Gewichtheber-WM "Stehaufriese" Weller will Weltrekord

Leipzig/Athen (sid). "Stehaufriese" Ronny Weller will sich am liebsten mit einem Weltrekord den Titel als "stärkster Mann der Welt" zurückholen. Beim mit Spannung erwarteten EM-Auftritt am Sonntag in Sofia möchte sich der 145-Kilo-Mann mit Gold für seinen WM-Blackout von Athen revanchieren. Zugleich ist die Kontinental-Meisterschaft der Härtetest für die "Operation Gold" bei Olympia in Sydney.

"Wir haben vor der EM schon mal die Olympia-Vorbereitung simuliert und häufiger und intensiver als früher trainiert", sagt der von Vater Günther getrimmte deutsche Vorzeige-Gewichtheber. Nachdem der für Mutterstadt startende Weller im Training scheinbar ganz locker und lässig 200 Kilogramm im Reißen und 240 Kilogramm im Stoßen bewältigte, rechnet selbst Bundestrainer Frank Mantek mit einem Weltrekord: "Ronny soll Selbstvertrauen sammeln und ist in Topform."

Aber halten auch die Nerven? Bei der WM im November 1999 in Athen "platzte" ausgerechnet der "Supermann" ohne gültigen Versuch im Reißen. Wegen der verlorenen Quali-Punkte können nun nur fünf statt der erhofften acht deutschen Gewichtheber bei Olympia starten. Weller, der in den Stunden nach der Blamage sogar ans Aufhören dachte, gibt an, das Erlebnis verarbeitet zu haben: "Das ist verdaut, jetzt will ich angreifen." Am besten könnte er sicher mit seinem größten sportlichen Rückschlag abschließen, wenn er sich den in Athen an den Iraner Hussein Rezazadeh verlorenen Weltrekord im Reißen (206 kg) zurückholen würde.

Zuzutrauen ist es ihm, denn Weller hat sich schon von ganz anderen Tiefs erholt. Im Dezember 1989 prallte er mit seinem Auto angeblich wegen Aquaplaning gegen einen Baum. Seine Freundin auf dem Beifahrersitz war tot, er selbst lag mit einem Schädelbasis- und Jochbeinbruch Tage im Koma. 1990 fing der Mann, der bereits mit sechs Jahren die ersten Lasten stemmte und zum Zeitpunkt des Unglücks als Olympia-Dritter am Beginn einer glänzenden Laufbahn stand, wieder mit dem Gewichtheben an. 1991 wurde er WM-Zweiter, 1992 dann Olympiasieger im Schwergewicht.

1996 dann der nächste sportliche Rückschlag - in Atlanta schien er im Superschwergewicht nach einem Weltrekord von 255 kg im Stoßen bereits Olympiasieger zu sein, doch der Russe Andre Tschemerkin übertraf ihn noch in seinem letzten Versuch. Doch auch diese Schmach will Weller tilgen.

Täglich geht der Athlet, der in Hochdorf noch mit seinen Eltern im Haus lebt und sich von seiner Mutter bekochen lässt, auf dem Weg zum Training an einem Bild von Tschemerkin bei dessen WM-Triumph in Athen vorbei. Weller: "Das motiviert mich unheimlich. Ich denke oft an den Olympiasieg in Sydney." Spätestens dann wäre Ronny Weller wieder der stärkste Mann der Welt.

(RPO Archiv)
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