Wie kommt es, dass sich ein amerikanischer Basketball-Star so für Fußball interessiert?
Interview mit NBA-Profi Josh Hart „Von meinem Wechsel habe ich auf Twitter erfahren“
Exklusiv | Köln · Josh Hart ist seit zwei Jahren Basketball-Profi in der besten Liga der Welt. Im Sommer wurde er in einem der größten Wechsel der Liga-Geschichte von den Los Angeles Lakers nach New Orleans geschickt.
Zwischen grünen Elfen, blauhaarigen Zombies und Kriegern mit Schwert und Schild wirkt ein 1,96 Meter großer Typ im Rennfahrer-Overall geradezu normal. So konnte NBA-Star Josh Hart dieser Tage recht unbeschwert über die Spiele- und Computermesse „Gamescom“ in Köln schlendern. Für die verkleideten Gamer liegt der Fokus nicht auf dem NBA-Spieler, der in den letzten zwei Jahren für die Los Angeles Lakers spielte.
Hart ist auf Europareise: in Barcelona besuchte er das Stadion des FC Barcelona, in London das erste Heimspiel des FC Chelsea. Im Rheinland trafen wir den neuen Spieler der New Orleans Pelicans zum Interview.
Hart Ich habe Fußball immer schon gemocht und habe immer schon die Premier League verfolgt, vor fünf oder sechs Jahren bin ich wirklich Chelsea-Fan geworden. Meine Freundin hat an der Uni Fußball gespielt, also war ich quasi gezwungen, Fußball zu gucken. Dann bin ich von Philadelphia nach Los Angeles gezogen, da wurde es wegen der neun Stunden Zeitdifferenz schwieriger die Spiele zu verfolgen, aber ich bin immer Fan geblieben. Und jetzt, wo mit Christian Pulisic ein Amerikaner für Chelsea spielt, werde ich wieder sehr viel mehr Fußball gucken. Auch, weil in New Orleans die Zeitverschiebung ja „nur“ noch sieben Stunden beträgt.
Haben Sie noch ein anderes Lieblingsteam?
Hart Nicht wirklich. Ich war in LA ein paar Mal bei Spielen, aber man kann einfach den Fußball in den USA nicht mit einem Premier-League-Spiel vergleichen. Die Leidenschaft, die Energie, die sportliche Klasse, das ist alles eine andere Welt. Ich war jetzt beim FC Barcelona zu Besuch, die könnten mein Team in der spanischen Liga werden. Aber eigentlich gibt es für mich nur Chelsea.
Sprechen wir über Basketball. Sie haben sich Ende März an der Patellasehne verletzt und seither kein Spiel mehr gemacht. Wann können Sie wieder spielen?
Hart Ich habe jetzt seit fünf Monaten kaum Basketball spielen können, für mich kam also auch die WM mit Team USA nie in Frage. Ich habe hier in Köln ein wenig trainiert, es geht langsam wieder. Bis zum Trainingslager im Mitte September will ich wieder voll dabei sein. Aber es ist ein langer, frustrierender Prozess.
Sie sprechen die WM an. Nicht nur sie mussten absagen, auch viele große Stars wie LeBron James spielen nicht für Team USA. Was trauen Sie dem Team in China zu?
Hart Ich denke schon, dass die USA immer noch der Favorit sind, auch wenn wirklich viele Spieler nicht dabei sind. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass die WM bis in die Vorbereitung der NBA-Teams läuft. Man würde also die erste Woche mit der Mannschaft verpassen, das ist vor allem in diesem Sommer problematisch, wo so viele Spieler ihren Klub gewechselt haben. Aber wir haben immer noch grandiose Spieler dabei, deshalb glaube ich auch, dass die USA den Titel holen werden.
Der deutsche Basketball-Nationaltrainer Henrik Rödl sagt: das wird die beste WM aller Zeiten. Fast alle Länder haben NBA-Spieler dabei und treten mit ihrer bestmöglichen Mannschaft an. Nehmen die USA die WM nicht ernst genug?
Hart Das Witzige ist ja: Im Fußball ist die WM das Größte und die olympischen Spiele sind eher ein Randthema. Im Basketball in den USA ist es halt genau umgekehrt. Die Basketball-WM ist nicht ansatzweise so bedeutend wie Olympia. Aber klar: es werden dieses Jahr extrem viele starke Spieler dabei sein, ich werde das definitiv verfolgen. Letztlich ist man als Fan doch immer elektrisiert, sobald deine Nation, dein Team spielt und einen Titel gewinnen kann.
Mit Moritz Wagner und Isaac Bonga haben Sie bei den LA Lakers an der Seite von zwei deutschen Nationalspielern gespielt. Wie haben Sie die beiden erlebt?
