Stefan Edberg im Interview "Ich bin ein glücklicher Mensch"

Essen · Sechs Grand-Slam-Titel, zwei olympische Medaillen und zahlreiche Einzelerfolge: Stefan Edberg (52) hat in seiner Karriere fast alles erreicht. Der Schwede zählt zu den Legenden des Tennissports. Wir haben ihn getroffen.

 Stefan Edberg war von 1983 bis 1996 Tennisprofi.

Stefan Edberg war von 1983 bis 1996 Tennisprofi.

Foto: imago sportfotodienst

Stefan Edberg hat keine Lust mehr auf große Reisen. Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, dann verbringt der 52-Jährige am liebsten die Zeit mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern auf einem Bauernhof in der Nähe von Växjö im Süden Schwedens. Für seinen Ausrüster Wilson macht er eine Ausnahme. Wir treffen ihn im Tennis Point Essen. Edberg war 72 Wochen die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste, gewann 42 Titel, von Anfang 2014 bis Ende 2015 war er sogenannter Supercoach von Roger Federer.

Herr Edberg, Ihr ehemaliger Schützling Roger Federer steht erneut im Finale der Australian Open. Sind sie selbst verwundert, wie lange er sich nun schon in der Weltspitze hält?

Stefan Edberg Es ist alles kein Zufall. Roger ist sicher mit einem unfassbar großen Talent gesegnet. Aber er versteht es wie kein Zweiter, sein Spiel immer wieder neu zu erfinden. Vor ein paar Jahren dachten alle, die Wachablösung stünde unmittelbar bevor. Und? Es ist überhaupt nichts passiert - im vergangenen Jahr haben Rafael Nadal und Roger alle Grand-Slam-Titel unter sich ausgemacht. Und nun hat er wieder die Chance auf einen großen Triumph.

Warum war Ihre Zusammenarbeit nach zwei Jahren schon wieder beendet - hatten Sie ihm alles gesagt, was Sie wussten?

Edberg (lacht) Dann hätten wir uns ja schon wieder nach einem Tag trennen müssen. Wissen Sie, wenn man auf einem Level wie Roger spielt, dann geht es nicht um grundsätzliche Dinge. Es sind viele kleine Feinheiten. Es geht vor allem um Motivation und Gesundheit. Er suchte damals neue Impulse, brauchte vielleicht eine Stimme, die ihn auf seine Aufgaben vorbereitet. Es war eine sehr spannende, intensive Zusammenarbeit.

Haben Sie noch regelmäßig Kontakt zu Federer?

Edberg Nicht jeden Tag. Wenn es sich ergibt, dann schreiben wir miteinander. Aber er hat auf der Tour so viele Leute um sich herum, da braucht er nicht auch noch meine Kommentare.

Hat es Sie gar nicht gereizt, weiter als Trainer zu arbeiten?

Edberg Glauben Sie mir, mein Telefon hat sehr oft geklingelt - und ich habe mir spannende Projekte angehört. Aber am Ende war ich einfach nicht bereit, noch einmal so viel für Tennis zu opfern. Ich war mein ganzes Leben unterwegs, jetzt hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Ich mache ein wenig Sport, bin im Finanzbereich tätig - und verbringe viel Zeit mit meiner Familie. Ich bin ein glücklicher Mensch.

Boris Becker, Ihr ewiger Rivale, hat einen Job beim Deutschen Tennis-Bund (DTB) angenommen. Wäre das nicht auch etwas für Sie in Schweden? Immerhin steht derzeit kein Spieler aus Ihrem Heimatland unter den Top-100.

Edberg Das ist tatsächlich eine bedauerliche Entwicklung. Es hat viel mit fehlenden finanziellen Mitteln zu tun, dass in Schweden aktuell die Entwicklung stagniert. Aber ich wäre wirklich niemand, der in einem Verband Veränderungen bewirken könnte. Das ist mir alles viel zu viel Politik. Ich verfolge, was Boris macht. (lacht) Er hat mich damals schon sehr geärgert. Er war ein Wahnsinniger auf dem Platz. Aber ich habe ihn bewundert, wie er sich immer wieder angetrieben hat. Dadurch hat er auch mich besser gemacht.

Wenn es um die Zeit nach Federer geht, dann macht man sich in Deutschland Hoffnung auf einen weiteren Aufstieg von Alexander Zverev. Was trauen Sie ihm zu?

Edberg Sehen Sie, es gibt wirklich ein paar gute Spieler derzeit auf der Tour mit einem enormen Potenzial. Es ist schwer zu sagen, wer am Ende das alles mitbringt, um in der Weltspitze mitzuspielen. Zverev bringt von der Anlage alles mit. Es wird für ihn ein hartes Jahr, er hat viel zu verteidigen.

Im Tennis werden händeringend neue Gesichter gesucht, um den Sport global vermarkten zu können. Machen Sie sich Sorgen, wenn es einmal Federer, Nadal und Novak Djokovic nicht mehr auf der Tour gibt?

Edberg Ihre Dominanz ist schon enorm gewesen. Es wird seine Zeit brauchen, bis sich eine neue Generation nach vorne gespielt hat. Aber Tennis ist stark genug, um diesen Wechsel zu verkraften.

Die ATP sorgt sich um die Attraktivität des Spiels und experimentiert am Regelwerk herum.

Edberg Sie sollen ruhig experimentieren, dabei dürfen sie aber nicht das Wesentliche des Spiels vergessen. Ich verstehe die Motivation, der Zuschauer wünscht sich schnelle Entscheidungen. Aber Tennis lebt eben auch von seiner Tradition. Und da sollte man behutsam vorgehen, wenn man an irgendwelchen Schrauben dreht.

Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal bei Ikea?

Edberg (überlegt lange) Mit der Frage haben Sie mich erwischt. Verdammt, wann war das? Es muss mindestens 20 bis 25 Jahre her sein. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, jemals ein Regal aufgebaut zu haben.

(RP)
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