Severin Freund ein starker Vierter

Österreich glückt zum Auftakt der 60. Vierschanzentournee in Oberstdorf ein Dreifacherfolg: Weltmeister Gregor Schlierenzauer siegt vor Andreas Kofler und Titelverteidiger Thomas Morgenstern. Stephan Hocke wird Achter. Martin Schmitt erlebt ein Debakel: nur Rang 46.

Oberstdorf Severin Freund reckt den Daumen der rechten Hand in die Höhe. Es ist ein außergewöhnlicher Gefühlsausbruch des stets so kühlen Niederbayern. 127 Meter weit ist er ins Tal geflogen. Freund bestätigt Bundestrainer Werner Schuster, der nach dem ersten Durchgang festgestellt hatte: "Severin steigert sich von Sprung zu Sprung. Er ist in einer guten Ausgangsposition, da darf er weitermachen." Und wie er weitermachte! Mit Platz vier gelang ihm sein bestes Einzelresultat bei der Vierschanzentournee, und er brachte sich vor dem Neujahrsspringen morgen in Garmisch-Partenkirchen in eine gute Ausgangsposition für den weiteren Verlauf der 60. Auflage dieser Wettkampfserie. Mit Stephan Hocke, dem wieder erstarkten Team-Olympiasieger von 2002, auf dem achten Platz und Richard Freitag als Zehntem lieferten die Gastgeber ein starkes Mannschaftsresultat.

Doch was ist das gegen diese Österreicher? Gregor Schlierenzauer vor Andreas Kofler und Thomas Morgenstern – die seit sieben Jahren im Weltcup anhaltende Überlegenheit des Teams von Cheftrainer Alexander Pointner fand im Oberallgäu eine eindrucksvolle Fortsetzung. Topstar Schlierenzauer scheint wild entschlossen, das "Trauma Vierschanzentournee", das ihm das österreichische "Sportmagazin" andichtete, besiegen zu und zum ersten Mal den Gesamtsieg holen zu wollen. Andreas Kofler rettete sich akrobatisch, als der Wind ihn im letzten Sprung des Abends erfasste. Den meisten der 20 500 Besucher im Stadion stockte in diesem Moment der Atem.

Fast dreieinhalb Stunden – üblich sind ungefähr 90 Minuten – schleppte sich der Wettkampf dahin. Immer wieder musste die Jury wegen Wind und Schneefall unterbrechen. Immer wieder mussten Springer den Balken hoch oben auf dem Turm der Schattenbergschanze verlassen, weil die Verhältnisse irregulär oder gefährlich waren. Helfer pusteten regelmäßig mit Laubbläsern den bremsenden Neuschnee aus der Anlaufspur, ein Tretkommando ebnete den Aufsprunghügel. Bei aller Mühe bekamen sie keine perfekten Bedingungen hin. Das bekam Tom Hilde zu spüren. Der Norweger stürzte nach hoher Luftfahrt im weichen Schnee und fiel nach vorn. Als er per Schlitten abtransportiert wurde, signalisierte er mit einem Handzeichen, dass er bei Sinnen war.

Richard Freitag, als einer der Mitfavoriten gehandelt, beklagte einen Mangel an "Harmonie im Sprung". "Er hat noch nicht alles beisammen", sagte Bundestrainer Schuster. Dabei kann Freitag froh sein, dass er überhaupt mit zwei Wettkampfsprüngen in die Wertung kam. Denn zunächst war er in der K.o.-Runde am früheren Tourneesieger Wolfgang Loitzl aus Österreich gescheitert. Doch weil der Durchgang unter drehenden Winden und andauerndem Schneefall litt, strich die Jury diesen ersten Versuch und setzte den Wettkampf komplett neu an. "Die Aushängeschilder unseres Sports werden vorgeführt", hatte Österreichs Cheftrainer Pointner geschimpft.

Ein Debakel erlebte Martin Schmitt (33), der wie zwei weitere der acht deutschen Athleten nicht den Sprung unter die besten 30 schaffte. Die Hoffnung, die er sich und dem Publikum mit Platz 13 in der Qualifikation gemacht hatte, trog. Sowohl im annullierten ersten Versuch als auch in der zweiten Auflage der K.o-Runde verlor der Schwarzwälder gegen den 20-jährigen Oberbayern Markus Eisenbichler, das Endklassement notierte ihn auf Rang 46. Wenn er sich morgen beim Neujahrsspringen nicht deutlich steigert, dürfte ihn Schuster vor den beiden Springen in Innsbruck und Bischofshofen aus seinem Aufgebot streichen.

Der viermalige Olympiasieger Simon Ammann aus der Schweiz, der die Tournee noch nie gewinnen konnte, hat umgerechnet schon fast 30 Meter Rückstand auf Gregor Schlierenzauer. Noch weiter zurück liegt der Pole Kamil Stoch, der schon beinahe 35 Meter aufholen müsste.

(RP)
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