Hart Das sind einfach komplett gegensätzlich Typen. Bonga ist wirklich ruhig, ein super Typ, aber unglaublich still. Moritz hingegen redet wirklich zu viel! Würde man die beiden kombinieren, hätte man den perfekten Typen. Aber im Ernst. Es hat definitiv mächtig Spaß gemacht, mit den beiden zu spielen und abzuhängen. Sie sind beide hochtalentiert und werden ihren Weg in der NBA gehen. In Washington werden sie beide eine größere Rolle haben und ich werde garantiert verfolgen, wie sie sich schlagen. Sie sind meine Jungs!
Sie sprechen es schon an: Genau wie Sie, mussten auch Bonga und Wagner im Sommer LA verlassen. Die beiden spielen nächste Saison in Washington, Sie in New Orleans. Wie haben Sie von dem Transfer erfahren?
Hart Ich habe es auf Twitter erfahren. Ich wollte an dem Tag einen Podcast mit Kenneth Faried (NBA-Spieler der Houston Rockets) aufnehmen. Wir haben uns bei mir zuhause getroffen. Aber ich wusste nicht, dass Kenneth allergisch gegen Hunde ist. Nun, ich habe zwei große Hunde. Also mussten wir das Ganze abbrechen. Was letztlich gut war, weil ich ansonsten mein Handy die ganze Zeit aus gehabt hätte und erst viel später von dem Wechsel erfahren hätte.
Wie lief das dann genau ab?
Hart Ich saß mit meinem Bruder und meiner Freundin zusammen, als mein Agent anrief und sagte: „Die könntest heute getradet werden. Ich versuche mehr herauszufinden und melde mich.“ Als er aufgelegt hat, habe ich bei Twitter nachgesehen und von dem Wechsel gelesen. Die Journalisten wussten also früher Bescheid als mein Agent. Ich habe keinen Anruf vom Team oder eine frühere Warnung meines Agenten bekommen – nichts. Der Wechsel kam für mich völlig überraschend.
Mussten Sie in diesem NBA-Geschäft nicht auf einen Wechsel vorbereitet sein?
Hart Nicht die NBA oder grundsätzlich alle Klubs gehen so mit den Spielern um. Aber es gibt einige Leute, die das Ganze nur als Geschäft betrachten und keinen Wert auf die Beziehungen zu den Menschen dahinter legen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wenn der Klub glaubt, mit einem Wechsel die Mannschaft verstärken zu können, dann ist das völlig okay. Dann kann ich das verstehen. Aber man sollte dabei menschlich und respektvoll bleiben gegenüber Spielern, die vorher mit vollem Herzen für diesen Klub gespielt haben.
Die Lakers haben Sie also respektlos behandelt?
Hart Ich würde nicht DEN Lakers die Schuld geben. Für mich fällt das Ganze auf den Sportdirektor Rob Pelinka zurück. So hat er in der Vergangenheit immer wieder gehandelt.
Mit Ihnen wurden noch Lonzo Ball und Brandon Ingram nach New Orleans geschickt. Wann haben Sie mit den beiden über den Wechsel gesprochen und wie haben die das Ganze aufgenommen?
Hart Wir haben sofort telefoniert nachdem der Deal bekannt wurde. Wir waren aufgeregt, aber wir waren uns auch einig: Wir gehen nach New Orleans und werden endlich einfach wieder Basketball spielen.
In LA soll es in der vergangenen Saison nicht die beste Team-Chemie gegeben haben. Hilft es überhaupt, die beiden jetzt auch beim neuen Klub dabei zu haben?
Hart Es hilft definitiv, wenn man Mitspieler hat, die man kennt und zu denen man eine Beziehung hat. Man weiß, wie die anderen ticken und spielen. Es tut gut zu wissen, dass man sich auf jemanden verlassen kann, in den guten und schlechten Zeiten.
Die Lakers waren der Glamour-Klub der NBA, aber zuletzt nicht wirklich erfolgreich. New Orleans wiederum ist bislang eher als graue Basketball-Maus bekannt, hat aber für die kommende Saison einen richtig guten Kader zusammen. Welche Rolle rechnen Sie sich persönlich aus?
Hart Ich will einfach meinen Teil zu einem richtig guten Team beitragen. Ich glaube, ich hebe mich von den anderen Spielern auf meiner Position durch meine Vielseitigkeit ab. J.J. Redick und E’Twaun Moore sind definitiv exzellente Schützen. Aber ich kann nicht nur werfen, sondern auch am Ring abschließen oder kleine und große Spieler verteidigen. Das sind Dinge, die das Team so bislang nicht hatte, deshalb sehe ich mich in einer guten Position für die neue Saison.
Mit dem 19-jährigen Zion Williamson spielt nächste Saison das womöglich größte Talent seit Jahren in Ihrem Team. Der Trubel um ihn ist riesig. Wie nehmen Sie das Ganze wahr?
Hart Ich habe ihn schon getroffen. Er ist ein guter, sehr bescheidener Typ mit unglaublich großem Potenzial. Es wird großartig, an seiner Seite zu spielen. Seine körperlichen Fähigkeiten sind verrückt. Aber seine krassen Dunks sollen seine Fähigkeiten als Basketball nicht überschatten. Dieser Typ ist ein verdammt guter Spieler.