Boris Becker im Exklusiv-Interview "Wir sind keine Tennis-Nation"

Düsseldorf (RPO). Tennis-Idol Boris Becker spricht im Interview mit unserer Redaktion über Heimatgefühle, Geschäfte während der Weltwirtschaftskrise, Emotionen am Pokertisch, Duelle mit seiner Freundin Lilly Kerssenberg und harte Belastungsproben für seine Männer-Freundschaft mit Günter Netzer.

Boris Becker und seine Lilly bei der Berliner Fashion Week
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Herr Becker, Sie sagen über sich, Sie seien Unternehmer. Wie laufen die Geschäfte in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise?
Becker:
Auch in der Schweiz ist die Krise angekommen, trotzdem darf ich mich nicht beklagen. Meine Geschäfte laufen gut.

Und wie sieht nun ein ganz normaler Tag in Ihrem Leben aus?
Becker:
Ich fürchte, nicht viel anders als bei Ihnen. Ich arbeite recht viel, nicht immer am gleichen Ort. Man kann schon sagen, dass ich ein Workaholic bin. Meine geschäftlichen Aktivitäten finden nicht mehr so häufig in der Öffentlichkeit statt. Deshalb wird mir wohl öfters die Frage gestellt, was ich so mache.

Sie haben als Spieler einmal gesagt, dass Sie am meisten an Ihrem Beruf die Herumreiserei hassen würden. Jetzt sind Sie schon seit einigen Jahren Tennis-Rentner, jetten dennoch ständig um die Welt. Sind Sie rastlos?
Becker:
Ich bin seit meinem 15. Lebensjahr sehr viel unterwegs. Das macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Das hat auch nichts mit Rastlosigkeit zu tun. Wenn, so wie heute, eine Veranstaltung in Kopenhagen stattfindet und nicht in meinem Wohnort Zürich, dann reise ich da nun einmal hin. Ich habe keinen "9-bis-17-Uhr-Job”, stimmt. Das macht mir aber auch Spass und somit hat sich seit über 20 Jahren, jedenfalls in der Hinsicht, nichts geändert.

Mit was verbinden Sie das Wort Heimat?
Becker:
Heimat ist für mich kein Ort. Heimat ist für mich da, wo meine Kinder sind, meine Familie lebt. Es hat sich eben in meinem Leben so ergeben, dass die auf der ganzen Welt verstreut sind.

Wenn man vor einem Zeitungsregal steht, kommt man nicht umhin auf den Titelblättern so und so oft Ihr Bild zu sehen. Fahren Sie einmal wöchentlich mit dem Einkaufswagen vor und gucken, was so über Sie geschrieben wird?
Becker:
Nee, das passiert eher selten. Ich habe Mitarbeiter, die darauf aufpassen, dass nicht allzuviel Schindluder mit meinem Namen betrieben wird. Es ist einfach zu viel, was über mich geschrieben wird. Das fasziniert mich schon, auch wenn ich es nicht ganz nachvollziehen kann, wie oft Woche für Woche in einigen Blättern über mich berichtet wird.

Gehen Sie manchmal ins Internet und geben Ihren Namen in die Suchmaschine Ihres Vertrauens ein?
Becker:
Nein, ich glaube ich weiss auch so ganz gut über mein Leben Bescheid.

Was beschert Ihnen das ultimative Glücksgefühl ­ ein perfekt geschlagener Ball oder das perfekte Blatt beim Pokern?
Becker:
Mit 25 hätte ich Ihnen gesagt der perfekte Ball, mit 41 sage ich Ihnen das perfekte Blatt. Pokern ist für mich ein großer Spaß, eine große Herausforderung, es ähnelt Tennis sogar in manchen Bereichen, man braucht zum Beispiel auch Ausdauer und sollte taktisch denken können.

Sie waren früher auf dem Platz ein Hitzkopf, beim Pokern sind solche Gefühlsausbrüche eher hinderlich auf dem Weg zum Erfolg. Müssen Sie sich arg zusammenreißen, um bei schlechten Karten nicht auszurasten?
Becker:
Sie haben Recht. Beim Pokern muss man sehr diszipliniert spielen, seine Emotionen im Zaum halten. Sonst bleibt man nicht lange am Tisch sitzen.

Als Tennisspieler gehörten Sie lange zu den Besten Ihrer Zunft. Hat der Pokerspieler Becker ähnliche Ambitionen?
Becker:
Für einen ehemaligen Tennisspieler beherrsche ich das Spiel ganz passabel, mir fehlt aber natürlich ein wenig die Turniererfahrung, auch wenn ich während meiner Profikarriere mit einigen Freunden auf der Tour zwischen den Begegnungen ein wenig gespielt habe.

