Umkämpfter Erfolg über Venus Williams "Houdini" Kerber verblüfft die Experten

New York · Angelique Kerber stellte bei ihrem Zweitrunden-Erfolg gegen Lokalmatadorin Venus Williams bei den US Open einmal mehr ihr großes Kämpferherz unter Beweis. Die Experten staunen über die Entfesslungskünstlerin.

US Open 2012: Kerber schlägt Venus Williams
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Nach der Feuertaufe im gleißenden Scheinwerferlicht von New York tauchte Kerber erst einmal ab. Im Bauch des größten Tennis-Stadions der Welt nahm die Kielerin weit nach Mitternacht ein zehnminütiges Eisbad. Der Sprung ins kühle Nass diente Kerber auch dazu, die Nerven nach einem hitzigen, aber erfolgreichen Night-Session-Debüt bei den US Open zu beruhigen.

Nach der Abkühlung präsentierte sich die Turnier-Mitfavoritin wieder völlig aufgeräumt und freute sich nach dem 6:2, 5:7, 7:5 in 2:45 Stunden gegen Lokalmatadorin Venus Williams (USA) diebisch über ihren Drittrunden-Einzug im Big Apple. "Ich bin schon stolz. Dieses Match ist in meinen persönlichen Top 5. Venus bei einem Grand Slam in New York zu schlagen, das ist nicht so einfach", sagte die Weltranglistensechste Kerber, die in dieser denkwürdigen Nacht nur eine Antwort schuldig blieb.

"Wenn Angelique zurückliegt, spielt sie noch konzentrierter"

Erklären kann die 24-Jährige den Fakt nicht, warum es ihr immer wieder gelingt, fast schon verlorene Matches doch noch zu drehen. "Das Geheimnis kenne ich nicht", behauptete "Angie" und zuckte mit den Schultern. Die Experten jedenfalls staunen über die Kämpfernatur mit dem blonden Zopf. "Das ist schon phänomenal, wie es ihr immer wieder gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wenn Angelique zurückliegt, spielt sie noch konzentrierter", lobte John McEnroe die deutsche Nummer eins, die in den USA längst den Spitznamen "Houdini" besitzt. Benannt nach dem legendären Entfesslungskünstler.

Im Duell mit der zweimaligen Turniersiegerin Venus Williams feierte Kerber bereits ihren 19. Erfolg im 21. Dreisatzmatch in diesem Jahr und spielt jetzt am Samstag um den Einzug ins Achtelfinale gegen Weltranglisten-67. Olga Goworzowa aus Weißrussland. Dabei holte die Wimbledon-Halbfinalistin auch diesmal wieder einen Rückstand auf. 2:4 stand es im entscheidenden Satz, ehe Kerber nach einem Volley-Gewinnschlag mit der in den Nachthimmel gestreckten Siegerfaust die Wende einläutete.

"Das war so etwas wie ein Knackpunkt. Ich habe mir gesagt, jetzt hast du nichts mehr zu verlieren. Und ich hatte im Kopf die Spiele, die ich in dieser Saison schon gedreht habe", sagte die Linkshänderin. Da war vor allen Dingen der Gedanke an Indian Wells, wo sie im März auf dem Weg ins Halbfinale des Hartplatz-Turniers fünf Matchbälle abgewehrt hatte.

Kerber gegen Williams und 15.000 Fans

Es sind die Storys, die vor allen Dingen die Amerikaner lieben. "Angie hat sich für den tollen Fight belohnt. Sie ist ruhig und positiv geblieben. Da geht einiges", meinte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. Auch von einer Blase am rechten Fuß ließ sich Kerber nicht aufhalten. Um sich zu fokussieren, hängt sie sich neuerdings bei den Seitenwechseln das Handtuch über den Kopf.

Dabei waren die Voraussetzungen für die jüngste Aufholjagd gegen den Publikumsliebling ganz andere als in der Vergangenheit. Die rund 15.000 Fans feuerten die an der Autoimmunkrankheit Sjögren-Syndrom leidende Venus Williams immer wieder lautstark an. Kerber hatte das Gefühl, dass "alle gegen mich sind."

Zudem war sie von der Atmosphäre und den Gegebenheiten im Arthur-Ashe-Stadium mit seinen steilen Tribünen beeindruckt. "Wenn du hoch guckst, nimmt das gar kein Ende. Außerdem ist es nonstop laut. Es ist schon ein Erlebnis, da zu spielen." Schützenhife bekam Kerber auch von ihrer Gegnerin. Williams leistete sich 16 Doppelfehler und kam am Ende auf 60 unerzwungene Fehler - Kerber hatte noch nicht einmal die Hälfte (25) auf dem Konto.

Die erfolgreichste Tennis-Familie der USA ist jedenfalls vor "Houdini"-Kerber gewarnt. 4:0-Siege lautete die Bilanz der Kielerin gegen die Williams-Schwestern in dieser Saison. Zuletzt besiegte Kerber Serena im Viertelfinale von Cincinnati und beendete die Erfolgsserie der Wimbledonsiegerin nach zuvor 19 Erfolgen in Folge. Die 30-Jährige will Revanche. In New York könnte es im Halbfinale zum Showdown gegen Kerber kommen.

(sid)
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