Kolumne Gegenpressing Wenn der Sport zur Ablenkung Politik macht

IOC und Fifa haben die internationale Politik für sich entdeckt. Das soll ehrbar wirken. Ehrbar wäre aber vielmehr das Bemühen, eigene Probleme anzugehen.

Olympia 2018: Pressestimmen nach dem Ende der Winterspiele
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Pressestimmen nach dem Ende der Winterspiele

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Foto: rtr, DAM

Spötter könnten behaupten, Gianni Infantino sei jetzt auch ins Rennen um den Friedensnobelpreis eingestiegen. Schließlich rühmt sich der Chef des Fußball-Weltverbandes Fifa, er habe Zusagen erhalten, dass Frauen im Iran demnächst Zutritt zu Fußballstadien erhalten werden. Gut, von wem diese Zusagen stammen sollen, ließ der 47-jährige Schweizer offen. Aber egal, darauf kam es ja auch nicht an. Eintreten für die Rechte von Frauen ist zweifelsohne als Thema positiv besetzt, wird sich Infantino gedacht haben. Das gibt auf jeden Fall gute Presse, das gibt Schulterklopfer - und vielleicht ja auch was in Richtung Nobelpreis.

Der Vorstoß des obersten Fußballfunktionärs liegt in jedem Fall im Trend. Erst jüngst hatte Thomas Bach, 64, Deutscher und Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das gesamtkoreanische Eishockeyteam wie eine Monstranz der Friedensbewegung durch die Tage der Winterspiele von Pyeongchang getragen. Und wie es der Zufall wollte, verbreitete eine Vertraute die Idee, das Projekt doch für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Frei nach dem Motto: Der Sport kann, was die Politik nicht schafft.

Das Schlimme an den Vorstößen von IOC und Fifa: Der Sport schafft tatsächlich oft genug, was Politik nicht kann, aber in diesen beiden Fällen will der Sport Politik spielen, um von Missständen im Sport abzulenken. Das ist nicht ehrbar - das ist so durchschaubar, dass es die Intelligenz nachdenkender Menschen beleidigen muss. Denn die Bigotterie der großen Sportorganisationen liegt ja nicht darin, dass sie gesellschaftlich Gutes tun wollen, sie liegt darin, dass sie öffentlichkeitswirksam Gutes tun wollen, während bei ihnen vieles im Argen liegt.

Natürlich wäre es toll, wenn Frauen im Iran bald wie selbstverständlich ein Fußballspiel besuchen können. Aber sollte die Fifa sich nicht erstmal darum kümmern, der Korruption im eigenen Hause Herr zu werden und die Fußball-WM in diesem Jahr in Russland nicht von einem Mann organisieren zu lassen, der im Zuge des Skandals um Staatsdoping lebenslang für Olympische Spiele gesperrt wurde? Und sollte das IOC nicht erst einmal versuchen, einen rigorosen, unabhängigen und integren Welt-Anti-Doping-Kampf zu installieren? Die Russen nicht so schnell schon wieder zu rehabilitieren? Nachhaltigkeit von Olympiabauten vielleicht endlich mal zwingend von einem Ausrichter einzufordern?

Politik ist kein Mittel zur Ablenkung. Das ist in der Regel der Sport.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(klü)
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