Spanien-Rundfahrt Martin muss nach schwerem Sturz bei der Vuelta aufgeben

Avila/München · Tony Martin hat schon viel erlebt in seiner langen Karriere, Teil der Mannschaft eines Gesamtsiegers bei einer großen Rundfahrt war er aber noch nicht. Das könnte sich am Sonntag ändern - auch wenn Martin selbst seit Freitag nicht mehr bei der Vuelta mitmischt.

 Tony Martin. (Archiv)

Tony Martin. (Archiv)

Foto: dpa/David Stockman

Das ersehnte Ende der Quälerei kam früher als gedacht - glücklich konnte Tony Martin darüber aber nicht sein: Nach einem heftigen Crash während der drittletzten Etappe fand die Spanien-Rundfahrt für den viermaligen Zeitfahrweltmeister ein jähes Ende. Die Mission, seinen Kapitän und Zimmerkollegen Primoz Roglic im Roten Trikot am Sonntag heil nach Madrid zu bringen, kann Martin nicht mehr erfüllen - Roglic muss auf seinen Bodyguard verzichten.

"Ich bin die Vuelta noch nie so am Limit gefahren wie jetzt", hatte Martin dem SID noch vor dem drittletzten Vuelta-Tag gesagt. Bis dahin waren die Strapazen für ihn aber höchst lohnenswert gewesen, Martin zeigte sich unentbehrlich, für Roglic und für die Jumbo-Visma-Mannschaft. "Der Kampf um den Gesamtsieg geht vor", hatte der 34-Jährige gesagt, "ich werde hier jeden Tag gebraucht."

60 Kilometer vor dem Ziel in der alten Königsstadt Toledo trennten sich am Freitag dann die Wege Martins und Roglics: Nach einem hässlichen Sturz lagen beide mit weiteren Fahrern am Boden. Für den Deutschen war die Tour beendet - eine Diagnose seiner Verletzungen stand zunächst noch aus.

Martins slowenischer Boss hatte Glück im Unglück: Roglic hastete dem Feld verzweifelt hinterher, während die Movistar-Mannschaft mit den großen Kontrahenten Alejandro Valverde und Nairo Quintana an der Spitze des unversehrten Pelotons mächtig Tempo machte. Irgendwann besannen sich die Movistar-Fahrer aber auf das Gebot der Fairness, ließen das Rote Trikot des Gesamtführenden wieder aufschließen.

Roglic darf also weiter auf seinen ersten Sieg bei einer großen Rundfahrt hoffen - und Martin auf seinen ersten Grand-Tour-Sieg als Helfer. Auch wenn er es nicht bis Madrid schafft, wäre sein Anteil an einem Roglic-Erfolg immens.

Die TV-Bilder der knapp drei Wochen Vuelta mit Martin glichen in eindrücklicher Weise jenen etlicher Tage der Tour de France im Juli. An der Spitze des Feldes diktierte die deutsche Lokomotive, von Kollegen respektvoll "Panzerwagen" gerufen, den Takt über Stunden hinweg, gab seine ganze Kraft für den angestrebten Triumph des Kapitäns. "Aktiv um den Sieg mitzufahren, das hatte ich noch nie. Es bringt mir viel Spaß, viel Extramotivation und lässt mich die Schmerzen besser ertragen", sagte er.

Es ist eine Rolle, die der Wahl-Schweizer im Herbst seiner Laufbahn gerne übernimmt, an einem Punkt, wo eigene Ergebnisse nicht mehr in dem Umfang möglich sind wie früher. Dennoch schmerzt sein jüngstes Pech bei großen Rundfahrten, wo es nun zum dritten Mal nicht bis zum Ziel reichte.

Bei der Tour de France 2018 gab Martin verletzt auf, bei der Frankreich-Rundfahrt 2019 wurde er nach einer Rangelei mit Sky-Helfer Luke Rowe umstritten disqualifiziert, nun handelte er sich erneut ein bitteres "DNF" ein. Seinem tadellosen Ruf schadet dies freilich nicht.

Bitter ist das Aus vor allem im Hinblick auf die anstehende WM in der britischen Grafschaft Yorkshire (22. bis 29. September). Martin war in Topform, wollte nach einem Vuelta-Sieg in England wieder eigene Ambitionen verfolgen. Doch auch für einen ausgebufften Profi wie ihn ist das Radsport-Geschäft nicht gänzlich planbar.

(ako/sid)
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