Was von der Frauen-WM übrig geblieben ist

Hamburg Vor 102 Tagen ist hierzulande die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen zu Ende gegangen. Es war ein glanzvolles Fest, gespickt mit durchaus ambitionierten Erwartungen für eine glorreiche Zukunft der Sportart. Die vollen Stadien, die Begeisterung in der Republik – das alles hatte die Hoffnung genährt, es könnte nicht nur eine Liebe für einen Sommer sein. Doch nun ist es Herbst und draußen nasskalt. Die vom Boulevard als "unsere Mädchen" titulierten Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft traten an diesem Abend am Millerntor auf St. Pauli in einem Test gegen Schweden an. Sie gewannen das Aufeinandertreffen vor 12 100 Zuschauern mit 1:0.

Es war keiner dieser belanglosen Freundschaftskicks. Es ging um ein sportliches Statement mit Bedeutung: Seht her, wir gehören trotz des Ausscheidens im Viertelfinale der WM weiterhin zur Weltspitze. Vielleicht noch wichtiger: Seht her, uns gibt es auch noch.

Letzteres ist die vielleicht drängendste Botschaft. Denn es ist, für viele nicht ganz so überraschend, merklich ruhiger um das Produkt Frauenfußball geworden. Die Ruhe nach dem Sturm spiegelt sich ganz gut im Tagesgeschäft Bundesliga wider. Die Statistik sieht zunächst vielversprechend aus. Im Vergleich zur Saison vor der WM kommen nun 39 Prozent mehr Zuschauer in die Stadien, im Schnitt ist das in absoluten Zahlen pro Spieltag nur ein Zugewinn von 329 Fans. Ist das Glas nun also halbvoll oder halbleer? "Der Frauenfußball ist ausgereizt", sagt Bernd Schröder, Trainer von Meister Turbine Potsdam. "Wir haben doch schon so viel erreicht. Man sollte nicht in Sphären schweben, die illusorisch sind."

Aber was ist realistisch für den Frauenfußball am Standort Deutschland? Gehört ein Länderspiel ins Abendprogramm, ist es am Vorabend schon ganz gut aufgehoben, oder sollten die öffentlich-rechtlichen Sender lieber ganz auf die mediale Unterstützung verzichten? Während der WM war die DFB-Auswahl der Frauen ein Quotengarant für ARD und ZDF. Das erste Länderspiel nach dem Turnier vor ein paar Wochen gegen die Schweiz sahen 1,7 Millionen Zuschauer im TV, das Finale in Frankfurt (USA - Japan) verfolgten dagegen 15,34 Millionen. "Wir brauchen Geduld", sagt DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg. "Es hat sich viel verbessert. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir bald den nächsten Schritt gehen." Die Frage ist wohl nur, wie groß er ausfallen wird.

In Frankfurt am Main ist man von der Marke überzeugt. Siggi Dietrich ("Die Zukunft des Frauenfußballs hat erst mit der WM begonnen") ist dort der Manager von Branchenprimus 1. FFC, jenem Verein, in dem unter anderem Stars der Szene wie Nadine Angerer, Kerstin Garefrekes und Lira Bajramaj wirken. Birgit Prinz hat vor einigen Wochen dagegen ihre Karriere beendet. Prinz war für viele das Gesicht des Frauenfußballs, aus der neuen Generation hat sich noch niemand nachhaltig in den Mittelpunkt geschoben. Bajramaj bestimmte die Schlagzeilen und Werbekampagnen während der WM, nun ist sie wieder eine von vielen – ohne die Chance, sich vor einem größeren Publikum präsentieren zu können.

Der DFB als mächtiger Förderer des Prestigeprojekts lobt die Entwicklungen und hofft auf weitere Möglichkeiten der Expansion. "Die Klubs müssen aber Mut zur Veränderung haben", sagt DFB-Präsident Theo Zwanziger. "Bisher ist da wenig passiert."

Es fehlt dafür das Publikum.

(RP)
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