Sebastian Bayer springt zum Titel

Der Weitspringer meldet sich bei den Deutschen Meisterschaften zurück. Er bezwingt seinen Rivalen Reif. Dem blieb zwar nur Platz zwei, aber an Selbstbewusstsein hat er dadurch auf keinen Fall eingebüßt.

Kassel Christian Reif erlebt einen schweren Tag. Der Europameister im Weitsprung gibt sich nicht gern mit 7,82 Meter zufrieden. Er verliert nicht gern. Und schon gar nicht gegen Sebastian Bayer, seinen Widersacher vom Hamburger SV. Die beiden pflegen ihre Rivalität seit Jahren. "Nur Platz zwei ist auf jeden Fall schlimmer als nur 7,82", sagt Reif. Bayer legt den Finger in die Wunde: "Heute war nicht sein Tag – aber meiner."

Das ernüchternde Ergebnis bei den 111. Deutschen Meisterschaften kann das bewundernswerte Selbstvertrauen des Ludwigshafeners Reif nicht erschüttern. Ein paar Minuten nach der schmerzlichen Niederlage sagt er schon: "Es ist alles da, die Form stimmt. Ich konzentriere mich jetzt nur noch auf die WM. Ich weiß, dass ich dort mein Ziel erreichen und der Beste sein kann." Ihm sei es eben nicht gelungen, sich auf den Wind einzustellen. Bei 8,44 Meter steht die Jahresbestleistung des Australiers Michael Watts, Reif sprang bei der EM vergangenes Jahr in Barcelona 8,47 Meter weit.

Auf dem Weg zur WM nach Daegu war Kassel Zwischenstation für drei der vier deutschen Europameister des vergangenen Jahres (Sprinterin Verena Sailer musste wegen andauernder Achillessehnenprobleme absagen). Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler warf mit 76,09 Meter so weit wie noch nie eine Athletin bei Deutschen Meisterschaften. Die Leverkusener Speerwerferin Linda Stahl dagegen verpasste als Fünfte mit 57,67 Meter die A-Norm für die WM (61,50) erneut deutlich. Dagegen überzeugte die Offenburger Olympia-Dritte Christina Obergföll mit 68,86 Meter als Siegerin vor Titelverteidigerin Katharina Molitor aus Leverkusen (64,67).

Kassel erlebte die sportliche Wiedergeburt eines anderen Athleten, der seinen größten Moment bei einer EM hatte. Vor zweieinhalb Jahren gewann Sebastian Bayer in der Halle in Turin mit dem Europarekord von 8,71 Meter. Doch danach fasste er kaum noch Tritt. Verletzungen warfen den gebürtigen Aachener immer wieder aus der Bahn.

In der deutschen Rangliste stand er bis zum späten Samstagnachmittag mit bescheidenen 7,80 Meter auf Rang sechs. Weit entfernt von den 8,20 Meter, die er einmal, oder den 8,10 Meter, die er zweimal bieten muss, um nach Daegu reisen zu dürfen. 8,17 Meter sprang er im letzten Versuch der Deutschen Meisterschaften. Den Titel hatte er zu dem Zeitpunkt schon sicher. Doch auf einmal war er der WM wieder ganz nah.

"Die 8,20 kommen auch", versprach er, "nun werde ich erst einmal viel trainieren, denn ich habe einen enormen Rückstand." Bis vor zwei Wochen schmerzte das Knie wegen einer Sehnenentzündung noch so sehr, dass er an eine Absage für die Deutschen Meisterschaften gedacht hatte. Doch dann genoss er diesen Tag. "Bei dem Publikum kann man hier nur weit springen", sagte er. Etwa 15 000 Zuschauer bildeten am Samstag eine sehr beachtliche Kulisse für die Titelkämpfe. Gestern kamen bei noch schlechteren Witterungsbedingungen ebenfalls rund 15 000 Leichtathletik-Fans ins Kasseler Auestadion, wo am kommenden Sonntag die Fußballmannschaft von Fortuna Düsseldorf in der ersten Runde des DFB-Pokals antritt.

(RP)
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