Restart in Disney World Deutsches Konzept soll NBA-Saison retten

Orlando · Steigende Corona-Zahlen im Land und dutzende infizierte Spieler, trotzdem wollen die großen US-Ligen zum sportlichen Alltag zurück. Die NBA setzt dafür auf ein deutsches Konzept und mietet sogar Teile eines Freizeitparks.

dpatopbilder - 11.07.2020, USA, Orlando: Gäste des Freizeitparks «Walt Disney World» gehen durch den Park am Tag der Wiedereröffnung. Inmitten der Corona-Pandemie mit weiter ansteigenden Infektionszahlen hat der Freizeitpark «Walt Disney World» seine Türen für Besucher wieder geöffnet. Foto: Cory Knowlton/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

dpatopbilder - 11.07.2020, USA, Orlando: Gäste des Freizeitparks «Walt Disney World» gehen durch den Park am Tag der Wiedereröffnung. Inmitten der Corona-Pandemie mit weiter ansteigenden Infektionszahlen hat der Freizeitpark «Walt Disney World» seine Türen für Besucher wieder geöffnet. Foto: Cory Knowlton/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Cory Knowlton

Die Fußball-Bundesliga hat sich klare Regeln gegeben: Keine Spiele mit Zuschauern, wenn das Coronavirus den Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche überschreitet. Die großen US-Sportligen könnten mit einer solchen Vorgabe nicht wie derzeit geplant stattfinden. In Orlando, wo ab Freitag die Basketball-Profiliga NBA ihre Saison fortsetzen will, liegt der Wert zurzeit bei 284 Neuinfektionen pro Woche – Tendenz weiter steigend.

Fast wirkt es, als hätte man sich in den USA an die dramatischen Zahlen gewöhnt. Im American Football diskutiert man, ob nicht sogar Zuschauer möglich sind, wenn die Saison im September losgehen soll. Die Profi-Teams der Baseball-Liga fliegen für ihre Spiele quer durchs Land. Die Fußball-Liga zieht die Fortsetzung der Saison munter durch, auch wenn immer wieder Spiele wegen neuer Corona-Fälle rund um die Teams verschoben oder abgesagt werden müssen.

150 Millionen Dollar investiert die Liga für die Fortsetzung der Saison, der Plan dafür orientiert sich stark an den Fußball- und Basketball-Hygienekonzepten aus Deutschland. Täglich werden die Aktiven getestet, das Bewegungsprofil aller Spieler wird aufgezeichnet, um Kontakte nachzuvollziehen. Maskenpflicht herrscht obendrein – ausgenommen sind davon Mahlzeiten, Trainingseinheiten und Spiele. Verstöße lassen sich über eine eigene Hotline anonym bei der Liga melden.

„Wir haben überall Leute, die überprüfen, dass die Regeln eingehalten werden. Wenn ich aus dem Zimmer rausgehen würde, dann gibt es überall Sicherheitsleute, die danach schauen, dass jeder seine Maske an hat“, sagt der deutsche Isaac Bonga von den Washington Wizards. In der Freizeit sollen sich die Spieler vor allem in der „Players Lounge“ aufhalten. „Dort gibt es einen Pool, Tischtennis, Kartenspiele sowie viele Fernseher mit Playstation. Draußen kann man Fischen oder Golfen gehen. Man hat hier viele Optionen“, sagt Bonga. Trainiert wird teils in umgebauten Tanzsälen, gespielt wird in einer großen Arena auf dem Gelände des Freizeitparks. Bis Mitte Oktober soll das so gehen, dann soll der Meister feststehen.

Deutsche im US-Sport: NBA-, NHL-, MLB-, NFL-, WNBA- und MLS-Profis
34 Bilder

Deutsche im US-Sport

34 Bilder
Foto: dpa/Jeff Roberson

„Man darf natürlich skeptisch sein, man muss es vielleicht sogar“, sagt NBA-Experte Frederik Hader, der ab Ende Juli die Spiele beim Streamdienst Dazn kommentieren wird. „Die Frage ist, ob der ethische Druck von außen irgendwann zu hoch wird.“ Die Krankenhäuser in vielen US-Städten sind voll, die Testlabors an ihrer Kapazitätsgrenze. Und mitten hinein in diese Phase kommen die Sportler und verlangen mehrere Hundert Tests pro Tag.

Aus Politik, Gesellschaft und auch der Liga selbst gab es kritische Stimmen. Doch für die NBA ist es eine Flucht nach vorn. Zum Corona-bedingten Umsatzverlust von einer Milliarde durch den Wegfall des Ticketverkaufs sollen bloß nicht noch Schadenersatzforderungen der TV-Sender kommen. „Die NBA hat einen guten Plan entwickelt, nirgendwo in den USA dürfte es zurzeit sicherer sein als in der Bubble“, sagt Experte Harder. „Aber wenn das Projekt scheitert, dann braucht es auch für die Zukunft ein ganz neues Konzept, dann ist alles ungewiss.“

Das gilt nicht nur für die Männer in der NBA. Auch das Pendant der Frauen ist seit letztem Wochenende wieder aktiv, ebenfalls in Florida, allerdings in einem weniger schmucken Ressort. Mittendrin ist die Ex-Leverkusenerin Marie Gülich, die für die LA Sparks auf Körbejagd gehen soll. „Es ist wie eine Reise zurück in die Vergangenheit“, sagt die 26-Jährige mit Blick auf ihre Rückkehr in die USA, nachdem sie die Corona-Zeit bis Ende Juni in Deutschland verbracht hatte. Mit einer „gewissen Skepsis“ sei sie nach Florida gereist. „Wir werden nach langer Pause sehr viele Spiele in sehr kurzer Zeit spielen, die Verletzungsgefahr ist entsprechend hoch“, gibt sie zu bedenken – und dann ist da noch das Coronavirus.

