LeBron James gegen Michael Jordan Der Größte aller Zeiten?

Analyse | Los Angeles · Muster-Athlet LeBron James (38) hat die Führung in der ewigen Korbschützenliste der NBA übernommen. Ob er besser ist als Michael Jordan, ist eine Frage der Definition.

Legt oder drischt den Basketball mit Leichtigkeit von oben in den Korb auf 3,05 Metern Höhe: LeBron James.

Legt oder drischt den Basketball mit Leichtigkeit von oben in den Korb auf 3,05 Metern Höhe: LeBron James.

Foto: AP/Mark J. Terrill

Die Basketball-Welt ist besessen von einer Frage, die seit 25 Jahren beantwortet scheint: Wer ist der G.O.A.T., der Größte aller Zeiten? 1998 war Michael Jordan zurückgetreten, auf dem absoluten Zenit. Gerade hatte er die Chicago Bulls zum sechsten Mal in die Finalserie der besten Liga der Welt geführt, zum sechsten Mal gewonnen und war dabei auch zum sechsten Mal als wertvollster Spieler ausgezeichnet worden. Zwei Mal drei Meisterschaften in Folge – und das trotz eines anderthalbjährigen Experiments als Baseball-Profi (!) zwischendurch: Besser geht es kaum.

NBA: Sportliche Meilensteine in der Karriere von LeBron James
13 Bilder

Lebron James bricht den Punkterekord der NBA

13 Bilder
Foto: AP/Mark J. Terrill

Und doch wird die Debatte derzeit heftiger geführt denn je. Denn ein Phänomen namens LeBron James hat den „ewigen“ Punkte-Rekord von Kareem Abdul-Jabbar gebrochen. 38.390 Punkte hat „King James“ erzielt und damit die 38.387 der NBA-Legende überboten. Exzellente 27,3 pro Spiel im Schnitt (sechseinhalb mehr als Dirk Nowitzki, auf Rang sechs der Liste). Mit 38 Jahren spielt er auch in seiner 20. Saison auf Top-Niveau. Womöglich wird sein Punkte-Rekord tatsächlich für die Ewigkeit sein. Aber wie gut schneidet er in anderen Kategorien ab?

Final-Teilnahmen und Meistertitel

Dirk Nowitzki gewann im direkten Duell gegen LeBron James 2011 den Titel, seitdem aber krönte sich James vier Mal zum NBA-Champion. Michael Jordan (6 Titel) wird er kaum noch einholen, wohl auch nicht dessen großen Nachahmer Kobe Bryant (5). Und schon gar nicht Bill Russell, der in den 1950er und 1960er Jahren mit den Boston Celtics unvergleichliche elf Meisterschaften gewann, allerdings in einer anderen Ära, mit weniger Konkurrenz und als Teil einer extrem guten Mannschaft. James hat seine – teils starken, häufig aber auch schwachen – Teams erstaunliche zehn Mal ins NBA-Finale geführt. Acht Jahre in Folge stand er im Finale; von 2011 bis 2014 mit den Miami Heat und von 2015 bis 2018 mit den Cleveland Cavaliers. Ob man das höher bewertet als die schwache Siegquote von 40 Prozent in diesen Finalserien ist Geschmackssache.

Der Eine: Michael „Air“ Jordan war und ist bekannter als der Sport, den er dominierte.

Der Eine: Michael „Air“ Jordan war und ist bekannter als der Sport, den er dominierte.

Foto: Picture Alliance

Physische Dominanz

LeBron James ist eine Naturgewalt: Der 2,06 Meter große 120-Kilo-Mann braucht im Sprint nur neun große Schritte von einem Ende des Basketballplatzes zum anderen. Es gab in der NBA-Geschichte schon größere, stärkere und auch schnellere Spieler als ihn. Aber nie alles zugleich. Ein klarer Punkt für James.

Der Erfolgreichste: Bill Russell gewann in nur 13 Saisons elf Meisterschaften – Rekord für alle Teamsportler.

Der Erfolgreichste: Bill Russell gewann in nur 13 Saisons elf Meisterschaften – Rekord für alle Teamsportler.

Foto: AP/Robert Houston

Vielseitigkeit und Basketball-IQ

James ist offensiv wie defensiv fast unaufhaltsam – und kann alle fünf Positionen spielen wie vor ihm nur einst Earvin „Magic“ Johnson. Jordan hingegen fehlte es einerseits an Körpergröße und Kraft für das Spiel unter dem Korb und andererseits an Spielmacher-Qualitäten. James punktet pro Spiel etwas weniger als Jordan, aber das effizienter. Zudem sammelt er mehr Vorlagen und Rebounds. Vorteil James.

