Tennis Alleinherrscher Djokovic — die "Big Four" sind Geschichte

London/Köln · Novak Djokovic geht als unumstrittener Favorit ins Saisonfinale der besten acht Tennisprofis in London. Sollte der Seriensieger nach einem historischen Jahr und drei WM-Titeln in Folge vom Thron stürzen, wäre dies mehr als eine Überraschung.

Novak Djokovic bekommt Siegerkuss von seiner Jelena
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Djokovic bekommt Siegerkuss von seiner Jelena

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Foto: afp, mh

Diese Botschaft ist ebenso unmissverständlich wie entmutigend - zumindest für den Rest der Tenniswelt: Mit einer Tasse Tee sitzt Novak Djokovic auf dem Court, die Beine lässig übereinander geschlagen. Beinahe beiläufig blickt er auf und schmettert den Ball auf die Linie. Im Werbespot für den neuen Premiumpartner der ATP-Tour gewinnt der Serbe sogar das Duell gegen sich selbst. Mit nie dagewesener Leichtigkeit.

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Tatsächlich scheint es in der Welt keinen Spieler zu geben, der Djokovic herausfordern kann. Für seinen Coach Boris Becker ist das Tennisjahr 2015 deshalb bereits vor dem Saisonfinale in London (15. bis 22. November) historisch. Vielleicht, sagt der dreimalige Wimbledonchampion im Gespräch mit der L'Equipe, war es sogar die beste Leistung der Tennisgeschichte: "Novak hat kein einziges schlechtes Match gespielt."

Beckers Gefühl belegen die Zahlen: Sechs Masters-Titel in einer Saison sind einzigartig. Nur der Sieg im French-Open-Finale fehlte Djokovic zum Grand Slam, dem Triumph bei allen vier Majors. Seit 22 Matches ist er ungeschlagen, in den vergangenen drei Monaten hat er nur einen Satz abgegeben. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein anderer Spieler jemals diese Leistung vollbracht hat", sagt Becker.

Die Konkurrenz, die ab Sonntag in London den nächsten Versuch unternimmt, Djokovic zu bezwingen, weiß um die Qualität des Branchenführers. "Er ist definitiv der Mann, den es zu schlagen gilt", sagt Roger Federer. Der Schweizer, vor Jahren selbst der unbezwingbare Maestro auf beinahe allen Plätzen der Welt, nennt Djokovics Saison "unwirklich". Es sei für jeden Spieler derzeit hart, Djokovics Dominanz zu brechen. Schon in der Gruppenphase treffen die beiden Ausnahmekönner aufeinander, zudem sind der Tscheche Tomas Berdych und der Japaner Kei Nishikori in die Vierergruppe gelost worden.

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Foto: dpa, dc ms

Kaum eine Schwäche leistet sich der 28-Jährige auf dem Court. "Wenn es um die körperlichen und mentalen Fähigkeiten geht, bin ich auf dem Gipfel angekommen", sagt er selbst: "In dieser Saison kam dann einfach alles zusammen." Es wäre mehr als eine Überraschung, wenn Djokovic das Tennisjahr nicht mit seinem vierten WM-Triumph in Folge abschließen würde. "Er hat einen Weg gefunden, auch die Matches zu gewinnen, in denen er nicht sein bestes Tennis spielt", erklärt Andy Murray, der in seiner Gruppe auf die Spanier Rafael Nadal und David Ferrer sowie Stan Wawrinka aus der Schweiz trifft.

Der Brite Murray gehörte einst wie Djokovic, Federer und Nadal zu den "Fantastischen Vier" der Profitour. Spätestens seit Beginn dieser Saison thront Djokovic einsam über allen Rivalen. Deren Hoffnung auf das Ende der Alleinherrschaft nimmt Chefcoach Becker die Grundlage. Es gebe immer etwas zu verbessern, sagt der Leimener: "Die Idee ist dabei nicht, eine bessere Vorhand zu schlagen, sondern die Vorhand für anderthalb oder zwei Stunden besser zu schlagen."

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Das anfangs noch belächelte Duo "Beckovic" hat sich längst als Traum-Team auf der Tour etabliert. Mit Leichtigkeit, wie es die Autowerbung des ATP-Sponsors suggeriert, hat Djokovics Erfolg jedoch nichts zu tun, manchmal gibt Becker einen Einblick, wie sehr sich sein Schützling im Training schindet. "Er ist noch immer hungrig auf Siege und Fortschritt, obwohl er schon enorm viel gewonnen hat", sagt Becker: "Er liebt das Tennis so sehr. Ich bin stolz, in seinem Team zu sein."

(areh/sid)
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