Wie Real diese Gefahr ist, mussten bereits Dutzende Profisportler in den USA erfahren. Seit Ausbruch der Pandemie wurden allein in der NBA mehr als 20 Spieler positiv getestet, darunter Stars wie Russel Westbrook oder Kevin Durant. Mit deutlich spürbarer Erleichterung verkündete die Liga daher Ende letzter Woche: Alle Spieler, die in den drei Disney-Hotels untergebracht sind, wurden negativ auf das Virus getestet. Jetzt erst können die Regeln des 113-seitigen Gesundheitskonzepts wirklich greifen, mit dem die „Blase“ vor Corona-Überträgern von außerhalb geschützt werden soll. So konnte bereits die deutsche Basketball-Bundesliga im Juni erfolgreich ihre Saison in München beenden.

Gleichzeitig wird alles versucht, um den millionenschweren Profis das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Unter anderem sind sechs Friseure dabei -– ausgewählt aus einer Gruppe von zunächst 50 -, die den Profis zwischen 8 und 22 Uhr zur Verfügung stehen. Nach anfänglichen Beschwerden über miese Zimmer und zu wenig Essen, scheint sich die Stimmung langsam zu bessern. Die Spieler fluten die sozialen Medien mit Videos von Streichen, Gesangseinlagen und Teamaktivitäten. Viele haben ihre Spielkonsolen dabei, andere Gitarren und Bücher, Duftkerzen und Angelausrüstungen. Der Trainer Luke Walton brachte sieben Pfund Kaffee samt Mühle mit. Die Exzentriker unter den Athleten konnten nicht ohne 60 Paar Schuhe, 200 Kleidungsstücke oder ihr Musikproduktionsstudio.

Die NBA verkauft ihren Re-Start als große, dringend benötigte Ablenkung für das gebeutelte, politisch zerrissene Land, und ganz falsch mag das nicht sein. Jedenfalls wird durchgezogen. Ziemlich unabhängig davon, wie viele Menschen im „Sunshine State“ Florida mit seinen ungezählten Altenheimen sowie in den USA insgesamt an Covid-19 leiden und sterben werden. Erst bei einer “signifikanten Ausbreitung des Virus auf unserem Campus” würde man das Experiment abbrechen, sagte NBA-Chef Adam Silver. Was das heiße und wie hoch seine Zuversicht sei, dass alles glatt laufen werde, behielt er lieber für sich.

 This photo provided by Jacob Diamond shows the second bedroom inside Magic equipment manager Jacob Diamond’s suite at the team hotel on the Disney complex in Lake Buena Vista, Fla., on Thursday, July 9, 2020. All 22 teams in the NBA restart had to pack more than ever, for a road trip like none other. Every team is assured of spending at least five weeks at Disney, and some could be there for three months. The challenges for players and coaches are obvious, but the challenge for equipment managers — among the unsung heroes of this restart plan — aren’t anywhere near as visible to those watching games from afar. ( Jacob Diamond via AP)

This photo provided by Jacob Diamond shows the second bedroom inside Magic equipment manager Jacob Diamond’s suite at the team hotel on the Disney complex in Lake Buena Vista, Fla., on Thursday, July 9, 2020. All 22 teams in the NBA restart had to pack more than ever, for a road trip like none other. Every team is assured of spending at least five weeks at Disney, and some could be there for three months. The challenges for players and coaches are obvious, but the challenge for equipment managers — among the unsung heroes of this restart plan — aren’t anywhere near as visible to those watching games from afar. ( Jacob Diamond via AP)

Foto: AP/Jacob Diamond
 Lebron James von den LA Lakers gehört zu den Stars in der Disney-World-„Blase“. Mit den Besuchern werden die Spieler dort nicht in Kontakt kommen, zur Unterhaltung haben sie reichlich Gepäck dabei.

Lebron James von den LA Lakers gehört zu den Stars in der Disney-World-„Blase“. Mit den Besuchern werden die Spieler dort nicht in Kontakt kommen, zur Unterhaltung haben sie reichlich Gepäck dabei.

Foto: dpa/Mark J. Terrill

Übrigens: Der erste Verstoß gegen die Regeln wurde nach nicht mal 24 Stunden verzeichnet. Ein Spieler hatte, obwohl noch unter Quarantäne stehend, sein Zimmer verlassen und die Hotelküche aufgesucht. Er hätte Hunger gehabt, die vorher geliefert Portion sei zu klein gewesen. In der Folge wurde die Quarantäne von zwei Tagen auf zwei Wochen verlängert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort