Wimbledon Das Duell der Giganten

London · Roger Federer und Rafael Nadal sind die beherrschenden Figuren im Männer-Tennis. In Wimbledon treffen sie schon im Halbfinale aufeinander.

 Respekt: Der Spanier Rafael Nadal gratuliert dem Schweizer Roger Federer nach dessen Sieg im Finale der Australian Open 2017 in Melbourne.

Respekt: Der Spanier Rafael Nadal gratuliert dem Schweizer Roger Federer nach dessen Sieg im Finale der Australian Open 2017 in Melbourne.

Foto: dpa/Dita Alangkara

Das Wort wird gern, zu gern bemüht. Doch hier hat es seine Berechtigung. Im Halbfinale des Tennis-Turniers von Wimbledon kommt es zum Duell der Giganten dieses Sports. Roger Federer (37) trifft auf Rafael Nadal (33). Unabhängig von der Weltranglisten-Position (Nadal ist die Nummer 2, Federer die Nummer 3) sind das die größten Tennis-Spieler der Gegenwart, die Akteure mit der größten Ausstrahlungskraft in einer Zeit der eher auswechselbaren Gesichter. Seit 15 Jahren sind ihre direkten Duelle Höhepunkte des Tennis-Jahres. Und weil die Herren nicht mehr die Allerjüngsten sind, schaut die Tennis-Welt mit einer Mischung aus Wehmut und Faszination zu, denn 15 Jahre werden Nadal und Federer sicher nicht mehr dabei sein.

Den Weg in die Geschichtsbücher sind sie längst gegangen. Spätestens im Sommer 2008, als sie sich zum dritten Mal in Folge in London im Finale gegenüberstanden. Zweimal hatte der Schweizer Ästhet Federer mit seiner Beweglichkeit und seinen eleganten Schlägen den Angriff des wuchtigen Spaniers in Wimbledon abgewehrt. Aber diesmal setzte sich Nadal durch – nach fast fünf Stunden, fünf Sätzen, Regenunterbrechungen und kurz vorm Hereinbrechen der Nacht mit 6:4, 6:4, 6:7, 6:7, 9:7. Wieder war der Superlativ schnell zur Hand, wieder mit einigem Recht: Experten nannten dieses Finale das vielleicht beste, sicher das an dramatischen Wendungen reichste Endspiel in der an Dramen und Klasse-Spielen so reichen Geschichte des All England Lawn Tennis and Croquet Club. Ganz nebenbei löste Nadal damit Federer als Nummer eins in der Weltrangliste ab.

Das war in Wimbledon bis heute das letzte Aufeinandertreffen der beiden. 4021 Tage später, in sportlichen Maßstäben also eine Ewigkeit, stehen Nadal und Federer am Freitag wieder auf dem Centre Court beim wichtigsten Turnier der Welt. Und nicht nur Federer stellt sich auf ein großes Spiel ein. „Ich weiß alles über Rafa“, sagt der Schweizer, „er hat sich in den letzten Jahren auf Rasen sehr verbessert. Es ist faszinierend zu sehen, dass er viel härter serviert als früher und die Punkte schneller beendet. Und es ist beeindruckend, wie gesund er geblieben ist. Viele hatten ein frühes Ende prophezeit.“

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Tatsächlich musste Nadal, dessen linker Schlagarm jeden Vergleich mit der Muskulatur der Comic-Figur Popeye aushält, in großer Regelmäßigkeit längere Pausen einlegen, weil der Körper die Wucht des Spiels mit Verletzungen quittierte. Aber er kam immer wieder gestärkt zurück. Auch deswegen begleiten Doping-Gerüchte seine Karriere. Überführt wurde er nie.

Federer hat bislang niemand der Einnahme unerlaubter Mittel verdächtigt. Dafür ist das Spiel des Schweizers zu elegant und zu wenig gewalttätig. Es passt viel mehr als das Straßenkämpfer-Tennis von Nadal in den vornehmen Rahmen des Turniers von Wimbledon. Dafür ist der Gentleman-Athlet Federer ein großer Vermarkter in eigener Sache. Turnierveranstalter mussten schon häufig die Zähne zusammenbeißen, wenn der Schweizer Bedingungen diktierte. Und nicht jedem gefällt sein Einfluss in der Spieler- und Turnierveranstalter-Gemeinschaft ATP. So erstritt er maßgeblich eine Regelung, die „verdienten Spielern“ mehr Freiraum in der Gestaltung ihres Turnierkalenders einräumt. Die über 30 Jahre alt und zwölf Jahre auf der Tour sind oder über 600 Spiele gewonnen haben, sind von Teilnahme-Pflicht bei den Masters-1000-Turnieren befreit. „Lex-Federer“ wird diese Regelung genannt.

Bedingungen können aber nur jene ändern, die in diesem Geschäft unentbehrlich sind. Das ist Federer, und das ist Nadal. Und noch mehr als beide für sich sind es ihre Zweikämpfe auf dem Court. Sie stehen in einer großen Reihe mit den Duellen zwischen Jimmy Connors und John McEnroe, Björn Borg und John McEnroe oder Boris Becker und Stefan Edberg. Diese Spiele lockten selbst Tennis-Muffel vor die Fernseher, und das fachkundige Publikum elektrisierten sie. Oft lag es an den so unterschiedlichen Helden. Der Kraftmeier Nadal gegen den Feinmotoriker Federer, der Fan-Liebling Becker gegen den Schweiger Edberg, der kühle Borg gegen den wilden McEnroe oder das Arbeiterkind Connors gegen den Anwaltssohn McEnroe. Solche Auseinandersetzungen sind immer mehr als nur Tennis. Deshalb wird bei jedem Spiel zwischen Nadal und Federer die Wehmut in der Branche größer. Denn Nachfolger sind nicht in Sicht.

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