Federers Karriereende Tennis verliert seinen außergewöhnlichsten Gentleman

Düsseldorf · Roger Federer verabschiedet sich von der großen Bühne. Er beendet seine Karriere mit einer Liebeserklärung ans Tennis, die seine Sportart nur mit „ich Dich auch“ beantworten könnte.

Roger Federer mit der Siegertrophäe bei den Australian Open 2018.

Roger Federer mit der Siegertrophäe bei den Australian Open 2018.

Foto: AP/Dita Alangkara

Sportkarrieren sind mit einem kurzfristigen Ablaufdatum versehen. Zwischen unausgereiftem Talent und ersten Zumutungen des Alters, das bei Profis bereits in den späten Zwanzigern vorsichtig anklopft, liegt nur ein schmaler Zeitkorridor, in dem Sportler in voller Blüte stehen. Allein der Durchlauferhitzer Profifußball macht so fleißig aus Nachwuchsspielern Ex-Profis, dass viele Laufbahnen fast geräuschlos verklingen.

Doch es gibt Sportler, die nicht einfach gehen können. Ohne die nicht stur weitergespielt wird. Tennis-Star Roger Federer beendet mit 41 Jahren seine Karriere. Das kommt so überraschend wie ein Regentag im Herbst und obwohl man in den vergangenen Monaten den Eindruck gewinnen konnte, dass der Schweizer der einzige war, der noch daran zu glauben schien, dass ihm schon noch eine Finte gelingen würde, mit der er dem Unausweichlichen entkommen könnte, wirkt das Karriereende wie ein Schock.

Roger Federer: Tennis-Legende und Rekordjäger
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Das ist Roger Federer

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Foto: dpa/Michael Dodge

Dass Tennis für immer eine neue Note bekommen würde, war bereits unausweichlich, als Federer mit drei Jahren zum ersten Mal einen Schläger in die Hand genommen hat. Aus dem Kleinkind ist ein Gigant geworden, der durch seine Interpretation des Rückschlagspiels Tennis für immer ein wenig verändert hat. Ein weltgewandter Superstar, auf den sich ironiefrei die Vokabel Gentleman anlegen lässt. Selbst vor einer Öffentlichkeit, die die letzten Winkel eines prominenten Lebens ausleuchtet, ist es ihm gelungen, Zeit seiner Karriere nicht mal einen Schweißfleck auf seinem blütenweißen Poloshirt erkennbar werden zu lassen. Seine größte Leistung als Persönlichkeit ist aber nicht die beinahe klinische Skandalfreiheit. Roger Federers bemerkenswerteste Eigenschaft besteht wohl darin, dass man ihm das niemals krumm genommen hat. Mit einem Image, das bei anderen aalglatt oder bieder wäre, gewann Federer die Herzen der Tennisfans. Federer bedankt sich zum Schluss vor allem bei denen, die ihn auf seiner beispiellosen Reise begleitet haben. 20 Grand-Slam-Trophäen, insgesamt 103 Einzel-Titel, mehr als 1500 Matches, über 130 Millionen Dollar Preisgeld. Dazu hat er gemeinsam mit seinen Dauerrivalen Novak Djokovic und Rafael Nadal eine in der Geschichte dieser Sportart einzigartige Ära geprägt und dabei selbst mit vielen seiner Konkurrenten Freundschaften geknüpft.

Bei seinen Abschiedsworten gilt es nun, genau hinzuhören. In dem Statement, das er in den sozialen Netzwerken teilte, verabschiedete sich Federer ausdrücklich nicht vom Tennis. Lediglich die ATP-Tour wird er verlassen. Tennis spielen wird Federer wohl, solange er noch einen Schläger halten kann. Seine innigste Beziehung gilt diesem Sport, dem er zum Abschied auf der großen Bühne seine Liebe erklärte: „Zum Schluss, an das Tennisspiel: Ich liebe Dich und werde Dich nie verlassen.“ Und Tennis liebt Federer. Ein Spieler, den man vor allem damit charakterisiert, dass er selbst schwierigste Schläge zu Selbstverständlichkeiten machte und seinem Sport eine zuvor selten gesehene Eleganz verlieh. Niemand spielte mit so viel Gefühl. Seine einhändige Rückhand wäre ein Ausstellungsstück für jedes Kunstmuseum. 

Wer nun als Größter unter den drei Größten in die Geschichte eingehen wird, darüber werden im Zahlenwerk künftige Erfolge von Djokovic und Nadal entscheiden. Aber wohl keiner aus dieser Liga der Außergewöhnlichen kam schon zu seinen aktiven Zeiten vielen so leicht über die Lippen, wenn es darum ging, den größten Sportler der Geschichte zu benennen.

Federer wohnt längst auf dem Olymp, irgendwo zwischen Muhammad Ali und Michael Jordan. Das hat Federer natürlich dem Tennis zu verdanken. Doch auch das Tennis wird seinen Superstar arg vermissen. In seinen besten Momenten konnte jeder sehen, dass diese Sportart erfunden wurde, um von Menschen wie dem Eidgenossen gespielt zu werden.

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