Spieler-Gewerkschaft nach Kretzschmar-Kritik „Früher gab es mehr meinungsfreudige Spieler“

Düsseldorf · Der ehemalige Handballer Stefan Kretzschmar hat eine Debatte über Meinungsfreiheit im Profisport losgetreten. Die Spielergewerkschaft VDV nimmt seine Kritik auf, ein Soziologe widerspricht. Wer hat recht?

 Ex-Handballer Stefan Kretzschmar

Ex-Handballer Stefan Kretzschmar

Foto: dpa/Swen Pförtner

Die Spielergewerkschaft VDV rät den Fußballklubs, ihre Profis zu selbstbewussten und führungsstarken Persönlichkeiten reifen zu lassen, anstatt ihnen mit Sanktionen zu drohen. „Zwar müssen Berufssportler in der Tat bestimmte Treue und Loyalitätspflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber berücksichtigen. Doch auch für sie gilt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung“, sagte Ulf Baranowsky am Montag.

Der VDV-Geschäftsführer bestätigte den Eindruck des früheren Handball-Nationalspielers Stefan Kretzschmar, dass sich Sportler heute nicht mehr gesellschafts- oder regierungskritisch äußern.

„Früher gab es mehr meinungs- und konfliktfreudige Spieler, die mit ihrer Persönlichkeit zum Erfolg ihrer Mannschaft beigetragen haben“, befand Baranowsky. „Die Klubs versuchen verstärkt, durch strenge Vorschriften in den Arbeitsverträgen, die öffentlichen Äußerungen der Spieler zu kontrollieren“, sagte der Geschäftsführer. In einigen Fällen versuche man sogar, gegen rein private Äußerungen von Spielern vorzugehen. Dadurch seien die Profis natürlich vorsichtiger geworden.

„Als Spielergewerkschaft bieten wir Profis und Talenten vielfältige Schulungen und Tipps an. Ziel ist es, die Spieler dabei zu unterstützen, mehr Verantwortung für sich selbst und ihr Team übernehmen zu können“, sagte Baranowsky.

In der Debatte widersprach der Sportsoziologe Jürgen Mittag den Aussagen von Stefan Kretzschmar hingegen in Teilen. Der Ex-Handballprofi merke zurecht an, dass Sportlern im öffentlichen Rampenlicht Zurückhaltung auferlegt werde, weil sie unterschiedliche Loyalitäten hätten, sagte der Wissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule Köln am Montag. Der Vorwurf, nur noch „diplomatische Sprachrohre“ zu sein, würde vielen Sportlern aber Unrecht tun.

Athleten bezögen zunehmend öffentlich Position und seien „keine schweigenden Lämmer“, sagte Mittag. Das hätten etwa kritische Äußerungen bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland gezeigt. Gleichzeitig seien sie aber auch Angestellte eines Vereins und müssten sich gegenüber Mannschaft und Sponsoren verantworten. Darum falle Kritik häufig nicht sehr radikal aus. Mittag ist sich sicher: „Offizielle Sprachverbote gibt es nicht“, wie alle Menschen des öffentlichen Lebens könnten Sportler bei politischen Themen Stellung beziehen. Einige, wie etwa Kretzschmar, täten das drastisch und konsequent, andere hielten sich eher zurück.

(sef/dpa)
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