Dopingkampf in Italien Staatssache: "Wer dopt, wandert ins Gefängnis"

Rom (dpa). Der italienische Staat hat den Dopingsündern mit dem härtesten Anti-Doping-Gesetz der Welt den Krieg erklärt. "Wer dopt, wandert ins Gefängnis", titelte die "La Repubblica" am Freitag. Und das bis zu sechs Jahre lang. Die zuständige Senatskommission stimmte am späten Donnerstagabend in Rom dem vom Abgeordnetenhaus bereits im Juli verabschiedeten Gesetzentwurf einstimmig zu. Wer dopt oder gedopt ist, wird in Italien als Krimineller verfolgt, sobald das Dopinggesetz in 14 Tagen im Gesetzblatt veröffentlicht wird. Dopingbekämpfung ist dann Staatssache. Das Nationale Olympische Komitee (CONI) ist entmachtet. Das Gesundheitsministerium hat die Dopingkontrollen komplett an sich gerissen. "Jetzt gehören wir zur Avangarde in Sachen Dopingbekämpfung", sagte Sportministerin Giovanna Melandri.

Anders als Frankreich bestraft Italien nicht nur die, die Dopingmittel verabreichen oder in Umlauf bringen, sondern auch die Sportler. Neben Geldstrafen von bis zu 100 000 Mark sieht das Gesetz Haftstrafen von drei Monaten bis zu drei Jahren vor. In den Augen der Politiker sind gedopte Sportler nicht nur Opfer sondern auch Täter. Sie betrügen durch leistungssteigernde Mittel ihre Konkurrenten. Die Politik folgt damit den Vorstellungen der italienischen Justiz, die den unter Blutdopingverdacht stehenden Radstar Marco Pantani bereits wegen Sportbetrugs in Forlì vor Gericht gebracht hat.

Schärfer noch als die Sportler werden aber die Hintermänner wie der unlängst von der Staatsanwaltschaft in Ferrara wegen Epo-Dopings angeklagte Sportmediziner Prof. Francesco Conconi bestraft. 150 000 Mark Geldstrafe und zwei bis sechs Jahre Haft drohen Trainern, Betreuern und Medizinern, die Sportler dopen oder verbotene Mittel beschaffen. Sind die Sportler minderjährig, verschärfen sich die Sanktionen deutlich. Sollten die Dopingdealer Mitglieder eines Sportverbands sein, erhöhen sich die Strafen ebenfalls.

Für die Politiker ist die Verabreichung von gesundheitsgefährdenden Mitteln nichts anderes als Körperverletzung oder gar Totschlag und muss ebenso hart bestraft werden. Die Staatsanwaltschaft in Turin untersucht bereits alle verdächtigen Todesfälle von Radprofis in den letzten Jahrzehnten, die möglicherweise die Spätfolge von Doping gewesen sein könnten. Körperverletzung wiegt für die Politiker schwerer als der Betrug an den Konkurrenten. Italien folgt hier der deutschen Linie, die mit dem verschärften Gesetz gegen Medikamentenmissbrauch vor allem die Dealer treffen will.

Dass die Dopingbekämpfung aus den Händen der Sportverbände in die des Staates übergeht, ist das eigentlich revolutionäre des Dopinggesetzes in Italien. "Die Zeiten sind vorbei, in denen sich das CONI selbst kontrolliert hat", hatte die Präsidentin der Sozial- Kommission der Abgeordnetenkammer, Marida Bolognesi, gesagt, nachdem die erste Kammer das Gesetz auf den Weg gebracht hatte. Der Staat beschneidet die Autonomie des überforderten CONI. Das war durch die Skandale um sein schlampig geführtes und vom IOC daraufhin vorübergehend geschlossenes Doping-Kontrolllabor "Acqua Acetosa" in Rom ins Zwielicht geraten. Der Ruf nach der Politik war immer lauter geworden, zumal das von einem Defizit von 148 Millionen Mark belastete CONI ohnehin am Tropf der Regierung hängt. Ohne die Regierungsbürgschaft über 500 Millionen Mark hätte das CONI seine Athleten nicht einmal mehr zu den Olympischen Spielen nach Sydney schicken können.

"Jetzt hat das Land ein Instrument für den Kampf gegen Doping, das mittlerweile unverzichtbar geworden ist", begrüßte Sportministerin Melandri das neue Gesetz. Das Instrument ist da, jetzt muss es für den Einsatz vorbereitet werden. Eine 20-köpfige Kommission des Gesundheitsministeriums, in die auch Sportler, Trainer und Sportmediziner berufen werden sollen, wird die Dopingbekämpfung übernehmen. Zunächst gilt es eine neue Liste der verbotenen Mittel zu erstellen. Diese werde alle sechs Monate aktualisiert, berichtete der "Corriere dello Sport" am Freitag. Dann entscheide die Kommission über die Art und den Umfang der Kontrollen, die von staatlichen Stellen durchgeführt werden. Auch die Analysen der Kontrollen übernimmt der Staat. Den Sportverbänden werden nur noch die positiven Dopingfälle mitgeteilt, damit die für die sportliche Sperre sorgen können. Diese werden Dopingsünder in Italien dann unter Umständen im Gefängnis absitzen.

(RPO Archiv)
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