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Am Rande der Nordische Ski-WM Festnahmen bei Doping-Razzien in Deutschland und Österreich

Seefeld · Bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften sind sieben Personen in Seefeld zum Teil auf frischer Tat festgenommen worden. Weitere Festnahmen gab es in Erfurt. Das BKA in Österreich spricht von der Zerschlagung eines „weltweit agierenden Dopingnetzwerks“.

 Noch ist völlig unklar, wer im Fokus der Ermittlungen steht. (Symbolbild)

Noch ist völlig unklar, wer im Fokus der Ermittlungen steht. (Symbolbild)

Foto: dpa, geb jai gbl sja

Neun Festnahmen, 16 Hausdurchsuchungen und offenbar zwei auf frischer Tat ertappte Skilangläufer: Das österreichische Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft München haben eigenen Angaben zufolge ein international agierendes Dopingnetzwerk zerschlagen. Im Mittelpunkt der Razzien im Rahmen der "Operation Aderlass", die am Mittwoch zeitgleich im Ski-WM-Ort Seefeld und in Deutschland stattfanden, soll der in Erfurt ansässige Sportmediziner Mark S. stehen.

"Diese aus Erfurt agierende kriminelle Gruppierung ist dringend verdächtig, seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern", hieß es in einer Mitteilung des Bundeskriminalamts. Das Ziel: Illegale Einkünfte zu generieren.

Die Ermittlungen liefen bereits seit mehreren Monaten, der Vorwurf lautet auf Verdacht des gewerbsmäßigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken. Wie die Behörden am Nachmittag mitteilten, könnte sich der Skandal sogar noch ausweiten. „Es werden sicherlich auch noch andere Sportarten betroffen sein“, sagte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt. Als Begründung dafür nannte der Beamte, dass die Ermittlungen ergeben hätten, dass „dieses Netzwerk seit Jahren weltweit agiert“. Konkret nannte Csefan einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren.

Die Maßnahmen wurden in Seefeld rund zwei Stunden vor dem Start der WM-Entscheidung im 15-km-Skilanglauf der Männer bekannt. Im WM-Ort wurden zwei Mitglieder der Gruppe sowie fünf Sportler festgenommen, in Deutschland der Sportmediziner S. und ein Komplize, hieß es. Bei den Sportlern handele es sich um zwei Österreicher, zwei Esten und einen Kasachen.

Deutsche Athleten nicht betroffen

Deutsche Athleten waren nicht betroffen. Horst Hüttel, Sportlicher Leiter für die Disziplinen Nordische Kombination und Skisprung, bestätigte unserer Redaktion, dass es im Teamhotel der deutschen Mannschaft keine Durchsuchungen gab. Die deutschen Sportler würden sich wie geplant derzeit auf ihre Wettkämpfe vorbereiten. "Nach unseren Erkenntnissen ist auch keiner aus unserem medizinischen Bereich in die Untersuchungen involviert. Wir haben nichts, was uns Anlass gegeben hätte zu denken, dass der DSV involviert ist", sagte DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach.

Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder war konsterniert. "Ich finde es immens bedenklich, dass so nahe bei uns in einer ganzen Trainingsgruppe so etwas betrieben wird, ich bin schockiert", sagte er nach dem 15-km-Rennen am Mittwoch im ZDF: "Trotz des engmaschigen Kontrollnetzes passiert so etwas Schockierendes. Wir müssen alles tun, dass so etwas nicht mehr geschehen kann."

"Das ist für den Sport nicht gut. Schwarze Schafe gibt es leider immer", sagte Sebastian Eisenlauer (Sonthofen) nach seinem Lauf: "Wichtig ist, dass sie knallhart entfernt werden. Wir können uns glücklich schätzen, wenn die raus sind." Lucas Bögl (Gaißlach) erklärte: "Das stimmt mich extrem traurig. Es sind offenbar größere Probleme vorhanden, als ich gedacht habe. So macht es keinen Spaß." Der österreichische Langläufer Luis Stadlober bezeichnete die Vorfälle als "das Schlimmste, was dem österreichischen Skilanglauf passieren konnte".

Die Staatsanwaltschaft München bestätigte, dass die Ermittlungen durch die Angaben des österreichischen Skilangläufers Johannes Dürr in der ARD-Sendung "Die Gier nach Gold - Der Weg in die Dopingfalle" vom 17. Januar dieses Jahres ausgelöst worden waren. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt eingeleitet, dieses sei nun in ein Ermittlungsverfahren gegen konkrete Beschuldigte übergegangen.

"Die NADA begrüßt das Zusammenwirken der staatlichen Ermittlungsbehörden aus Österreich und Deutschland für den sauberen Sport. Es zeigt sich, dass das Anti-Doping-Gesetz wirkt", teilte die Nationale Anti Doping Agentur mit: "Die NADA unterstützt die Ermittlungen und geht allen Hinweisen aus den Untersuchungsergebnissen nach, die auf Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen auf sportrechtlicher Ebene hindeuten."

Bei der WM in Seefeld zeigten sich viele Funktionäre fassungslos. "Wir stehen unter Schock. Hoffentlich werden jetzt einmal die Drahtzieher erwischt", sagte Österreichs Langlaufchef Markus Gandler dem ORF: "Wir arbeiten Tag und Nacht, um schnelle Ski zu haben und alles. Und dann passiert sowas." ÖSV-Langlaufkoordinator Trond Nystad, Ehemann der deutschen Olympiasiegerin Claudia Nystad, erklärte im ORF: "Ich habe keine Worte dafür, das ist einfach traurig."

Auf frischer Tat erwischt

Zwei österreichische Skilangläufer sind dabei in Seefeld offenbar sogar auf frischer Tat beim Blutdoping erwischt worden. Wie die Kronen-Zeitung berichtet, seien die beiden Athleten am Mittwochmorgen in ihrer Unterkunft von der Polizei festgenommen worden.

Der bei Olympia in Sotschi 2014 positiv auf EPO getestete Langläufer Johannes Dürr hatte im Januar umfassend über die Doping-Praktiken im Leistungssport ausgepackt, hatte sich dann aber nicht für die WM qualifiziert. Bei Olympia 2006 in Turin hatte die italienische Polizei eine Razzia bei Österreichs Langläufern und Biathleten durchgeführt. Schon seit Jahren steht bei den Langläufern bei jedem Rennen, bei jeder neuen Bestleistung der Dopingverdacht im Raum - unabhängig von der Nation. Weltmeisterin Therese Johaug war bereits genauso wegen Dopings gesperrt wie Justyna Kowalczyk und Neu-Weltmeister Martin Johnsrud Sundby. Zahlreiche russische Athleten durften in Seefeld starten, obwohl sie immer wieder mit Doping in Verbindung gebracht werden.

Doping-Razzien bei Großereignissen des Wintersports sind auch wegen solcher Vorwürfe keine Seltenheit und in diesem Fall angesichts der Enthüllungen durch Dürr keine Überraschung. Bei Olympia 2006 in Turin hatte die italienische Polizei eine Razzia bei Österreichs Langläufern und Biathleten durchgeführt. Auch damals wurden österreichische Athleten auf frischer Tat ertappt. Dass österreichische Bundeskriminalamt hatte schon vor gut zwei Jahren bei der Biathlon-WM in Hochfilzen in den Teamunterkünften der kasachischen Nationalmannschaft eine Razzia durchgeführt. Bei der nächtlichen Durchsuchung wurden damals zahlreiche medizinische Produkte und Medikamente sichergestellt.

(old/rent/dpa/sid)
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