Ihre Lebensgefährtin Lilly Kerssenberg begleitet Sie bei vielen Pokerturnieren.
Becker:
Sie begleitet mich nicht nur. Sie spielt selbst mit und will natürlich auch gewinnen.

Hört sich nach ordentlich Konfliktpotential an nicht besonders förderlich für die Beziehung, oder?
Becker:
Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Wir sehen das beide ganz sportlich und haben eine Menge Spaß.

Anfang März trifft Deutschland im Davis Cup auf Österreich. Ihre Einschätzung?
Becker:
Spielen wir zu Hause?

Ja, in Garmisch-Partenkirchen.
Becker (lacht):
Garmisch? Ganz in der Nähe der österreichischen Grenze. Naja, also wenn wir mit der kompletten Mannschaft spielen und alle sind fit und haben Lust, dann sind wir die klaren Favoriten. Wenn nicht, dann gibt es Probleme gegen Österreich.

Wie ist Ihre Einschätzung zur allgemeinen Lage des deutschen Tennis?
Becker:
Die ist leider etwas kritisch. Wir alle haben zu wenig aus dem Boom der 1980er- und 1990er-Jahre gemacht. Wir sind nicht mehr die Tennisnation, die wir mal waren. Warum, wieso, weshalb ist ein abendfüllendes Thema. Da haben doch eine Menge Verbandsfunktionäre einige Zeit nicht wirklich darauf geachtet und ziemlich unglückliche Entscheidungen getroffen. Es bedrückt mich schon, dass wir nicht mehr die Top-Ten-Spieler haben, die Grand-Slam-Gewinner, die wir mal vor einigen Jahren hatten. Wirklich traurig.

Können Sie sich vorstellen, als Funktionär im DTB daran mitzuarbeiten?
Becker:
Also momentan ist das nicht geplant. Aber man soll niemals nie sagen. Ich weiß nicht, was in einigen Jahren passieren wird. Momentan habe ich andere Pläne.

Ihr ehemaliger Weggefährte Michael Stich engagiert sich als Turnierdirektor beim Hamburger Rothenbaum. Trauen Sie ihm zu, der Veranstaltung wieder etwas Leben einzuhauchen?
Becker:
Absolut. Ich begrüße es sehr, dass Michael diese Aufgabe übernommen hat. Das macht Sinn. Er kommt selbst aus der Region, hat dort viele Kontakte. Ist natürlich etwas spät entschieden worden.

Wieso spät?
Becker:
Sie wissen vielleicht, dass diese Aufgabe eigentlich Charly Steeb übernehmen sollte, der jahrelang als zweiter Mann Erfahrung gesammelt hat. Dass er dann so plötzlich ganz raus ist, finde ich nicht ganz in Ordnung. Stich ja, aber Steeb kann auch eine wichtige Rolle beim DTB übernehmen. Das Turnier selbst steht vor schwierigen Zeiten, es ist nicht mehr erstklassig. Da stehen die Top-Spieler und die Zuschauer nicht gerade Schlange. Das ist nicht Schuld von Michael oder Charly, sondern von den Vorgängern.

Die beiden dominierenden Gestalten im Welttennis sind seit einiger Zeit Roger Federer und Rafael Nadal. Ist jemand in Sicht, der sie vom Thron stoßen könnte?
Becker:
Ich glaube, wir befinden uns in einer sehr spannenden Tenniszeit. Nadal und Federer sind zwei außergewöhnliche Spieler, die in die Geschichtsbücher eingehen werden. Dass jetzt zwei von diesem Kaliber gleichzeitig auf dem Platz stehen, ist für uns Zuschauer ein Riesengewinn. Ich glaube, dass beide noch ein paar Jahre in der Spitze aushalten. Andy Murray könnte vielleicht so einer sein.

Es heißt, Günter Netzer sei Ihr bester Freund.
Becker:
Er ist ein guter Freund. Nicht mein bester Freund.

Was schätzen Sie an ihm?
Becker:
Günter Netzer ist ein sehr intelligenter Mann, er hat viel Lebenserfahrung, war früher Sportler, danach der klassische Manager. Wenn wir zusammen Zeit verbringen, wird viel gelacht. Er schimpft aber auch manchmal mit mir.

Was erzürnt ihn?
Becker:
Er ist ein ziemlich pünktlicher Mensch, ich komme schon mal zu spät. Er ist dann immer eine Weile mürrisch. Das legt sich aber auch schnell wieder.

Gianni Costa führte das Gespräch.

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