 in Oberstdorf.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Dass das Internationale Olympische Komitee den Nordischen Kombiniererinnen den Zugang zu den Winterspielen 2026 verwehrt, ist weder aus sportlicher noch aus politischer Sicht nachzuvollziehen. Damit enttarnt das IOC um seinen deutschen Präsidenten Thomas Bach die seit Jahren proklamierte eigene Gleichstellungs-Agenda als unglaubwürdig. Immer wieder hieß es vom Verband, man wolle in allen Sportarten die Gender-Gleichheit erreichen. Ohnehin sollen an Olympischen Spielen schon seit Jahrzehnten sportartübergreifend möglichst gleich viele Frauen und Männer teilnehmen, wenn man das gesamte Starterfeld betrachtet. Deswegen ist es für Sportarten, die vor allem von einem Geschlecht auf professionellem Niveau betrieben werden, auch so schwer, neu in das Programm aufgenommen zu werden.

Anders sollte es gerade deswegen sein, wenn wie bei der Nordischen Kombination die Frauen um das gleiche Recht wie ihre männlichen Kollegen bitten: die Teilnahme an den Winterspielen. Zumal die Initiative zu einer professionellen Nordischen Kombination der Frauen gerade vom IOC ausging. Weil es eben im Wintersport die letzte Disziplin ist, in der es noch keine Gendergleichheit gibt.

Also bemühten sich der Skiweltverband FIS und nationale Verbände wie der Deutsche Skiverband um den zügigen Aufbau professioneller Strukturen. Die Pandemie verhinderte die erste Weltcup-Saison 2020. Im vergangenen Winter gingen immerhin 39 Kombiniererinnen aus elf Nationen an den Start. Dass diese noch nicht auf dem Niveau der besten männlichen Kombinierer sind, dürfte nun wirklich niemanden überraschen. Selbst beim IOC nicht. Dennoch zeigen die Frauen sportlich spannende Wettkämpfe. Professioneller können sie aber nur werden, wenn es sich für die jungen Sportlerinnen auch lohnt, ihre gesamte Zeit ins Training zu investieren. Dafür braucht es eine Perspektive und die heißt für fast alle Wintersportlerinnen und -sportler nun mal Olympia. Einmal dabei zu sein, ist für viele das Höchste, was man erreichen kann. Gleichzeitig sind die Athletinnen für ihre Verbände und Sponsoren auch nur dann interessant, wenn sie sie bei großen Wettbewerben vertreten können. Sonst lohnt sich der finanzielle Einsatz nicht.

Dass Argument, die Kombiniererinnen seien sportlich noch nicht attraktiv genug für Olympia, ist zudem fadenscheinig, fallen einem doch zahlreiche Olympische Sportarten ein, die längst nicht die Attraktivität und sportliche Professionalität ausstrahlen wie andere. Das Eishockey der Frauen findet bei Olympia seit Jahren auf einem anderen Niveau statt als das der Herren und begeistert deutlich weniger Zuschauer. Judo, Ringen, Synchronschwimmen oder Curling sprechen deutlich weniger Menschen an als die Publikumsmagnete und dürfen dennoch bei Olympia stattfinden. Die Skispringerinnen haben gezeigt, welchen Aufschwung die Olympia-Teilnahme einer Sportart geben kann.

Das IOC vertut mit der Ablehnung der Kombiniererinnen eine große Chance zu zeigen, dass es ihm wirklich um Fairness und Gleichbehandlung von Sportlerinnen und Sportlern geht. Es vertut die Chance zu zeigen, dass es auch seine Aufgabe als Förderer des Sports ernst nimmt und macht sich einmal mehr unglaubwürdig.

Dass man stattdessen überlegt, ja damit droht, die Sportart als Ganzes aus dem Olympischen Programm streicht, ist vielsagend. Wer beim IOC der Meinung ist, die gesamte Sportart Nordische Kombination sei nicht spannend genug für die Zuschauer, lasse sich nicht gut genug vermarkten oder sei veraltet, der hat offenbar die Wettkämpfe bei den vergangenen Winterspielen und Peking nicht gesehen, als in spannenden und spektakulären Schlussspurts die Medaillen vergeben wurden, als den Zuschauer der Atem beim Mitfiebern stockte. Junge Sportarten wie die Snowboard-Wettkämpfe sind in den USA und anderen großen Ländern vielleicht besser zu verkaufen, Olympia lebt aber auch von der Tradition. Und die Nordische Kombination ist nun mal eine der traditionsreichsten Disziplinen des Wintersports. Ihre Strahlkraft sollte man nicht unterschätzen.

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