Nur zwei Herren in den Top 100 Das deutsche Tennis am Tiefpunkt

Düsseldorf · Seit 1984 war es um das Herren-Tennis nicht mehr so schlecht bestellt, nur noch zwei Spieler stehen unter den ersten 100 der Weltrangliste. Vor 30 Jahren sorgte Boris Becker für einen Boom.

Alexander Zverev: Deutschlands Nummer eins im Tennis
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Das ist Alexander Zverev

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Foto: dpa/Michel Euler

2016 müsste eigentlich ein fantastisch gutes Jahr für das deutsche Herrentennis werden. Man muss sich schon ein wenig schütteln, denn nichts erscheint weiter entfernt als diese Annahme. Denn derzeit ist es hierzulande so schlecht wie seit 1984 nicht mehr um die Sportart bestellt. Aktuell sind Philipp Kohlschreiber (32.) und Alexander Zverev (84.) die einzigen Vertreter unter den besten 100 der Branche. Vor 31 Jahren waren Michael Westphal und Hans Schwaier die verbliebenen Hoffnungsträger. Ein gewisser Boris Becker rangierte zum damaligen Zeitpunkt auf Position 108. Ein Jahr später, 1985, triumphierte der Leimener zum ersten Mal in Wimbledon und machte aus Deutschland eine Tennisnation.

Bei allem gebotenen Optimismus - eine Wiederholung der Geschichte wird es nicht geben. Seit Jahren sind die Probleme offensichtlich. Doch beim Deutschen Tennisbund (DTB) war man lange mit sich selbst am meisten beschäftigt. Der Verband war in Rechtsstreitigkeiten verstrickt, verspekulierte sich, und die Funktionäre lieferten sich immer genau dann eine Schlammschlacht, wenn Geschlossenheit geboten gewesen wäre. Das in den Hochjahren verdiente Geld war schneller ausgegeben, als Becker einst über den Platz hechtete. Über einen langen Zeitraum gab es keine strategisch ausgerichtete Nachwuchsförderung - und damit auch keine Talente. Von den sieben Deutschen, die zwischen Platz 100 bis 200 rangieren, ist keiner unter 25.

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Foto: AP/Jason DeCrow

Ulrich Klaus ist seit einem Jahr Präsident des DTB. Er sagt: "So ein schlechtes Ergebnis rüttelt natürlich auf. Wir haben uns in diesem Jahr neu aufgestellt und wollen wieder mehr in die Ausbildung von Talenten investieren." Die Bundesleistungszentren seien gestärkt worden, neue Trainer verpflichtet. "Wir müssen aber auch realistisch bleiben. Als der Deutsche Fußball-Bund 2004 bei der Europameisterschaft so schlecht abgeschnitten hat, da hat kurz danach jeder Bundesligist ein Leistungszentrum eröffnet", sagt der 65-Jährige. "Bei uns ist das in solchen Größenordnungen nicht möglich, dafür haben wir überhaupt nicht die Mittel."

Die sind lieber in einige teure Nebenkriegsschauplätze geflossen. Erst vor wenigen Wochen hat sich der DTB mit der Spielerorganisation ATP auf einen Vergleich geeinigt. Vorausgegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit, nachdem den German Open in Hamburg der Masters-Status entzogen worden war. Die Klage scheiterte allerdings vor einem US-Gericht. Die ATP forderte daraufhin die Rückerstattung der Anwaltskosten (rund 18 Millionen Euro), was ausgereicht hätte, den noch immer weltweit größten Tennisverband in den Ruin zu treiben. Der blieb immerhin auf Ausgaben von fünf Millionen sitzen. Geld, das an anderer Stelle gefehlt hat.

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Foto: afp, DD

Bei den Damen ist die Entwicklung deutlich besser. Das hat vor allem mit dem Engagement von Bundestrainerin Barbara Rittner zu tun. Die gebürtige Krefelderin hat über Jahre ein Team gezielt aufgebaut - Andrea Petkovic und Angelique Kerber sind zur Weltspitze aufgestiegen. Klaus wähnt den Verband indes auch bei den Herren auf einem guten Weg. "Es braucht aber drei bis fünf Jahre Zeit ", sagt er. "Die Talente sind da. Vielleicht kein Boris Becker, aber Typen, die es dennoch weit bringen können." Die Schwierigkeit sei, den Übergang von den Jugendlichen zu den Profis zu schaffen. Eine Idee des DTB-Präsidenten: Talente sollen in ihrer ersten Saison durch Bonuspunkte in der Weltrangliste besser platziert werden. Dadurch soll ihnen die Qualifikation für größere Turniere erleichtert werden. "Die Franzosen bekommen bei den French Open Wild Cards, die Amerikaner bei den US Open", sagt er. "Wir müssen sehen, dass auch unsere Talente Unterstützung bekommen." Dazu muss es allerdings auch Talente geben.

(gic)
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