Serie Wm 2014 Wenn der Herr Löw energisch wird

Vierte Folge: Der Bundestrainer hat den Ton verschärft, er verlangt beim Turnier in Brasilien größere Zielstrebigkeit.

düsseldorf Joachim Löw hat in seinem öffentlichen Leben schon einige Charakter-Schubladen mit Erfolg besetzt. Er war Deutschlands Vorzeige-Fußballlehrer. Er war der Lieblings-Interviewpartner der Medien. Er war der Mann, der auf der Trainerbank Modetrends setzte. Und er war der nette Herr Löw. Das Image des netten Kerls hat ihn wahrscheinlich am meisten gestört, weil sich das immer nach einer guten Portion Weichei anhört. Auch damit sich das nicht verfestigt, hat der nette Herr Löw in der Endphase des Länderspieljahres 2013 den sehr energischen Bundestrainer herausgekramt. Ständigen Besserwissereien aus den Kreisen der deutschen Fußball-Prominenz begegnete er vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Irland mit einem geradezu hervorgeknurrten: "Ich bin der Bundestrainer, ich treffe hier die Entscheidungen."

Ein halbes Jahr vor der WM in Brasilien scheint Ernst geboten. Auch im Umgang mit der Mannschaft wirkt Löw entschlossener. Er hat seinen Spielern deutlich gemacht, dass bei den Titelkämpfen kein Schönheitspreis vergeben wird. "Im Spiel", sagt er, "ist bei den klimatischen Bedingungen eine gewisse Effizienz gefragt." Noch beobachtet der Coach mit Argwohn, dass so mancher seiner Zauberlehrlinge im Zweifelsfall den schönen Kringel einem kühlen Abschluss vorzieht. Und er verlangt: "Wir müssen im letzten Drittel des Spielfelds besser werden. Uns fehlt häufig die letzte Präzision im Abschluss."

Dieser Mangel an professioneller Kälte gehört zu den "Nuancen" im Spiel seiner Mannschaft, die Löw für verbesserungswürdig hält. Weil diese Kleinigkeiten allerdings Spiele entscheiden, weist er mit strenger Miene auf den Nachschulbedarf hin. Nicht nur, wenn er am Spielfeldrand zum medienwirksamen Verzweiflungstänzchen ansetzt, sondern auch in der Aufarbeitung der deutschen Auftritte.

Löw weiß, dass er in der glücklichen Lage ist, über ein reiches Aufgebot an Sonderbegabungen zu verfügen. Derart üppig war es in der deutschen Länderspielgeschichte wohl noch nie. Dieser Luxuskader ist freilich zugleich eine Verpflichtung — mindestens die zu ansehnlichen Vorstellungen.

Bislang darf sich der Bundestrainer durchaus als Verdienst anrechnen, dass seine Mannschaft zu einem unverwechselbaren Stil gefunden hat, für die sie auf der ganzen Welt bewundert wird. Sie entspricht damit schon mal den sportlichen Vorstellungen ihres Lehrers. "Ich liebe den offensiven Fußball, und davon gehe ich auch nicht ab", hat er gesagt, als die Diskussion um mangelhafte Abwehrleistungen des gesamten Teams mal wieder die Republik beschäftigte.

Der Binsenweisheit, dass es am Ende um Ergebnisse geht, kann Löw sich natürlich nicht verschließen. Den Erfolg seiner WM-Mission Brasilien will er dennoch nicht am Titel messen lassen. "Das wäre respektlos gegenüber den vielen Mitbewerbern", erklärt der 53-Jährige. Er weiß aber auch, dass mit seinem Team die erste deutsche Weltmeisterschaft seit 24 Jahren alles andere als eine Utopie ist. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei, "dass jeder ans Limit geht", sagt Löw.

Das lässt den schönen Umkehrschluss zu: Bisher hat es vielleicht beim einen oder anderen an der letzten Konsequenz gefehlt. Das hat Löw offenbar ebenfalls dazu bewogen, in seiner Außendarstellung und in seiner Ansprache ans Team viel unmissverständlicher zu werden. Er will nicht länger mit dem langmütigen Pädagogen verwechselt werden, der seinen Schülern die allzu lange Leine gibt.

Schließlich geht es auch für ihn um das höchste fußballerische Ziel. Da darf man ruhig den netten Herrn Löw mal für ein paar Monate zu Hause lassen.

(RP)
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