Cleveland meldet sich im US-Sport zurück Die Verspotteten schlagen zurück

Düsseldorf/Cleveland · Jahrzehntelang stand Cleveland im US-Spitzensport als Synonym für Enttäuschungen und Misserfolg. Doch 2016 ist Schluss mit der Häme. Die Basketballer gewannen den NBA-Titel, und die Baseballer können heute Meister werden.

Cleveland Indians gewinnen erneut bei Chicago Cubs und führen 3:1
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Cleveland gewinnt erneut in Chicago und träumt

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Foto: ap, MG CC KS

Was hatten sie nicht alle einen Spaß. Jahrzehntelang haben sie herzhaft gelacht in New York, Miami, Dallas oder Chicago. Überall dort, wo der sportliche Erfolg zu Hause war, wo es Titel zu feiern gab, haben sie hämisch auf Cleveland geschaut. Auf den "Irrtum am See", wie der Rest der USA die Metropole am Ufer des Eriesees irgendwann nur noch nannte. Cleveland, die 400.000-Einwohner-Stadt aus Ohio, stand seit dem Zweiten Weltkrieg als Synonym für sportlichen Misserfolg, für bittere Niederlangen, verlässliches Scheitern und leidende Fans.

1948 gewann das Baseball-Team der Cleveland Indians zuletzt die World Series, also die Meisterschaft, 1964 gewannen die Footballer der Browns den Vorgänger-Titel des heutigen Super-Bowls. Ansonsten nix. Nada. Niente. Nothing. Weder die Indians noch die Basketballer der Cavaliers in der NBA noch die Browns in der NFL - kein Cleveland-Team konnte in den drei großen US-Sportarten seit 52 Jahren einen Titel gewinnen.

Doch 2016 schlagen die Verspotteten zurück. 2016 ist alles anders. 2016 schauen Sportfans überall in den Staaten verwundert und neidisch nach Cleveland. Spätestens seit Juni, als die Cavaliers einen 1:3-Rückstand im NBA-Finale gegen den großen Favoriten und Titelverteidiger aus Oakland/Kalifornien, die Golden State Warriors, in einen 4:3-Sieg in der Finalserie verwandelten und damit der Stadt und ihren Menschen einen emotionalen Befreiungsschlag bescherten, wie sie ihn so lange ersehnt hatten. Als Superstar LeBron James und seine Teamkollegen am 22. Juni ihre Konfettiparade in der Stadt abhielten, war das der Beginn einer mehrtägigen Party.

Cleveland, das war und ist für viele US-Bürger der Inbegriff wirtschaftlichen Niedergangs, der eben folgt, wenn die Schwerindustrie auf dem Rückmarsch ist. Eine Stadt, die ein Wirtschaftsforschungsinstitut noch in diesem Jahr zur betrüblichsten Großstadt in den Staaten kürte. Dabei gibt es nicht dieses eine Cleveland, so wie es in Deutschland nicht das eine Ruhrgebiet gibt. Die Stadt hat Ecken, die den Strukturwandel bewältigen, und es gibt Viertel, die abgehängt wurden. Die verlassen sind. Gerade für die Menschen dort ist der Sport mehr als Sport. Er ist Hoffnung.

In diesen Tagen ist Cleveland nur noch einen Sieg davon entfernt, endgültig zur US-Sporthauptstadt 2016 aufzusteigen. Die Indians, die hierzulande die meisten wohl nur aus dem Film "Die Indianer von Cleveland" (1989) mit Charlie Sheen kennen, führen in der World Series 3:2 gegen die Chicago Cubs. Mit einem Sieg heute im heimischen Progressive Field (1 Uhr deutscher Zeit in der Nacht zu Mittwoch) können die Gastgeber den Deckel draufmachen und den ersten Baseball-Titel seit 1948 perfekt machen. Den ersten Matchball ließen sie noch ungenutzt, der zweite soll nun passen.

Die Heimspiele der Finalserie waren binnen 15 Minuten ausverkauft, 43.000 Fans sind in Spiel sechs wieder dabei. "Als ich vor Jahren hier hingezogen bin, haben meine Freunde die Augen verdreht und mich bemitleidet", sagt eine Frau aus der Ticketschlange. "Jetzt sind wir an der Reihe, und alle können sehen, was Cleveland für eine großartige Stadt ist." 2016 sind sie eben nicht länger die verspottete Schmudelstadt, sondern die Sportmetropole im Rampenlicht. Sie haben ja auch lange drauf gewartet.

(klü)
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