Doping-Prozess in Lille Verdächtigungen gegen Ullrich und Indurain

Lille/Madrid (dpa). Im Doping-Prozess von Lille, in dem der Tour- de-France-Skandal von 1998 beleuchtet wird, gerät die Spitze des internationalen Radsports durch Verdächtigungen ins Zwielicht. Die Tour-Sieger Jan Ullrich (Merdingen) und Miguel Indurain (Spanien) wurden durch Zeugenaussagen am Wochenende gegen ehemalige Mitglieder der französischen Festina-Mannschaft mit Doping in Verbindung gebracht. Davor war auch der Tour-Sieger der vergangenen beiden Jahre, Lance Armstrong (USA), verdächtigt worden.

Der französische Ex-Profi Erwan Mantheour wiederholte seine Beschuldigungenen u.a. gegen Ullrich, die er in ähnlicher Form vor der geplanten Veröffentlichung seines Buches im Vorjahr vorgebracht hatte. Mantheour zitierte im Prozess in Lille den angeklagten, früheren Telekom-Betreuer Jeff D'Hondt (Belgien). Darüber berichtete am Freitag auch die französische Sportzeitung "L'Equipe". Laut Mantheour hätte d'Hondt erklärt, auch Olympiasieger Ullrich hätte das Blutdoping-Mittel EPO genommen. Der Belgier leugnete im Prozess, der bis zum 10. November fortgesetzt werden soll, hartnäckig, je etwas mit Doping zu tun gehabt zu haben.

Thomas Davy (Frankreich), früher Fahrer der spanischen Banesto- Mannschaft, für die Indurain von 1991 bis 1995 die Tour fünf Mal in Folge gewann, hatte den inzwischen nicht mehr aktiven Spanier belastet. Indurain antwortete am Samstag auf die Vorwürfe in einem offenen Brief in der spanischen Sportzeitung "Marca". "Ich habe während meiner aktiven Zeit alle Regeln respektiert. Ich möchte mich nicht an der Polemik beteiligen und wieder und wieder erklären, dass ich tausende Mal bei Doping-Kontrollen während meiner Karriere negativ getestet wurde", erklärte Indurain, der die Tour als einziger Profi fünf Mal in Serie gewann. Vor Einführung der Blutkontrollen durch den Weltverband UCI trat Indurain 1997 zurück.

"Ich habe von diesen Vorwürfen nichts gehört und sehe keine Veranlassung, dagegen vorzugehen", sagte am Samstag Ullrich-Manager Wolfgang Strohband (Hamburg). Er hatte sich zusammen mit Teamchef Walter Godefroot im Vorjahr erfolgreich gegen Doping-Anschuldigungen gegen Ullrich durch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gewehrt. Schon in der Vorwoche hatte Godefroot erklärt: "Wir hatten uns alle vorgenommen, dass nach 1998 ein 'neuer Radsport' beginnen sollte, und ich habe das Gefühl, das ist gelungen". Ullrich verbringt zurzeit seinen Urlaub in Kalifornien.

Der Prozess in Lille unter Leitung des Gerichtspräsidenten Daniel Delegove gegen zehn Beteiligte des Tour-Skandals von 1998 hat bisher zu Doping-Geständnissen des fünffachen "Bergkönigs" Richard Virenque und seines Helfers Pascal Herve (beide Frankreich) geführt. Den Angeklagten, denen Handel mit Doping-Mitteln vorgeworfen wird, drohen Haft- und Geldstrafen. Außerdem stehen Sperren zwischen sechs und zwölf Monaten bevor, so dass die kommende Saison für Virenque, 1997 von Ullrich bei der Tour auf den zweiten Platz verwiesen, gelaufen sein dürfte.

Ein von der Polizei entdeckter Festina-Mannschaftswagen voller Doping-Mittel hatte vor zweieinhalb Jahren vor dem Tourstart in Dublin den Skandal ausgelöst.

(RPO Archiv)
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