Ersatzspieler in der NFL Wie man als Notlösung 38 Millionen Dollar verdient

Los Angeles · Chase Daniel hält sich seit zwölf Jahren in der US-Football-Liga NFL. Er ist immer nur Ersatzspieler, nicht übermäßig talentiert und hat trotzdem in seiner Karriere schon 38 Millionen Dollar verdient. Wie geht das?

 Quarterback Chase Daniel 2019 bei einem seiner Einsätze für die Chicao Bears im Spiel gegen die Indianapolis Colts.

Quarterback Chase Daniel 2019 bei einem seiner Einsätze für die Chicao Bears im Spiel gegen die Indianapolis Colts.

Foto: imago images / Icon SMI/Zach Bolinger/Icon Sportswire;via www.imago-images.de

Im American Football ist vieles anders als im Fußball. So ist es dort unter Spielern nicht üblich, das Logo des eigenen Teams (der „Franchise“) beim Blick in eine TV-Kamera zu küssen, um so Vereinstreue und Identifikation zu heucheln. Zugegeben, das mit dem Küssen wäre in der Tat auch etwas schwer mit einem Helm auf dem Kopf. Und die Trikots sitzen auch enger dank der Schulterpolster unten drunter. Aber selbst wenn, Chase Daniel käme wohl nie auf die Idee, dass das in seinem Fall eine prima Idee wäre, totale Identifikation mit dem Klub und seinen Fans vorzugaukeln. Denn dazu wechselt Daniel die Teams einfach zu oft. Im März hat der 34-Jährige einen Vertrag bei seinem sechsten Team in der US-Profiliga NFL unterschrieben, den Los Angeles Chargers. Und gleichzeitig schrieb er seine persönliche Erfolgsgeschichte weiter. Die lautet: Wie ich mich als erfolgloser Ersatzmann zwölf Jahre in der NFL hielt und dabei bislang schon 38 Millionen Dollar verdiente.

Da stellt sich die Frage: Wie geht so etwas? Nun, zuerst einmal muss man wissen, dass Daniel von Haus aus Quarterback ist, also die wichtigste Position im Football bekleidet. Die Star-Quarterbacks der Liga besitzen die höchstdotierten Verträge. So unterschrieb Patrick Mahomes von den Kansas City Chiefs im Juli 2020 einen Vertrag über zehn Jahre, der ihm insgesamt bis zu 503 Millionen Dollar einbringen kann.

Chase Daniel ist kein Patrick Mahomes, kein Star-Quarterback. Nach seiner Zeit an der Universität von Missouri entschloss er sich 2009, sich für den NFL Draft zu melden, also für die Auswahl, bei der sich die 32 NFL-Teams die besten College-Talente des Landes aussuchen. 256 Spieler wurden damals ausgewählt. Daniel war keiner von ihnen. Kein NFL-Team war bereit gewesen, für ihn einen ihrer „Draft-Picks“ auszugeben. Doch Daniel fand trotzdem einen Platz in einem NFL-Kader, im Anschluss an den Draft auf dem freien Transfermarkt.

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Foto: dpa/Jeff Roberson

Die Washington Redskins (heute Washington Football Team) verpflichteten ihn. Und ab diesem Zeitpunkt schlüpfte er in die Rolle, die ihm in den folgenden zwölf Jahren nur ganze fünf Spiele in einer Startformation, aber eben 38 Millionen Dollar bescheren sollte: Chase Daniel wurde zum prädestinierten Ersatz-Quarterback. Er war also derjenige, der dann einspringen sollte, wenn sich die Nummer eins verletzte. Und diese Rolle hat eben durchaus ihren Wert, denn in einer Liga, in der die Teams ein für alle gleiches Gehaltsvolumen auf ihren Kader verteilen müssen, sind die großen Gehälter den Star- und Startspielern vorbehalten, aber gerade auf der zentralen Position des Spielmachers, der der Quarterback ja ist, sichert sich jedes Team ein Mindestmaß an Talent bei seiner Nummer zwei.

Chase Daniel hat ein Mindestmaß an NFL-Talent. Unbestritten. Aber eben auch nicht viel mehr. Sein Wert? Er lernt schnell. Die Spielzüge des Teams, die Offensivstruktur der Mannschaft – und er stellt keine Ansprüche und bringt keine Unruhe rein, weil er sich als die bessere Nummer eins sähe. Daniel kann man kalt ins Spiel werfen und weiß, was man bekommt. Weil er weiß, was er kann – und was er nicht kann. Und so verdient er eben seit 2009 bei verschiedenen Teams gutes Geld.

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Foto: AP/Matt York

In Washington wurde er 2009 zwar schon vor der Saison wieder entlassen, aber es folgten Jahre in New Orleans (2009 bis 2012) wo er ohne jeglichen Einsatz Super-Bowl-Sieger 2009 wurde, in Kansas City (2013 bis 2015), Philadelphia (2016), Chicago (2018 bis 2019) und Detroit 2020. Und nun eben Los Angeles. Dort unterschrieb er für ein Jahr und ein Salär von rund einer Million Dollar. Als sein Wechsel zu den Chargers offiziell wurde, twitterte Chase Daniel: „Ich kann es kaum abwarten, nach Los Angeles zu kommen und das himmelblaue Trikot zu tragen.“

Er muss es ja nicht gleich küssen.

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