Nach Titel in Stuttgart Greift Kerber jetzt sogar die Nummer eins an?

Nach einer kurzen Formkrise nach ihrem Überraschungs-Triumph bei den Australian Open spielt Angelique Kerber seit Wochen wieder stark auf. Selbst die Spitzenposition in der Weltrangliste scheint plötzlich nicht mehr völlig unmöglich.

Angelique Kerber feiert ihre Titelverteidigung in Stuttgart
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Kerber feiert ihre Titelverteidigung in Stuttgart

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Foto: afp, tk/

2016 ist das Jahr der Premieren für Kerber. Im Januar gewann sie zum ersten Mal ein Grand-Slam-Turnier. Nun, drei Monate später, schaffte sie es zum ersten Mal, einen Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Durch ihr 6:4, 6:0 gegen Sensations-Finalistin Laura Siegemund gewann die Kielerin zum zweiten Mal in Folge das WTA-Turnier in Stuttgart. "Das Jahr hat für mich ja schon relativ gut angefangen", sagte sie mit Blick auf ihren Melbourne-Triumph. Eine maßlose Untertreibung. "Aber bei diesem für mich so speziellen Turnier meinen Titel zu verteidigen, das ist schon etwas ganz Besonderes", sagte Kerber. "Es war eine anstrengende, aber unglaublich schöne Woche."

In der Weltrangliste bleibt Kerber trotz des Erfolges auf Position drei, nur wenige Punkte hinter der Polin Agnieszka Radwanska. Doch kann die Deutsche in den kommenden Monaten vielleicht sogar Serena Williams (USA) von der Spitzenposition verdrängen? Ein kühner Traum, der aber tatsächlich nicht unmöglich ist.

Tatsache ist, dass Kerber im sogenannten "Race to Singapur", also der inoffiziellen Rangliste, in der nur die Punkte aus dem aktuellen Jahr addiert werden, auf Platz eins liegt. Im Klartext heißt das, das sie 2016 mehr Punkte erspielt hat, als die gesamte Konkurrenz. Allerdings ist dieses Ranking so früh im Jahr noch nicht allzu aussagekräftig.

Tatsache ist aber auch, dass Kerber in der offiziellen WTA-Weltrangliste in nächster Zeit wenig Punkte zu verteidigen hat. Die Weltrangliste errechnet sich aus den Punkten, die die Spielerinnen innerhalb der vergangenen zwölf Monate geholt haben. Kam man im Vorjahr bei einem Turnier weit und scheitert ein Jahr später früh, verliert man viele Punkte. Läuft es genau andersrum, geht man mit einem deutlichen Punkte-Plus aus der Turnierwoche. Erreicht man dasselbe Resultat wie im Vorjahr — wie jetzt bei Kerber in Stuttgart geschehen — bleibt die Punktzahl gleich.

Und: Sowohl in Madrid als auch in Rom und bei den French Open (genau wie in Wimbledon und den US Open) scheiterte Kerber im vergangen Jahr relativ früh. Ganz anders als Branchenführerin Williams, die in Madrid im Finale stand, bei den French Open triumphierte und anschließend auch in Wimbledon die Punkte für den Titel verteidigen muss. Derzeit hat Kerber knapp 3000 Punkte Rückstand auf Williams. Ein ganz schöner Batzen, der aber schnell dahin wäre, sollte Williams, die in diesem Jahr noch kein Turnier gewonnen hat, sich weiter so schwer tun mit dem Titelsammeln. Und sollte Kerber weiter so auftrumpfen, wie bisher in diesem Jahr. 2000 Punkte erhält die Siegerin bei einem Grand-Slam-Turnier. Kerbers Drittrunden-Niederlagen bei den drei noch kommenden Majors stehen mit jeweils nur 130 Punkten zu Buche.

Allerdings ist Williams nicht Kerbers einzige Konkurrenz beim Kampf um den Platz an der Sonne. Auch Radwanska hat bis zum Herbst wenig Punkte zu verteidigen. Und hinter dem Trio lauert die Weißrussin Wiktoria Asarenka, die sich nach vielen Verletzungsproblemen 2016 wieder in bestechender Form präsentiert.

Als Euphoriebremse dient auch die Tatsache, dass die rote Asche, auf der in den kommenden Wochen gespielt wird, alles andere als Kerbers Lieblingsbelag ist. Auf dem schnellen Sandplatz beim Hallenturnier in Stuttgart fühlt sie sich pudelwohl, doch bei den Outdoor-Turnieren präsentiert sich der Belag deutlich langsamer.

Dennoch gehört Kerber in ihrer aktuellen Form bei den anstehenden French Open (ab 22. Mai) zu den Favoritinnen. "Ich weiß, dass ich auf Sand gut spielen kann. Mit dieser Einstellung gehe ich nach Paris", sagte die Weltranglistendritte selbstbewusst.

Druck jedenfalls, den will sie sich nach ihrem neunten Titelgewinn auf der Tour auch in Frankreich nicht machen. Konkrete Ziele nennt die Kielerin nicht. "Ich möchte nicht ergebnisorientiert denken. Weil ich weiß: Das kann nur schiefgehen", sagte Kerber mit Blick auf das erste Grand-Slam-Turnier seit ihrer Sternstunde in Down Under Ende Januar.

Nach ihrem Titel in Stuttgart verabschiedete sich Kerber erstmal für ein paar Tage zum Entspannen nach Hause. Das hat die 28-Jährige auch bitter nötig. Denn was auffällig ist: Im Vergleich zu ihren direkten Nachbarinnen in der Weltrangliste hat Kerber in diesem Jahr schon deutlich mehr Turniere und Matches bestritten. Bleibt zu hoffen, dass ihr im schweren Kampf um die Nummer eins nicht zu früh die Puste ausgeht.

(areh)
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