Melbourne/Düsseldorf Wawrinka triumphiert bei den Australian Open

Melbourne/Düsseldorf · In Melbourne hat sich der Schweizer überraschend im Finale gegen Rafael Nadal durchgesetzt. Der Spanier war durch eine Rückenverletzung allerdings stark gehandicapt.

Stanislas Wawrinka stand etwas ungläubig da. Er wusste nicht so recht, was zu machen war nach seinem ersten Sieg in einem Grand-Slam-Finale. Und so blieb er einfach er selbst: der bisweilen ein wenig unterkühlt wirkende Schweizer, der lange in der Szene unterhalb des Radars geflogen war und nun in Australien im für Spitzensportler biblischen Alter von 28 Jahren den Sprung in die absolute Weltklasse geschafft hat. Wawrinka blickte verlegen drein. Er wirkte fast ein wenig erschrocken ob des historischen Moments. Er zelebrierte sich nicht selbst, sondern erkundigte sich zu allererst nach dem Gesundheitszustand seines angeschlagenen Kontrahenten. Der Spanier Rafael Nadal hatte sich wegen Rückenproblemen zu Beginn des zweiten Satzes behandeln lassen. Als die Schmerztabletten beim Spanier anschlugen, verlor Wawrinka völlig seine Linie. Am Ende triumphierte er dennoch nach 2:21 Stunden 6:3, 6:2, 3:6, 6:3.

Mit diesem Sieg wird für Wawrinka Vieles anders werden. Das ist auch an der Weltrangliste abzulesen. Als Nummer acht des Klassements ist er in das Turnier gestartet, in der heute veröffentlichten Rangliste wird er auf Position drei geführt — damit löst er seinen berühmten Landsmann Roger Federer in der Hierarchie innerhalb des Schweizer Tennis ab, nach 14 Jahren. Als erster Spieler seit dem Argentinier Juan Martin del Potro bei den US Open 2009 durchbrach er die Dominanz der großen Vier (Nadal, Djokovic, Federer und Murray) und gewann ein Endspiel.

"Ich weiß nicht, ob ich träume oder nicht. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich einmal ein Grand-Slam-Turnier gewinne", bekundete Wawrinka. "Ich habe immer alle Endspiele bei Grand-Slams im TV geschaut, weil da stets die besten Spieler gespielt haben. Die Chance ist groß, dass ich heute Nacht betrunken werde." Zuvor hatte er in zwölf Duellen gegen Nadal nicht einen einzigen Satz gewinnen können. Natürlich hat er von der Verletzung des 27-Jährigen profitiert, der in seinen Bewegungen arg eingeschränkt war.

Nadal selbst wollte über seine körperlichen Probleme nicht weiter klagen. Bereits beim Aufwärmen hatte sich bemerkbar gemacht, dass er nicht richtig rund lief. "Es wurde immer schlimmer, aber das Letzte, was ich tun wollte, war aufzugeben. Ich hasse das, vor allem in einem Finale", sagte er. "Heute ist Stans Tag, nicht meiner. Es waren zwei sehr emotionale Wochen für mich. Es tut mir leid, dass sie so zu Ende gehen müssen. Ich habe alles versucht." Da sprach ein echter Champion, der sich zumindest bis zum letzten Ballwechsel seiner Aufgabe stellte. Wawrinka würdigte dementsprechend die Leistung seines Kontrahenten: "Rafa, es tut mir leid für dich. Ich hoffe, deinem Rücken geht es bald besser. Du bist ein guter Freund und ein unglaublicher Spieler."

Während der Partie war die Stimmung deutlich aufgeheizter. Zu Beginn des zweiten Durchgangs stritt Wawrinka lautstark mit Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos, als Nadal plötzlich zur Behandlung in den Katakomben der Arena im Melbourne Park verschwand. "Du musst mir sagen, warum er den Physio ruft, so sind die Regeln", echauffierte sich der Schweizer. "Ich werde es dir nicht sagen", entgegnete der Referee trotzig. "Du kannst entweder weiter darum kämpfen, oder es akzeptieren. Ich würde es an deiner Stelle akzeptieren." Als Nadal wiederkam, wurde er ausgepfiffen. Erst später legte sich der Unmut und wandelte sich in Respekt.

Wawrinka war an diesem Abend in Australien ein paar Mal ins Wanken geraten. Zu unwirklich war für ihn die Möglichkeit, sich tatsächlich durchzusetzen. Der Mann aus Lausanne war ein paar Mal ganz nah dran, scheiterte aber oft an sich selbst. Erst seitdem er mit dem Schweden Magnus Norman zusammenarbeitet, hat der Eidgenosse noch einmal einen Schub bekommen. Das Spiel von Wawrinka ist stabiler geworden, er verarbeitet vor allem die mentale Belastung besser. Im Viertelfinale hatte er sich gegen Titelverteidiger Novak Djokovic durchgesetzt. Gegen den Serben, von Boris Becker betreut, hatte er zuvor die letzten 14 Spiele allesamt verloren. Im Halbfinale gegen den Tschechen Tomas Berdych ließ er ebenso wenig Zweifel zu, dass er bereit ist für den Titel.

Roger Federer, so lange der Fixpunkt im Tennis, hatte ihn gleich angerufen und zum Erfolg gratuliert. "Ich weiß, dass er sich wirklich für mich freut. Er wollte immer das Beste für mich", sagte Wawrinka über den 17-maligen Grand-Slam-Sieger mit dem er 2008 in Peking Gold im Doppel gewann. "Er ist ein guter Freund."

(RP)
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