Djokovic und Zverev nach den US Open Die neuen Rivalen auf dem Court

Analyse | Düsseldorf · Die US Open waren ein Vorgeschmack auf eine nahe Tennis-Zukunft ohne Roger Federer und Rafael Nadal. Novak Djokovic hat bereits neue Widersacher auf Augenhöhe gefunden. Vor allem die Duelle mit Alexander Zeverev könnten prägend werden.

Nach dreieinhalb Stunden und fünf Sätzen gewann Novak Djokovic das Halbfinale der US Open gegen Alexander Zverev.

Nach dreieinhalb Stunden und fünf Sätzen gewann Novak Djokovic das Halbfinale der US Open gegen Alexander Zverev.

Foto: AP/John Minchillo

Das Knie. Zum dritten Mal in zwei Jahren. Roger Federer wirkte selbst etwas entmutigt, als er vor einigen Wochen die schlechte Kunde über Video verbreitete. Erneute OP, zurück an die Krücken, monatelange Pause. Er wolle aber wiederkommen, bekräftige er. Der Kopf will also noch, zumindest für ein Abschiedsjahr, der Körper, so scheint es, hat sich aber bereits vom Hochleistungssport verabschiedet – mit 40 Jahren, wer will es ihm verdenken. Wenig später war es der Fuß, dieses Mal der von Rafael Nadal, der wollte auch nicht mehr. Das vorzeitige Saisonende für den 35-Jährigen.

Und so wurde der Tennisszene bei den US Open mehr als je zuvor vor Augen geführt: Da neigt sich eine Ära dem Ende zu. Das Turnier war quasi der Probierlöffel für eine nahe Zukunft, in der Federer nicht mehr spielt und Nadal womöglich nur noch bei den French Open Titelchancen hat – und in der von den „großen Drei“ nur noch der „große Eine“ bleibt: Novak Djokovic.

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Der wiederum, auch das führten die US Open einem vor Augen, hat bereits neue Rivalen auf Augenhöhe gefunden. In den Marketingbüros der Tennisszene darf man erleichtert aufatmen. Da ist zunächst Daniil Medwedew zu nennen, der Djokovic nun im Finale der US Open überraschend deutlich (6:4, 6:4, 6:4) schlug. Der Russe nahm damit Revanche für seine Niederlage zum Jahresauftakt im Finale der Australian Open. Damals hatte Djokovic ihn in drei Sätzen abgefertigt.

Kostenpflichtiger Inhalt Aber auch Alexander Zverev hat sich positioniert. Der 24-jährige Hamburger ist in diesem Tennissommer mit dem Olympiasieg vom ewigen Top-Ten-Talent zum echten Titelkandidaten für die Grand-Slam-Turniere gereift. Zumindest hinterließ er diesen Eindruck bei den US Open. Keine wackeligen und unnötig langen Auftritte in den ersten Runden wie sonst häufig. Zverev spielte fokussiert und zielstrebig, strahlte die Souveränität aus, die ihm in der Vergangenheit oft fehlte – und die ein Grand-Slam-Sieger eben braucht.

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Und selbst wenn die Schlagzeilen als Djokovic-Bezwinger nun zurecht Medwedew gehören: das Duell zwischen Zverev und Djokovic wird die Tenniswelt künftig ebenso elektrisieren. Zwei Grundlinienspieler mit impulsivem Charakter, die emotional alles auf dem Platz lassen: Ihr Halbfinale über dreieinhalb Stunden und fünf Sätzen gehörte zu den spektakulärsten Matches der US Open. Der Deutsche hielt spielerisch mit, verlor die Partie mit Aufs und Abs auf beiden Seiten jedoch, da Djokovic die Schwächephasen des Gegners besser ausnutze. Konsequenz in Schlüsselmomenten und mehr Physis à la Djokovic, es sind womöglich die letzten fehlenden Bausteine.

Dass er den Serben in wichtigen Spielen schlagen kann, hat Zverev bewiesen. Im Endspiel der ATP-Finals 2018 zum Beispiel, der inoffiziellen Weltmeisterschaft, zuletzt auch eindrucksvoll im Halbfinale der Olympischen Spiele. Die Fußnote nur jeweils: Diese Matches gingen über zwei Gewinnsätze.

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Bei den Grand Slams braucht es drei davon. Das macht aus Tennis zwar keinen anderen Sport, erfordert gegen Spieler wie Djokovic aber noch einmal ein anderes Niveau. Diese letzten Meter zum Tennisgipfel muss Zverev noch überwinden. Er ist aber dran, vor allem auf Hartplatz, auch auf Sand, wo er im Juni bei den French Open erstmals das Halbfinale erreichte. Nur auf Rasen wartet Zverev noch auf sein Aha-Erlebnis. In Wimbledon kam er bislang nie über das Achtelfinale hinaus.

Das Herrentennis hat sich in diesem Jahr ohnehin neu sortiert. Junge Spieler wie Matteo Berrettini oder Stefanos Tsitsipas erreichten ihr erstes Major-Finale, Medwedew gewann nun sogar eins. Sie werden untereinander künftig um die Grand-Slam-Endspiele kämpfen, gerade die Paarung Zverev und Tsitsipas taugt dabei zum Klassiker mit Konfliktpotenzial.

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Für einen Titel wird man aber zunächst weiterhin an Djokovic vorbei müssen – sofern sich nicht auch bei ihm Knie, Fuß oder sonst etwas meldet. Medwedew sowie Zverev in seiner aktuellen Verfassung sind die aussichtsreichsten Kandidaten, denen das gelingen kann.

Es könnten die prägenden Duelle der kommenden Jahre werden. Denn Djokovic, da darf die Niederlage gegen Medwedew keinen falschen Eindruck vermitteln, ist trotz seiner 34 Jahre weiterhin auf dem Höhepunkt seines Schaffens.

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Foto: AP/Elise Amendola

Zverev wird sich daher wohl noch häufiger auf großer Bühne mit dem Serben messen. Wahrscheinlich in naher Zukunft sogar in einem Major-Finale.Oder auch in mehreren. Und vielleicht dann mit anderem Ausgang. Überraschend wäre das alles nicht.

„Ich bin im Moment einer der zwei, drei besten Tennisspieler der Welt“, sagte Zverev nach seinem Aus bei den US Open, „ich fühle, dass ich sehr nahe an einem Major-Triumph dran bin.“ Es klang nicht überheblich, es klang nach gesunder Selbsteinschätzung.

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