Tiriac-Turnier nach Madrid Tennis: "Deutschland im Niedergang"

Stuttgart (rpo). Boris Beckers Ex-Manager Ion Tiriac geht mit seinem Masters-Series-Turnier von Stuttgart nach Madrid und sagt dem einst florierenden Tennis-Standort Deutschland schwere Zeiten voraus. "Es ist hier nicht mehr möglich, ein Turnier dieser Größenordnung über Sponsoren zu finanzieren", begründete der Rumäne den erwarteten Schritt, der am Freitag endgültig besiegelt wurde.

Die nächsten fünf Jahre ist die spanische Hauptstadt Austragungsort des ersten von zwei Hallen-Veranstaltungen der Masters Serie, die in Paris-Bercy alljährlich ihren Abschluss findet. Auf weitere fünf Jahre wurde mit der ATP-Tour eine Option vereinbart.

Der Jubel in Madrid hielt sich in Grenzen. Den großen Zeitungen des Landes war der Wechsel kaum eine Zeile wert. Dabei soll das Turnier, das vom 14. bis 20. Oktober 2002 in dem auf 12 000 Zuschauer erweiterten "Rockodrom" ausgetragen werden soll, als Werbung für die Olympia-Bewerbung dienen. Tiriac verglich den Deal am Freitag bei einer Pressekonferenz in Stuttgart mit seinem Engagement in Hannover, wo er mit der ATP-Weltmeisterschaft äußerst erfolgreich für die Expo 2000 geworben hat: "Bedenkt man die weltweite Beachtung sind die Kosten eher gering."

Auch Stuttgart will Olympia ausrichten. "Es ist sicher ein immenser Image-Verlust für die Stadt", meinte Messedirektor Klaus- Dieter Heldmann. "Wir hätten das Turnier gerne behalten, aber die Vermarktung reicht nicht zur Deckung der Preisgelder." Als Gründe machte Heldmann die Pleite des globalen Masters-Vermarkters ISL sowie die schlechte TV-Präsenz aus.

Wenn Tennis im Bezahlfernsehen "versteckt" wird, bleiben die Sponsoren aus - so die einfache Rechnung, die auch Georg von Waldenfels aufmacht. Der Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB) fürchtet wie Tiriac, dass die "Pleitenserie" noch lange nicht zu Ende ist. "Wir werden noch manche Überraschung erleben." Auch andere Turniere kämpften ums Überleben. Die Preisgelder seien viel zu hoch und müssten "um mindestens 30 Prozent gesenkt werden".

Das vom DTB veranstaltete Sandplatzturnier am Rothenbaum ist nach dem Aus in Stuttgart und der WM in Hannover die einzige Top- Veranstaltung der ATP-Tour in Deutschland. Hier kreist zwar nicht der "Pleitegeier", aber Ungemach steht trotzdem ins Haus. Die ATP fordert nämlich einen umfangreichen Ausbau der Anlage, damit ein gemeinsames Turnier mit der WTA-Tour möglich ist.

Ohne Zusage einer Nutzung über die erlaubten vier Wochen pro Jahr hinaus ist das für den Verband aber kein Thema - zumindest in der Hansestadt. "Berlin und Frankfurt sind nach wie vor im Gespräch", so von Waldenfels. Die Hoffnung, Hamburgs Olympia-Bewerbung brächte rasch Bewegung in die leidige Angelegenheit, hat sich nicht bestätigt.

"Deutschland ist im Niedergang, während die Entwicklung von Frankreich bis China nach oben geht", sagt der Impresario des weißen Sports. 16 Jahre lang habe er sich in Stuttgart sehr wohl gefühlt und gehe mit sehr viel Wehmut. "Aber die Unterstützung hat gefehlt", meint Tiriac. Auch drei Gespräche mit Ministerpräsident Erwin Teufel hätten den Durchbruch nicht gebracht.

Die Pleite des Vermarkters ISL gab den Veranstaltern den Rest. Der lukrative Kontrakt mit dem einstigen Hauptsponsor "Eurocard" war vor zwei Jahren dem globalen Vermarktungskonzept geopfert worden. Nun fehlen nicht nur die rund zwölf Millionen ISL-Dollar, sondern auch potente Geldgeber. In Madrid hat Tiriac diese Probleme nicht.

(RPO Archiv)
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