Nummer 41 tritt zurück Fünf Thesen zur Karriere von Dirk Nowitzki

Düsseldorf/Dallas · Was wäre der Basketball in Deutschland ohne Dirk Nowitzki? Wer wird sein Nachfolger? Was hätte in seiner Karriere besser laufen können – oder sogar müssen? Fünf Thesen.

 Dirk Nowitzki läuft Anfang April 2019 auf das Spielfeld.

Dirk Nowitzki läuft Anfang April 2019 auf das Spielfeld.

Foto: dpa/Lm Otero

Ohne Dirk sähe die NBA heute anders aus

Wie Dirk Nowitzki die NBA verändert hat, fasst am besten eine Anekdote zusammen. Als der Würzburger das erste Mal das Trainingscenter der Dallas Mavericks betritt, bringt er den erfahrenen Coach Don Nelson in Not. Nelson weiß nicht, auf welcher Position er den Deutschen aufstellen soll: Der 2,13 Meter große Nowitzki wirft so gut wie ein Guard, aber steckt im Körper eines Power-Forwards. Für die Fachfremden: Power Forwards sind in der damaligen NBA dicht am Korb zu Hause. Aus der Distanz zu werfen, ist ganz und gar nicht ihre Kernkompetenz. Nach einigen Experimenten entscheidet sich Coach Nelson, Nowitzki als Power Forward einzusetzen, aber eben mit deutlich mehr Befugnissen: Nowitzki darf Dreier werfen. Plötzlich gibt es für seine Mitspieler weit mehr Raum am Korb, denn Nowitzkis Gegenspieler müssen ihn bis draußen verfolgen. Die Coaches dieser Welt entdeckten, dass diese Idee gar nicht dumm ist. Nicht Umsonst ist „Spacing“, zu Deutsch Raumaufteilung, die Zauberformel des modernen Basketballs. Längst gehört ein ordentlicher Wurf zur Grundausbildung der NBA-Bigmen. Das ist Dirks Verdienst.

Ohne Dirk wäre Deutschland ein Basketball-Entwicklungsland

Die Basketball-Bundesliga steht so gut da wie nie zuvor. Das betrifft die Etats der Teams und deren Erfolge auf internationalem Parkett. Alba Berlin steht im Finale um den EuroCup, Brose Bamberg hat es ins Final Four der Basketball Champions League geschafft und Würzburg, das Team aus Nowitzkis Heimatstadt, ins Halbfinale des Europe Cups. Ohne Dirk Nowitzki wäre Basketball-Deutschland heute nicht so weit. Ohne Weltklasse-Sportler wäre der Sport nicht in den öffentlichen Diskurs gekommen, das Interesse am Sport wäre einigen Wenigen vorenthalten geblieben. Dirk hat den Weg geebnet für mehr deutsche Spieler in der NBA. Mit ihm sind es sieben: Dennis Schröder (Oklahoma City Thunder), Maximilian Kleber (Dallas Mavericks), Moritz Wagner, Isaac Bonga (beide Los Angeles Lakers), Isaiah Hartenstein (Houston Rockets), Daniel Theis (Boston Celtics). So viele Deutsche in der NBA gab es noch nie. Und auch in der Euroleague, der zweitbesten Liga der Welt, spielen Deutsche eine gute Rolle. Warum? Nowitzki hat viele Kids in die Vereine getrieben, der Basketball bekam so mehr Fans, die Bundesliga stellte zuletzt Jahr für Jahr neue Zuschauerrekorde auf. Der Sport wurde für mehr und mehr Menschen zugänglich. Das Fundament konnte wachsen, weil Dirk da war, als Galionsfigur für das Produkt Basketball.

Dirk war zu still

Nowitzkis Karriere in zehn Schritten
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Foto: AP/Vernon Bryant

Wenn Dirk Nowitzki Basketball spielen konnte, war er glücklich. Nowitzki ist ein Sportsmann durch und durch. So gab er sich in der Öffentlichkeit - und so tickte er auch. Das verschaffte ihm viele Sympathien: Dirk tat es nicht für das Geld, sondern für den Spaß. Er wollte kein Bling-Bling, keine extravaganten Outfits, er selbst sagte, er trage am liebsten T-Shirt und Jeans. Dirk stand für die Ur-Tugenden des Sports: Fairness, Loyalität und Teamwork. Old-School. Der Schnickschnack drumherum interessierte ihn nicht. So weit es irgendwie ging, zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Wenn man Dirk einen Vorwurf machen will, dann das: Wenn die Wogen in der Welt hochschlugen, blieb er still. Zu politischen Themen äußerte er sich nicht. Dabei hätte die Stimme eines Mannes, zu dem viele wegen seines unaufgeregten Wesens aufschauten, Gewicht gehabt. Dirk war und ist eine Person des öffentlichen Lebens. Als solche hat er vielleicht sogar die Pflicht dazu, seine Stimme zu erheben.

Dirk hat für seinen Idealismus bezahlt

2011 gewannen die Dallas Mavericks den Titel. Obwohl Superstar Nowitzki in der Folge auf viel Geld verzichtete, damit sein Team neue Leistungsträger verpflichten konnte, schafften es die Mavs nicht ansatzweise, eine Truppe aufzustellen, der ein tiefer Run in den Play-offs zuzutrauen gewesen wäre. Monta Ellis, Wesley Matthews und Richard Jefferson hießen die, die das Ruder in Dallas rumreißen sollten. Wer? Hätte sich Dirk nach dem Titelgewinn einem anderen Team angeschlossen, hätte er weitere Titel holen können. Beispiele für Teams, bei denen sich mehrere Superstars für den Erfolg zusammenrotteten, gibt es viele: die Golden State Warriors, die Miami Heat oder die Cleveland Cavaliers holten sechs der letzten sieben Titel. Bei einem Abschied aber wäre Dirk nicht mehr der Superstar seines Teams gewesen, er hätte sich einer Truppe mit jüngeren Leistungsträgern anschließen müssen. Und er hätte sein geliebtes Dallas verlassen müssen. Dirk blieb loyal - und zahlte einen hohen Preis: Aus in der ersten Runde, nicht qualifiziert, Aus in Runde eins, Aus in Runde eins, Aus in Runde eins, nicht qualifiziert, nicht qualifiziert – das ist die Play-off-Bilanz der Mavericks seit dem Titelgewinn 2011.

Es wird keinen zweiten Nowitzki geben

San Antonio: Dirk Nowitzki weint beim Abschied von der NBA-Bühne
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Nowitzki weint beim Abschied in San Antonio

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Foto: dpa/Darren Abate

Seitdem Michael Jordan die Basketball-Bühne verlassen hat, sehen Scouts auf der Welt überall den nächsten Jordan. Geworden ist es keiner. Auch einen zweiten Nowitzki wird es nicht geben. Das hat vielerlei Gründe. Jordan und Nowitzki (ja, man darf beide in einem Atemzug nennen) haben die Liga revolutioniert. Sie haben dem Spiel eine Blaupause für den neuen Gold-Standard hinterlassen. Kein anderer kann die NBA noch einmal so verändern, schon gar kein Deutscher. Seine Kombination aus Körpergröße und Jahrhunderttalent, Beweglichkeit, Trainingsfleiß und mentaler Stärke sind schlichtweg einzigartig, genau wie seine Beziehung zu Ziehvater und Individualcoach Holger Geschwindner. Viele haben versucht, wie Nowitzki zu sein, geschafft hat es niemand. Mehr als 50.000 Minuten und 30.000 Punkte in der NBA, 21 Jahre beim selben Team? Dazu gehört nicht zuletzt auch Glück.

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