Wintersport in der Krise Absagenflut trifft die Wintersportarten – welche Modelle sind zukunftsträchtig?
Analyse | Düsseldorf · Die Wintersportsaison hat noch nicht richtig angefangen, aber es gibt bereits eine Menge Absagen. In Zukunft muss sich wohl eine Menge ändern. Wir zeigen Möglichkeiten auf.
Es ist eine traurige Statistik: zwölf von bisher 43 in diesem Winter angesetzten Weltcuprennen im alpinen Ski-Weltcup wurden abgesagt. Der bisher letzte Ausfall: der Frauen-Slalom von Zagreb konnte am Donnerstag aufgrund der hohen Temperaturen nicht stattfinden, ohnehin zog sich oberhalb der kroatischen Hauptstadt nur ein weißes Band den Berg hinunter.
Bilder wie dieses wird es auch an diesem Wochenende wieder geben, wenn die Technik-Spezialisten um Linus Straßer im schweizerischen Adelboden um Weltcup-Punkte kämpfen. Nur mit Mühe und Not haben die Veranstalter überhaupt eine weltcuptaugliche Piste hinbekommen. Von Wintersport hat das allerdings wenig.
Ähnlich war es in dieser noch jungen Saison an vielen Standorten – zuletzt auch in Oberstdorf beim Langlauf. Zu warm, kein Schnee. Den gab es bekanntlich auch nicht beim Skispringen – zumindest abseits der präparierten Aufsprunghänge. Zu Saisonbeginn in Wisla (Polen), als die Skispringer und Skispringerinnen Anfang November erstmals in dieser Saison vom Balken gingen, wurde gleich auf Matten gesprungen, die aus dem Sommertraining bekannt sind.
Es sind keine guten Wochen für den Wintersport. Die Absagenflut und die Bilder von grün-braunen Hängen machen in einer Zeit, in der die Energiekrise jeden einzelnen Menschen trifft, sicher keine Werbung für Sportarten, die ohnehin immer wieder aufgrund ihrer Eingriffe in die Natur in der Kritik stehen. Ist der Wintersport also überhaupt zukunftsträchtig, wenn der Klimawandel weiter so schnell voranschreitet? Welche Pläne wären sinnvoll?
Kürzere Saison, späterer Beginn In den kommenden Jahren dürfte der Wintersport wohl maximal in den Kernzeiten des Winters weiter möglich sein. Darauf verweist auch Wolfgang Maier, der im Deutschen Skiverband die alpine Skisparte verantwortet. „Wir fangen erst Anfang, Mitte November an und fahren dann bis Mitte März“, so sein Vorschlag. In dieser Zeit würde in vielen Regionen genug Schnee liegen, man müsse nur die Rennen reduzieren. Auch das Training müsse entsprechend umgestellt werden, ein späterer Einstieg wäre notwendig, weniger Schneetraining möglich.
„Wir müssen Mutter Natur respektieren. Wir haben den Klimawandel und extrem warme Sommer. Das sind Signale, die wir respektieren müssen“, sagte auch Markus Waldner, der als Renndirektor Ski alpin der Männer beim Internationalen Skiverband (Fis) arbeitet. In diesem Jahr seien „Fehler im Programm“ gemacht worden.
Der Präsident von Snowboard Germany, Michael Hölz, findet, es sei Zeit umzudenken und fordert, „die Auswüchse“ im Rennkalender zurückschrauben. Denn der Wintersport müsse „Teil der Lösung“ sein und nicht „Teil des Problems“. Sein Verband ist in diesem Sommer vorangegangen, hat das Schneetraining reduziert und auf die Trainingscamps in Übersee verzichtet.
Matten statt Schnee Zum Weltcup-Auftakt der Skispringer war es schon Realität: der Aufsprunghang war ausgelegt mit Matten und nicht mit Schnee präpariert. Vorteil: die Flieger kennen diese Bedingungen bereits seit Jahren aus dem Sommertraining, die Umstellung war also nicht groß. Und auch im Weltcup-Zirkus hat das nun erstmals hervorragend geklappt. Stefan Horngacher, Trainer der Deutschen, sieht die Matten durchaus als richtungsweisend für die Zukunft an. Wenn zu wenig Schnee liegt, kann in den Wintermonaten trotzdem der Skisprung-Weltcup fortgeführt werden. Die Verhältnisse sind für alle gleich, Schanzen müssen nicht mehr präpariert werden, die Verletzungsgefahr ist geringer.
Das wäre übrigens auch im alpinen Skizirkus umsetzbar. Längst gibt es auch die Möglichkeit auf Gleitmatten zu fahren. Britische Skifahrer wie Dave Riding haben so sogar ihre internationalen Karrieren gestartet – und sind zu prestigeträchtigen Siegen gefahren.
Auch in anderen Wintersportarten gäbe es Alternativen. Langlauf oder Biathlon könnten mit sogenannten Rollerski durchgeführt werden. Im Sommer wird darauf trainiert, Wettkämpfe finden statt.
Wettkämpfe zusammenlegen Die nordischen Disziplinen machen es häufig vor: Skispringen, Langlauf und die Nordische Kombination finden an den selbsten Orten statt. An einem Wochenende – aber eben nicht immer. Gerade diese Disziplinen könnten ihre Wettkampfkalender komplett aufeinander abstimmen. „Sicherlich wäre es gut und richtig, zu sagen, man legt Wettkämpfe mit den anderen beiden Spezial-Disziplinen irgendwo zusammen, dass man das dann dementsprechend auf mehrere Schultern verteilt und damit die Wettkampfstätten dementsprechend intensiver genutzt werden können“, sagte etwa der deutsche Kombinierer Eric Frenzel. Funktionieren könnte das auch etwa im Ski alpin, wenn Männer und Frauen an einem Weltcup-Standort ihre Rennen austragen – wie zum Beispiel bei den Weltcupfinals.
Startzeiten anpassen Der Bedarf an Energie in Wintersportarten ist teils exorbitant, stand aber in Zeiten niedriger Strom- und Gaspreise nie so stark im Fokus wie jetzt. Deshalb wurden diverse Disziplinen oder einzelne Wettkämpfe sogar in die Abendstunden verlegt. Die Skispringer springen so zum Beispiel häufig unter Flutlicht – auch, um auf dem Fernsehmarkt möglichst präsent zu sein. Frühere Sprungzeiten im Tageslicht wären aber umsetzbar.