 Der Loyalste: Dirk Nowitzki blieb seinem Team, den Dallas Mavericks, 21 Jahre lang treu.

Der Loyalste: Dirk Nowitzki blieb seinem Team, den Dallas Mavericks, 21 Jahre lang treu.

Foto: dpa/Tony Gutierrez
NBA: Die besten Scorer aller Zeiten - Nowitzki auf Rang sechs
28 Bilder

Die besten Scorer aller Zeiten

28 Bilder
Foto: AP/Ashley Landis

Loyalität

Jordan spielte 13 Saisons bei den Chicago Bulls, Kobe Bryant 20 bei den L.A. Lakers. Dirk Nowitzki kam bei den Dallas Mavericks auf 21 Saisons und verzichtete auf knapp 200 Millionen Dollar Gehalt. James läuft bereits für sein drittes Team auf – ein Minuspunkt.

Der Ehrgeizigste: Kobe Bryant eiferte Michael Jordan exzessiv nach und erkämpfte sich fünf Titel.

Der Ehrgeizigste: Kobe Bryant eiferte Michael Jordan exzessiv nach und erkämpfte sich fünf Titel.

Foto: dpa/Matt Slocum

Teamfähigkeit und Vorbildfunktion

Über James haben seine Mitspieler nur Gutes zu sagen, lange passte er sogar etwas zu viel. Jordan war ein Besessener, ein Getriebener – und menschlich unerträglich. Mehrere Mitspieler mobbte er, teils wurde er körperlich. Die drei Center-Spieler unter dem Korb nannte er zusammenfassend „Sechseinhalb Meter Scheiße“. Selbst als er 2009 in die Ruhmeshalle des Basketball aufgenommen wurde, spuckte Jordan minutenlang Gift und Galle. Kobe Bryant verteidigte diese Mentalität und imitierte sie nach Kräften selbst. James ist ein besseres Vorbild.

 „Der Auserwählte“ titelte die „Sports Illustrated“ über LeBron James bereits 2002.

„Der Auserwählte“ titelte die „Sports Illustrated“ über LeBron James bereits 2002.

Foto: Sports Illustrated

Umgang mit Druck

Michael Jordan war der erste echte Weltstar des Sports, aber das war in einer anderen Zeit. Als LeBron James 2002 ein 17-jähriger Schüler in Akron, Ohio war, pries ihn die „Sports Illustrated“ auf ihrer Titelseite als „Der Auserwählte“. Mit dem beispiellosen Erwartungsdruck und der maßlosen Häme aus neuen und alten Medien (nach dem Verlassen seines Heimatteams 2011 erschien das Buch „Die Hure von Akron“) geht James alles in allem beeindruckend gut um.

LeBron James: Ein Porträt in Bildern
25 Bilder

Das ist LeBron James

25 Bilder
Foto: AP/Jae C. Hong

Haltung

Michael Jordan enthielt sich sehr bewusst jeder politischen Äußerung, die Begründung lieferte er gleich mit: „Republicans buy sneakers, too“ – sinngemäß übersetzt: Ich möchte niemanden verprellen, egal wie weit rechts er steht, weil das auf Kosten des Umsatzes mit meinen „Air Jordan“-Turnschuhen ginge. James hingegen engagiert sich immer wieder lautstark etwa für Bildung, gegen Rassismus und Polizeigewalt.

Finanzieller Erfolg

LeBron James ist einer von nur drei Profisportlern, die es zum Milliardär gebracht haben. Michael Jordan und dem Golfer Tiger Woods gelang das erst nach dem Ende ihrer Karrieren. Andererseits ist heutzutage auch deutlich mehr Geld im Spiel. Vorteil Jordan.

Wirkmächtigkeit

LeBron James ist eine hochprofessionell gesteuerte Marke; stets fokussiert als Athlet und doch präsent in Film und Fernsehen, im Kino und am Kiosk. 2008 etwa zierte er als erster schwarzer Mann das Cover der „Vogue“. An Michael Jordan kommt er dennoch nicht heran: Der ist bis heute bekannter als sein Sport.

Sein für Top-Sportler hohes Alter sieht man James nur am Haaransatz an.

Sein für Top-Sportler hohes Alter sieht man James nur am Haaransatz an.

Foto: AP/Corey Sipkin

Fazit: Michael Jordan gewann sechs NBA-Titel in 13 Jahren, dank seiner berühmt-berüchtigten „Killer-Mentalität“. LeBron James ist weniger erfolgreich, aber das auch in einer kaum vergleichbaren Liga: Weniger physisch, dafür mit mehr Konkurrenz durch Spieler aus aller Welt. Zudem hat sich James unter beispiellosem Druck als kompletterer Spieler und vorbildlicherer Sportler erwiesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort