Wechselfrist in der NBA „Eine Woche wie im Zoo“

Düsseldorf/Dallas · Die Transferfrist in der NBA ist abgelaufen, die chaotischsten Tage des Basketball-Jahres vorbei. Was bleibt? Mehrere stark veränderte Teams, Transfers während des Spiels und verärgerte Stars.

 Gute Freunde, die nun getrennt sind: Dirk Nowitzki und Harrison Barnes.

Gute Freunde, die nun getrennt sind: Dirk Nowitzki und Harrison Barnes.

Foto: ap, JP

In bald 21 Jahren in der NBA hat Dirk Nowitzki schon so einiges erlebt: schönes, ungewöhnliches, kritikwürdiges. Nur selten zeigte sich der mittlerweile 40-jährige Deutsche so emotional getroffen wie am Mittwochabend.

Mitten im Spiel erfuhr der Basketballstar der Dallas Mavericks, dass sein Teamkollege Harrison Barnes zu den Sacramento Kings verkauft wurde. Barnes selbst hatte ebenfalls keine Ahnung vom bevorstehenden Wechsel, bis die Nachricht während des Spiels gegen die Charlotte Hornets (99:93) in der Halle die Runde machte.

Anfang des Schlussviertels, der Transfer war gerade besiegelt, setzte sich der 26-Jährige klaglos auf die Bank und feuerte seine Mannschaftskollegen ein letztes Mal an. "Er ist ein besserer Mann als ich, so viel ist sicher", sagte Nowitzki, "jeder andere wäre abgehauen. Er ist ein guter Junge." Der 40-jährige deutsche Veteran äußerte sich nach dem Spiel ungewohnt emotional über die Entscheidung der Mavs: „Ich saß auf der Bank, als ich es herausgefunden habe“, berichtete Nowitzki. „Ich bin enttäuscht für meinen Jungen, jeder weiß, wie eng wir uns standen. Wir werden ihn vermissen.“

Die Stimmung in der blau-erleuchteten Mavs-Kabine war trotz des sportlichen Erfolgs spürbar gedrückt. Mitarbeiter räumten die Sachen aus dem Spind von Barnes, während sich Nowitzki direkt daneben anzog. Coach Rick Carlisle wurde nach eigener Aussage ebenfalls kalt erwischt. In den ersten drei Vierteln zuvor stand Barnes noch auf dem Feld, dann bekam der Trainer die Transfer-Nachricht. „Deshalb hat er zum Ende nicht mehr gespielt“, sagte Carlisle.

Barnes, der in der laufenden Saison mit 17,8 Punkten im Schnitt zu den Leistungsträgern der Mavericks gehörte, bedankte sich später via Instagram für zweieinhalb Jahre in Dallas. Sein Agent Jeff Schwartz sagte ESPN, dass der Spieler trotz kurzfristiger Gespräche über den möglichen Wechsel habe auflaufen wollen.

Barnes' Wechsel gehört zu den vielen aufsehenerregenden Transaktionen, die bis zum Ablauf der Transferfrist am Donnerstagabend deutscher Zeit über die Bühne der besten Basketballliga der Welt ging. Sportlich abgeschlagene Teams wie Memphis, Washington oder Cleveland nutzten die Frist, um sich von teuren Akteuren zu trennen und ihren Fokus auf die Zukunft zu richten. Mannschaften wie die Toronto Raptors oder die Philadelphia 76ers akquirierten vor dem letzten Saisonviertel neue potenzielle Schlüsselspieler im Kampf um die Meisterschaft. Ein möglicher Wechsel von Mega-Star Anthony Davis (New Orleans) zu den Los Angeles Lakers kam hingegen nicht zustande. Und so war es also vor allem der Zeitpunkt des Dallas-Sacramento-Geschäfts für Barnes, der heiß diskutiert wurde.

„Das habe ich noch nie erlebt“, sagte Charlottes Spieler Nicolas Batum erstaunt. Superstar LeBron James machte bei Instagram seinem Ärger über den äußerst fragwürdigen Vorgang Luft. "Dieser Mann wurde getradet während er spielte, er hatte NULL Ahnung", schrieb der dreimalige NBA-Champion von den Los Angeles Lakers: "Es ist wohl okay, weil sie tun mussten, was für die Franchise das Beste ist, richtig???" Auch der frühere Bayernprofi Maxi Kleber, neben Nowitzki der zweite Deutsche in Dallas, zeigte sich vom Abgang Barnes' getroffen. „Es ist sehr frustrierend für mich, weil Harrison einer meiner engsten Freund hier war, einer der besten Profis, die ich je als Teamkollege hatte“, sagte der 27-Jährige.

Aus Sicht der Dallas Mavericks macht der Transfer mittelfristig allerdings enormen Sinn. Der Flügelspieler kann im kommenden Jahr 25 Millionen Dollar verdienen und würde damit rund ein Viertel des von der Liga zugelassenen Gehaltsbudgets einnehmen. Stattdessen bekommen die Mavericks nun Justin Jackson und Routinier Zach Randolph aus Sacramento - Randolphs Vertrag läuft nach der Saison aus, und Jackson gehört mit 3,2 Millionen Dollar Jahresgehalt zu den Geringverdienern.

So schaffen die Texaner finanziellen Spielraum, um im Sommer ein nahezu neues Team rund um das Europa-Duo Luka Doncic (19, Slowenien) und Kristaps Porzingis (23, Lettland) aufzubauen. Porzingis war erst vor wenigen Tagen in einem ähnlich spektakulären Geschäft aus New York nach Dallas geholt worden. Doncic spielt seine erste Saison in der NBA und gilt als derzeit größtes Talent der Liga. Neben den beiden Jungstars stehen für die kommende Saison nun lediglich sechs weitere Spieler unter Vertrag. Für die Verpflichtung von weiteren Stars, deren bisherige Verträge im Sommer auslaufen, stünden nach dem Barnes-Deal nun rund 30 Millionen Dollar bereit.

Trotz dieser positiven Aussichten: An Mavericks-Trainer Rick Carlisle sind die turbulenten Tage nicht spurlos vorbeigegangen. "Es ging diese Woche zu wie im Zoo", erklärte Carlisle vielsagend. In der aktuellen Saison, der mutmaßlich letzten von Dirk Nowitzki, ist Dallas sportlich nahezu abgeschlagen und wird die Endrunde um die Meisterschaft wohl verpassen.

(mit sid/dpa)
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