Langweilige ATP-Finals Und Dimitrow macht lieber Urlaub mit Scharapowa

London · Grigor Dimitrow hat den Sprung nach London knapp verpasst. Als Nummer elf der Welt ist der Bulgare nicht für das Finale der besten acht Tennisspieler der Welt qualifiziert. Einen Einsatz als Ersatzspieler hat er abgelehnt. Auf die Verletzung eines Kollegen hoffen zu müssen, das sei nichts für ihn, teilte er mit.

 Ernüchterneder Auftakt für Tomas Berdych.

Ernüchterneder Auftakt für Tomas Berdych.

Foto: afp, mb

Dabei bekommen die beiden "Alternates" alleine dafür, dass sie sich an der Turnierstätte aufhalten und für den Fall der Fälle bereitstehen, angeblich rund 100.000 Euro. Dimitrow ist dennoch in London. Gemeinsam mit Freundin Maria Scharapowa hat er sich unter anderem die Saatchi Gallery angeschaut, auch bei einem Einkaufsbummel wurde das neue Glamour-Pärchen der Tenniswelt in der britischen Hauptstadt gesichtet. Geld bekommt er dafür nicht. Braucht er auch nicht. Schließlich hat er vor Kurzem einen hochdotierten Werbevertrag mit dem Luxusuhren-Hersteller Rolex abgeschlossen. Ein Platz auf der Ersatzbank passt da nicht ins Bild. Instagram-Fotos, die Dimitrow in der Aufmachung einer männlichen Schaufensterpuppe zeigen, schon eher.

Bei den ATP-Finals stehen sich die besten acht Tennisspieler des Jahres gegenüber. Wegen einer Blinddarm-OP hat die Nummer drei der Welt, Rafael Nadal, abgesagt, ansonsten ist die Elite vollständig vertreten: Der Titelverteidiger und Weltranglistenerste Novak Djokovic (Serbien), die Schweizer Tennis-Legende Roger Federer, die beiden Überraschungssieger Stan Wawrinka (Schweiz) und Marin Cilic (Kroatien), die in diesem Jahr beide erstmals ein Grand-Slam-Turnier gewinnen konnten. Auch Olympiasieger und Ex-Wimbledon-Champion Andy Murray (Großbritannien) hat es dank eines starken Endspurts noch nach London geschafft. Kei Nishikori (Japan), Tomas Berdych (Tschechien) und Milos Raonic (Kanada) komplettieren das Feld.

Die ATP-Tour vermarktet ihr Finale als krönenden Jahresabschluss des Tennis-Jahres. Spätestens nach den US Open fängt das große Rechnen an: Wer ist schon qualifiziert? Wer hat noch gute Chancen? Und wer braucht ein kleines Wunder, um beim letzten Turnier des Jahres dabei sein zu dürfen? "Race to London" nennt die ATP das Ganze.

Das Format, in dem die Top-Spieler in zwei Gruppen die Halbfinalisten ermitteln, soll dem Turnier einen eigenen Spannungsbogen verleihen. Zwölf Gruppenspiele, dazu zwei Halbfinals und das Finale. Immer unter Beteiligung der besten Spieler des Planeten. Das verspricht hochklassiges Tennis. Eigentlich. Doch zu häufig wurde das Turnier diesem Anspruch in den vergangenen Jahren nicht gerecht. Die Spieler seien nach einer langen Saison müde, meinten Kritiker. Um dem entgegenzuwirken, hatte die ATP ihren Profis in diesem Jahr erstmals eine Woche Pause zwischen dem Masters in Paris und dem Abschlusstunier gegeben.

Früher hieß der Abschluss des Tennis-Jahres noch "Weltmeisterschaft", fand erst in Frankfurt, später in Hannover statt, das Finale wurde über fünf Gewinnsätze ausgetragen. Dann folgte die Umbenennung in den "Masters Cup", der an wechselnden Standorten ausgetragen wurde — und von dem in Deutschland in der Ära nach Becker und Michael Stich kaum noch jemand Notiz nahm.

1996 sahen die Fans in Hannover ein legendäres Finale zwischen Pete Sampras und Boris Becker, das der US-Amerikaner schließlich mit 3:6, 7:6, 7:6, 6:7 und 6:4 gewann. Von solchen heiß umkämpften Matches können die Zuschauer in London bislang nur träumen. Statt Spannung gab es vier eindeutige Zwei-Satz-Erfolge. Am Montag demütigte Turnierfavorit Djokovic den US-Open-Sieger Cilic mit einem 6:1, 6:1. Das Match dauerte 56 Minuten. Nur zwei Minuten länger brauchte Australian-Open-Champion Warinka, um Berdych vom Platz zu fegen. Auch hier lautete das Endergebnis 6:1, 6:1. Berdych, der für seine offensive Spielweise bekannt ist, gelang dabei kein einziger Gewinnschlag von der Grundlinie.

Es geht nur um Platz zwei

"Da ich in einer Gruppe mit Djokovic bin, bedeutet das, dass ein Platz fürs Halbfinale eigentlich schon vergeben ist. Wir anderen drei werden um den anderen Platz kämpfen", hatte Berdych vor dem Beginn des Turniers wissen lassen — und wurde daraufhin für seine angebliche Verlierer-Mentalität von vielen Fans scharf kritisiert. "Leider habe ich heute das schlechteste Spiel der gesamten Saison abgeliefert", sagte der Tscheche nach dem Spiel. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt zum vermeintlichen Höhepunkt des Jahres. Für viele Spieler scheint aber schon durch das Erreichen desselbigen die Zielvorgabe erfüllt zu sein.

Die Historie gibt dem Weltranglistensiebten in seiner Einschätzung vor Turnierbeginn derweil recht. Djokovic hat seine letzten 28 Matches bei Hallen-Turnieren gewonnen. Und in den vergangenen acht Jahren hieß der Sieger bei den ATP Finals sieben Mal entweder Djokovic oder Federer. Lediglich der Russe Nikolaj Dawydenko konnte diese Dominanz 2008 brechen.

Gemeinsam mit Nadal und Murray hatten die Seriensieger auch die Titel bei Grand-Slam-Tunieren unter sich aufgeteilt — bis zu diesem Jahr. Die Siege von Wawrinka und Cilic hatten Hoffnungen geweckt. (Noch) nicht auf eine Wachablösung, aber zumindest auf mehr Abwechslung. Die Titel in Shanghai und Paris, den zwei größten Turnieren zwischen den US Open und dem Jahresabschluss, holten sich dann aber Federer und Djokovic. Auch in London rechnen Wettanbieter fest mit einem Finale zwischen den beiden Top-Platzierten der Weltrangliste.

Die ATP hofft nun, dass dieses mögliche Traumfinale zwar keine Abwechslung, aber wenigstens mehr Spannung bringt, als die bisherigen Matches. Und auch der restliche Verlauf der Gruppenphase braucht dringend mehr Pfeffer. Für diese verkauft der Veranstalter übrigens Einzel-Tickets für eine Tages-Session und eine Abend-Session. Jeweils ein Einzel und ein Doppel bekommt man für so eine Eintrittskarte zu sehen, die bis zu 65 Pfund (gut 80 Euro) kostet. Bislang hat man dafür in London noch nicht viel Tennis zurückbekommen.

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