Corona-Wirbel um Tennis-Star Darum ist Novak Djokovic so streitbar

Analyse | Düsseldorf · Novak Djokovic macht ein Geheimnis um seinen Impfstatus, seine vorerst missglückte Einreise mit Ausnahmegenehmigung nach Australien wird zum Politikum. Es ist nicht das erste Mal, dass die Nummer eins der Tenniswelt polarisiert – sowohl sportlich als auch menschlich.

Novak Djokovic – Spaßvogel, Familienvater, Australian-Open-Experte
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Das ist Novak Djokovic

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Foto: USA TODAY Sports/Robert Deutsch

Im Fußball wollen sie Typen, im Tennis haben sie einen: Novak Djokovic. Der fällt neben seinen vielen Turniersiegen und seinem unbestreitbar hervorragenden Spiel aber weniger mit knallharten Analysen nach dem Match auf, sondern eher mit fragwürdigen Aktionen drumherum. Jüngstes Beispiel ist sein Einreise-Versuch nach Australien.

Als Titelverteidiger will Djokovic unbedingt bei den Australian Open, dem ersten Grand Slam des Jahres 2022, antreten. Das Problem: Er ist wohl ungeimpft – zumindest macht er ein großes Geheimnis um seinen Impfstatus und hat Nachfragen dazu bisher mit der Begründung vom Tisch gefegt, es sei seine Privatangelegenheit. Zur öffentlichen Angelegenheit wurde seine Einstellung zu Corona, als die Veranstalter der Australian Open ihm eine „medizinische Ausnahmegenehmigung“ zur Teilnahme am Turnier erteilten. Eigentlich dürfen nur geimpfte oder genesene Sportler mitspielen. Das Gleiche gilt für die Einreise nach Australien. Und so nahm der australische Grenzschutz Djokovic zur Befragung in Gewahrsam. Nach einer Nacht am Flughafen bekam er mitgeteilt, dass sein Visum abgelehnt worden sei. Djokovic-Vertraute sind außer sich, der serbische Präsident spricht von einer „politischen Hexenjagd“. Aus Australien hingegen kommt viel Beifall für diese Maßnahme. Schon die Nachricht über die Ausnahmegenehmigung hatte in der Bevölkerung, die seit Langem unter drastischen Corona-Einschränkungen lebt, hohe Wellen der Empörung geschlagen.

Und Djokovic? Der schweigt. Gerüchteweise soll er kurz vor seinem Einreiseversuch nach Australien von einer Corona-Infektion genesen sein. Doch Djokovic weigert sich, mögliche Gründe für eine Ausnahme vom 2G-Modell transparent darzulegen. Stattdessen ging er mit seinen Anwälten gerichtlich gegen die Entscheidung vor. Mit Erfolg: Ein Gericht erlaubte Djokovic schließlich die Einreise, die Annullierung seines Visums sei nicht gerechtfertigt gewesen. Bei seinem einzigen öffentlichen Auftritt nach der vorerst missglückten Einreise warf er einigen wenigen serbischen Fans, die vor seinem Hotel am Flughafen warteten, ein paar Luftküsse vom Fenster aus zu.

Dieses Verhalten sagt viel über den „Djoker“. Schon in den Tennis-Stadien fliegen ihm nur selten die Herzen der Zuschauer zu. Seine Blicke mit weit aufgerissenen Augen, starrer Miene und angehobenen Kinn, die er so oft in Richtung Gegner, Schiedsrichter oder Publikum richtet, werden von nicht Wenigen als höhnisch, wenn nicht gar arrogant, empfunden. So haftet dem heute 34-Jährigen der Ruf an, ein unnahbarer Tennis-Millionär zu sein, der sich für etwas Besseres hält. Sein Versuch, mutmaßlich ungeimpft die Einreiseregeln in Australien zu umgehen, passt zu diesem Image.

Wäre diese fragwürdige Aktion nur eine Ausnahme in einer ansonsten vorbildlichen Sportler-Karriere, wäre der Aufschrei sicherlich nicht so groß. Doch es ist eben nicht das erste Mal, dass die Nummer eins der Tenniswelt polarisiert – sowohl sportlich als auch menschlich.

Pressestimmen: Starke Kritik an Aunahmegenehmigung für Novak Djokovic bei Australian Open
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Pressestimmen zur Entscheidung im Fall Djokovic

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Foto: dpa/James Ross

Auf dem Platz benahm sich Djokovic – sein generelles Auftreten mal außen vor gelassen – zuletzt im Herbst 2020 daneben. Bei den US Open wurde er im Achtelfinale disqualifiziert. Nach einem verlorenen Ballwechsel feuerte er wütend den Ball weg und traf eine Linienrichterin am Hals. Sie sackte zu Boden, rang nach Luft. Djokovic entschuldige sich zwar später, das Turnier nahm für ihn aber dennoch ein unrühmliches Ende.

