Australian Open Djokovic-Ausnahme ist ein Schlag ins Gesicht aller Australier

Meinung | Melbourne · Novak Djokovic darf als mutmaßlich Ungeimpfter mit einer Sondergenehmigung nach Australien einreisen und so doch an den Australian Open teilnehmen. Diese Entscheidung ist ein Debakel für alle Beteiligten und eine Frechheit gegenüber allen Australiern.

Pressestimmen: Starke Kritik an Aunahmegenehmigung für Novak Djokovic bei Australian Open
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Pressestimmen zur Entscheidung im Fall Djokovic

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Foto: dpa/James Ross

Ein größeres Armutszeugnis hätte in diesem Fall niemand abgeben können. Weder Australian Open und erst recht nicht der australische Staat. Die Ausnahmegenehmigung für die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste, auch als mutmaßlich Ungeimpfter am ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres teilnehmen zu dürfen, stößt eine gesamte Nation vor den Kopf, die seit Beginn der Corona-Pandemie größte Entbehrungen zur Bekämpfung von Covid-19 auf sich genommen hat.

19 Monate lang hatte Australien die Grenzen geschlossen, viele Bürger des Landes durften nicht mehr einreisen, Familien waren getrennt. Immer wieder gab es strikte Lockdowns – allein in der Großregion Melbourne, wo die Australian Open stattfinden, waren es sechs. Dennoch steigen seit Weihnachten die Corona-Zahlen in bisher nie dagewesene Höhen. 307.000 Fälle vermeldete Australien gestern – so viele waren es in den vergangenen zwei Jahren zusammengerechnet.

Und nun gibt es eben diese Ausnahmegenehmigung zur Einreise von Djokovic. Für jenen Spieler also, der am unverantwortlichsten von allen Profis mit der Pandemie umging und bei einer von ihm aufgesetzten Adria Tour 2020 zügellose Partynächte feierte und so zur Verbreitung des Virus beitrug. Nur, damit der größte Tennisstar doch noch in Melbourne aufspielen darf. Der Tenor, der herüberkommt: Die Reichen und Mächtigen kommen immer durch.

Die Behörden begründen das mit einer „medizinischen Ausnahme unter außergewöhnlichen Umständen, wenn man eine akute Erkrankung hat“. Wie die genau aussieht? Darüber schweigen alle Beteiligten. Ob die Nummer eins der Tennis-Welt aber wirklich so schwer krank ist? Das darf zumindest bezweifelt werden. Viel schlimmer noch: Die Behörden gaben inzwischen zu, dass die von Ärzten im Ausland angefertigten Dokumente der Antragsteller nicht auf die Richtigkeit überprüft wurden. Bedeutet: Ob die Angaben im Antrag von Djokovic tatsächlich alle stimmen, sei mal dahingestellt.

Warum Djokovic am Ende auch immer diese Ausnahmegenehmigung bekommen hat: Sie schadet allen Beteiligten. In Australien ist Djokovic schon jetzt eine Persona non grata, in den sozialen Netzwerken wird schon geunkt, dass derjenige, der ihn aus dem Turnier wirft, nie mehr für sein Bier auf dem Kontinent bezahlen müsse. Auch bei den Veranstaltern dürfte die erste Freude über die Teilnahme des Weltstars inzwischen vor Verärgerung über die Diskussion verflogen sein.

Und Djokovic? Der gibt wieder einmal ein zweifelhaftes Bild ab – wie so häufig in seiner Karriere. Sportlich ist er unbestritten einer der besten der Geschichte. Doch damit geht auch Verantwortung einher – und dieser wird er wieder einmal nicht gerecht. Die Reise nach Australien ist der Höhepunkt der Selbstinszenierung. Und ja, es ist Djokovics freie Entscheidung, wenn er sich nicht impfen lassen will. Dann muss er aber auch mit den Konsequenzen leben. Die größte Konsequenz für den Serben wäre gewesen, dass er seinen Titel in Melbourne nicht hätte verteidigen können. Schon jetzt hat er aber mehr verloren – wie alle anderen Beteiligten auch.

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