Nowitzki-Nachfolger in Dallas Das Doncic-Dilemma

Dallas · Die Dallas Mavericks haben ein ungewöhnliches Problem: Dirk Nowitzkis Nachfolger Luka Doncic ist viel zu früh viel zu gut. Eigentlich müssten sie ihr Team um den Slowenen herumbauen. Doch das wird nicht einfach.

 Durfte in seiner Karriere schon oft jubeln: Luka Doncic wird zugetraut, der größte Superstar im Basketball zu werden.

Durfte in seiner Karriere schon oft jubeln: Luka Doncic wird zugetraut, der größte Superstar im Basketball zu werden.

Foto: AP/Keith Birmingham

Luka Doncic ist als Basketballer so begnadet, dass er nicht nur seinen Gegner in Not bringt, sondern auch seine Chefs bei den Dallas Mavericks. Denn die Zusammenstellung eines meisterlichen Kaders ist ein Puzzle, bei dem eines noch wichtiger ist als Geld und Glück und Chemie: Timing. Doch das junge Jahrhunderttalent legt ein noch höheres Tempo vor als selbst die größten Optimisten je erhofft hatten. Und nun ist seine Mannschaft abhängiger von ihm, als sie es von Dirk Nowitzki jemals war.

Das ist keine steile These, sondern statistisch belegter Fakt: Neulich erst kamen von 37 erfolgreichen Würfen der Mavericks in einer Partie nur kümmerliche sechs zustande, ohne dass Doncic die Vorlage gegeben (14) oder selbst geworfen (17) hatte. Das sind 84 Prozent der Offensivleistung schon auf diesen ersten groben Blick; weitere Beiträge des Regisseurs zu Beginn der anderen Spielzüge noch nicht eingerechnet.

Dieser Wert ist unerreicht. Es ist ein einsamer, historischer Rekord, womöglich für die Ewigkeit. Es ist eine fantastische individuelle Leistung in einem Spiel, das Dallas gewann. Aber es ist auch ungesund in einem Sport, der fünf Spieler pro Team in der Startaufstellung vorsieht und mehr als zehn im Einsatz pro Spiel.

Doncic ist bei allem Ehrgeiz kein übermäßig eigensinniger Typ, seine Dominanz ist aus der Not geboren: Seinen Mitspielern fehlt das Format. Seit Nowitzkis Karriereherbst ist Dallas kein Spitzenteam. Mehr noch: seit der Meisterschaft 2011 wurde nicht eine einzige Playoff-Serie gewonnen. Vor einigen Tagen war erneut in der ersten K.o.-Runde Schluss. Zwar setzte sich der Gegner L.A. Clippers, Mitfavorit auf die Meisterschaft, nur immens knapp in 4:3 Spielen durch. Aber dass Dallas im Spiel blieb, besorgte Doncic praktisch im Alleingang. Im Schnitt sammelte er 40 Punkte und zehn Vorlagen pro Partie. Dafür blieben fast alle Mitspieler außer Tim Hardaway Junior blass. Dabei galt der nur als Zugabe zu einem Deal, in dem 2019 der 2,21-Meter-Mann Kristaps Porzingis nach Dallas kam, der später für 160 Millionen Dollar verlängerte. Doch Porzingis ist von mehreren Verletzungen gezeichnet; zudem tut er sich schwer mit Alphatier Doncic.

Schon in dieser Sommerpause stehen die Mavericks unter Zugzwang, ihr Team um Doncic herum umzubauen. Zu tun wäre genug: Die Defensive wackelt, und auch in der Offensive bleibt mancher Raum ungenutzt, den Doncic mit seinen unwiderstehlichen Dribblings und klugen Pässen eröffnet. Doch die Gleichung hat viele Unbekannte: Welche jungen Spieler im Kader werden sich wie gut entwickeln? Welche Profis von außen sind sowohl verfügbar als auch hilfreich? Wie teuer darf der Kader werden? Und vor allem: Wann wollen die Mavericks die Meisterschaft anvisieren? Schon nächstes Jahr? Oder erst in zwei, drei, fünf?

Doncic ist erst zarte 22 Jahre jung und spielt doch schon wie ein Veteran. Bereits mit 16 hatte er seine Heimat Slowenien verlassen, um bei Real Madrid einen Profivertrag zu unterschreiben. Der Hype war groß, doch Doncic gelang es, die Erwartungen überzuerfüllen. In der zweitbesten Liga der Welt sowie den europäischen Wettbewerben gewann er alles, was es zu gewinnen gab – individuell und mit dem Team. 2018 wagte er den Schritt in die NBA.

Wenn er von Verletzungen verschont bleibt, könnte Doncic locker noch ein Jahrzehnt lang immer besser werden. In einem Jahr jedoch läuft sein Vertrag aus – und um zu bleiben, dürfte er 195 Millionen Dollar verlangen. Mancher hofft bereits, dass er dem Team einen Rabatt einräumt, damit bessere Mitspieler zugekauft werden können. Üblich ist das zwar keineswegs. Ein gewisser Dirk Werner Nowitzki aber hatte es gleich mehrfach getan – und so im Laufe seiner Karriere auf fast 200 Millionen Dollar Gehalt verzichtet.

Die 21-jährige Ära Nowitzki war 2019 mit dessen Rücktritt geendet. Doncic ist Stand jetzt ein schwächerer Werfer, etwa von der Freiwurflinie, zudem einen halben Kopf kleiner. Dafür ist er bulliger und dennoch dynamischer, dazu dribbelstärker, kreativer, trickreicher. Vielseitiger also – und beinahe schon jetzt ein kompletter Spieler.

„Durch eine Generation getrennt, aber im Geiste miteinander verbunden“ seien Nowitzki und Doncic, heißt es in einem Video von Teambesitzer Mark Cuban, das der Würzburger neulich bei Twitter teilte. „Einer der beiden hat den Sport verändert“, heißt es darin. Der andere lege gerade erst so richtig los.

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