Unrühmlich war auch die sogenannte „Adria Tour“ im Sommer 2020. Aus Protest gegen die wegen Corona unterbrochene Tennis-Saison, organisierte Djokovic kurzerhand selbst eine Turnier-Reihe mit Tennispartien in Städten. Mit zum Programm gehörten Zuschauer -Abstandsregeln gab es keine oder kaum -, Konzerte und ausschweifende Parties. Ein Bild, das für viele nicht so recht in die gerade so von Corona gebeutelte Welt passte – und ein Event, das viele Infektionen nach sich zog.

Auch vor einem Jahr, bei den Australian Open 2021, hat Djokovics Reputation gelitten. Damals hatte er sich dazu berufen gefühlt, die Corona-Maßnahmen von Veranstalter und Regierung zu kritisieren und ein Forderungspapier im Namen aller Tennisstars zu veröffentlichen. Die Reaktionen in Australien, monatelang von immer neuen und harten Lockdowns gebeutelt, schwankten zwischen harschem Spott und offener Empörung – bis hin zu der Forderung, Djokovic umgehend aus dem Land auszuweisen. Daraus wurde nichts, stattdessen gewann der Serbe das Turnier in Melbourne.

Auch abseits von Corona-Thematiken eckt Djokovic mit vielen seiner Ansichten an. Dazu gehört sein Hang zur Esoterik. Nach der Zeit mit Tennis-Coach Boris Becker an seiner Seite, holte sich Djokovic 2016 den als „Kuschelguru“ bekannten Pepe Imaz ins Trainerteam, dessen zentrale Lehre die Kraft der Umarmung ist. Das wäre ja noch halbwegs niedlich, würde Djokovic sich nicht mit einigen seiner Aussagen öffentlich gegen wissenschaftliche Erkenntnisse stellen und stattdessen selbst krude Theorien vertreten. So predigte er seinen Followern 2020, dass die Kraft des Gebets angeblich „giftiges“ Wasser in Heilwasser umkehren könne.

Ebenfalls im esoterischen Absurditätenkabinett des „Djokers“ findet sich die „Pyramide der Sonne“ in Bosnien. Dabei handelt es sich um den Berg Pljesevica, der laut eines Pseudo-Archäologen und Geschäftsmannes eine mehrere Zehntausend Jahre alte von Menschen geschaffene Pyramide sein soll. Belege gibt es dafür nicht, auch wenn die „Pyramide der Sonne“ entsprechend touristisch vermarktet wird. Der Berg soll demnach Heilkräfte ausstrahlen, die das menschliche Immunsystem stärken. Meditation auf dem Berg oder Handkontakt mit dem Felsen mache langfristig immun gegen Covid-19. Was das mit Djokovic zu tun hat? Er ist einer der treuesten Besucher.

Der Tennis-Weltranglistenerste bezeichnete die Umgebung des Bergs als „Himmel auf Erden“ und besucht den Ort vor jedem wichtigen Turnier zur „energetischen Aufladung“. Seinen Sieg bei den French Open 2021 führte der „Djoker“ auf seinen vorigen Besuch in Bosnien zurück. Auch vor seiner Abreise nach Melbourne soll er auf einen Meditationsabstecher dorthin zurückgekehrt sein.

Deutlich weltlicher als diese kruden Theorien ist Djokovics Nähe zu Nationalisten. Mehrfach erschien er auf Fotos mit Extremisten, die im Verdacht stehen, Mitglieder von Rebellenarmeen gewesen zu sein oder Kriegsverbrechen auf dem Balkan zu leugnen. Zu solchen Gestalten wird ihm ein mehr oder weniger enger Kontakt nachgesagt. Dafür gerät er – auch im ihm sonst sehr zugewandten Serbien und Bosnien – immer wieder öffentlich in Kritik.

Eine Kritik, die Djokovic aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht mitbekommen haben dürfte. Denn er sagt selbst: „Ich lese keine Zeitungen mehr – weder online noch gedruckt. Und ich schaue seit mehreren Jahren keine Nachrichten mehr im Fernsehen.“ Als Begründung nennt er, dass in den Medien nur „Propaganda verbreitet wird, die den Eliten oder einer bestimmen Gruppe von Menschen passt." Mit seinen Worten bedient er sich – zufällig oder nicht – einer berüchtigten Gruppe von Verschwörungstheoretikern, der  QAnon-Bewegung, die die USA unter der Kontrolle einer dunklen Geheim-Elite sieht.

Fest steht: All diese Verstrickungen in teils absurde Vorgänge sorgen dafür, dass das Verhalten Novak Djokovics von Vielen schon von Grund auf kritisch beäugt wird. Er ist eben nicht nur einer der besten Tennis-Spieler aller Zeiten, sondern auch einer der streitbarsten.

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