Tennis-Verband reformiert Turnier Der Davis Cup ist Geschichte

Der Tennis-Weltverband reformiert den traditionellen Davis-Cup. Der traditionsreiche Wettbewerb wird zu einem einwöchigen Turnier umgebaut. Ex-Spieler Eric Jelen verrät, warum er das schade findet.

Für einen kurzen Moment hat die Stadionregie David Haggerty bei der Eröffnungszeremonie des Davis-Cup-Finales mit einer Kamera eingefangen und auf die Bildschirme in der Halle in Lille übertragen. Kurz danach setzt ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert ein. Der US-Amerikaner Haggerty gibt ein unmissverständliches Zeichen, von ihm abzuschwenken. Das Publikum lässt aber nicht locker und buht solange, bis der Präsident des Tennis-Weltverbands ITF den Court vor dem Finale zwischen Frankreich und Kroatien wieder verlässt. Für Tennis-Traditionalisten ist Haggerty das Feindbild Nummer eins. Denn der mächtige Funktionär hat durchgesetzt, dass der Davis Cup in seinem alten Format beerdigt wird – nach 118 Jahren. Kroatien steht seit dem vergangenen Wochenende als letzter Sieger nach altem Regelwerk in den Statistikbüchern.

Haggerty befand, es sei Zeit für etwas Neues. Mehr Unterhaltung. Mehr Spannung. Vor allem aber bessere Vermarktungschancen für seinen Verband. Anstelle von vier über das gesamte Jahr verteilten Runden mit Heim- und Auswärtsspielen in der Weltgruppe, spielen nun 18 Teams in einem einwöchigen Turnier in der zweiten November-Hälfte um die Trophäe. Nach einer Vorrunde folgt eine Finalrunde im Knock-out-Format mit jeweils zwei Einzeln und einem Doppel über zwei Gewinnsätze. In einem Qualifikations-Turnier im Februar sollen 16 Teilnehmer ermittelt werden, zwei weitere erhalten eine Wildcard. Lille und Madrid haben schon ihr Interesse als Ausrichter signalisiert. Die großen Tennisnationen Großbritannien, Australien und Deutschland waren gegen eine Änderung. Ulrich Klaus, Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), sagt: „Traurig. Für uns ist das Ergebnis eine herbe Enttäuschung, die uns erst einmal fassungslos macht.“

Nicht ganz so überraschenderweise hatte Haggerty ein anderes, verlockendes Argument für seine Pläne: mehr Geld. „Die ITF ist die einzige Organisation, die Geld in die Entwicklung des Spiels steckt. Und dieses Projekt versetzt uns dazu in die Lage“, sagte er vor der Abstimmung. Für die Finanzierung soll die Investmentgruppe Kosmos sorgen, zu deren Gründern Spaniens ehemaliger Fußball-Weltmeister Gerard Pique gehört. Drei Milliarden Dollar für 25 Jahre sind versprochen. Wie das Paket praktisch funktionieren soll? Nichts genaues ist bekannt.

Eric Jelen gehörte zu jenem deutschen Team, dass 1988 den Davis Cup zum ersten Mal nach Deutschland holt. Er war der dritte Mann an der Seite von Boris Becker und Carl-Uwe Steeb. Im Gegensatz zu vielen anderen aus seiner Generation ist Jelen immer eher unsichtbar geblieben. Ein bodenständiger Typ, der seit Jahren in Meerbusch lebt. „Man muss dem Neuen auch immer eine Chance geben“, sagt er so unaufgeregt, wie er auch als Spieler war. Nach ein paar Minuten sagt der 53-Jährige dann: „Irgendwie ist es natürlich auch sehr schade. An diesem Wettbewerb hängen so viele Erinnerungen.“ Zum Beispiel an Hartford 1987. Die USA, die große Tennisnation, spielte gegen den Abstieg. Deutschland trat mit dem frisch gebackenen Wimbledon-Sieger Boris Becker an. „Für die USA ging es nicht nur um die Partie, es hing so viel Nationalstolz daran“, erinnert sich Jelen. „Eigens für die Begegnung wurde John McEnroe wieder berufen. 16.000 Zuschauer waren in der Halle, es war eine unfassbare Atmosphäre. Ich hatte zuvor gegen Tim Mayotte etwas überraschend mein Einzel gewonnen. Doch dann kam es eben zum Duell zwischen Becker und McEnroe. Der neue aufstrebende Tennisstar und der Altmeister. Das war nicht einfach nur ein Spiel, das war wirklich ein epischer Kampf über fünf Sätze mit dem besseren Ende für Boris, der sich nach sechs Stunden und 39 Minuten durchgesetzt hat. Wir gewannen schließlich 3:2 und der Boris lief mit einer Deutschland-Fahne durch die Halle.“

Momente wie diesen wird es in der Form nicht mehr geben. Weil es eher unwahrscheinlich ist, dass plötzlich 8000 Fans aus den USA anreisen, um sich eine Begegnung in Lille, London oder Berlin anzusehen. Das Tennis kreiert nur noch ein weiteres Ereignis mehr für den TV-Markt. Die Sportart als solche verliert damit aber immer mehr an Identität.

 Freude über den zweiten deutschen Davis-Cup-Titel: Im Dezember 1989 überschütten sich Eric Jelen (v.li.), Carl-Uwe Steeb und Boris Becker nach dem Sieg gegen Schweden in Stuttgart am Büffet mit Champagner.   Foto: Imago

Freude über den zweiten deutschen Davis-Cup-Titel: Im Dezember 1989 überschütten sich Eric Jelen (v.li.), Carl-Uwe Steeb und Boris Becker nach dem Sieg gegen Schweden in Stuttgart am Büffet mit Champagner. Foto: Imago

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 Bildnummer: 09999482  Datum: 17.12.1989  Copyright: imago/Pressefoto Baumann Davis Cup Endspiel Stuttgart 1989 Deutschland - Schweden Schlacht am kalten Büffet von links: Jelen Eric / Steeb Carl-Uwe / Becker Boris ; Tennis  quer  Image number 09999482 date 17 12 1989 Copyright imago  Baumann Davis Cup Final Stuttgart 1989 Germany Sweden Battle at cold Buffet from left Jelen Eric Steeb Carl Uwe Becker Boris Tennis horizontal

Bildnummer: 09999482 Datum: 17.12.1989 Copyright: imago/Pressefoto Baumann Davis Cup Endspiel Stuttgart 1989 Deutschland - Schweden Schlacht am kalten Büffet von links: Jelen Eric / Steeb Carl-Uwe / Becker Boris ; Tennis quer Image number 09999482 date 17 12 1989 Copyright imago Baumann Davis Cup Final Stuttgart 1989 Germany Sweden Battle at cold Buffet from left Jelen Eric Steeb Carl Uwe Becker Boris Tennis horizontal

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„So ist leider die Entwicklung. Im Tennis hat es immer mehr abgenommen, dass die Top-Spieler bereit sind auch für ihr Land zu spielen. Für sie ist es wichtiger, auf der Tour zu bestehen. Ein Lauf der Zeit, den man nicht verhindern kann. Ich erinnere mich gerne zurück an viele magische Momente, darunter ganz bestimmt ein Leben lang auch unser Titelgewinn 1988 in Göteborg. Ich denke, das Tennis hat sich keinen Gefallen getan, den Davis Cup ohne große Not komplett abzuschaffen.“

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