Tour de France Geschke lässt Kittel-Debatte vergessen

Saint-Jean-de-Maurienne · Interviewmarathon, ein Glas Champagner und unzählige Gratulanten: Simon Geschke stand nach seinem Sensationscoup in den Alpen wie noch nie zuvor im Mittelpunkt und beendete auch die Debatten um den Verzicht auf Marcel Kittel.

Tour de France: Simon Geschke kommen die Tränen
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Geschke kommen nach Alpen-Erfolg die Tränen

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Das Öffnen der Champagner-Flasche klappte nicht so routiniert wie beim letztjährigen Seriensieger Marcel Kittel, aber das war Simon Geschke egal. "Jeder war sicher, dass wir an einem Abend anstoßen können. Ich habe nur nicht gedacht, dass ich derjenige sein würde, der dafür sorgt", sagte der 29-Jährige bei seiner Dankesrede im Teamquartier von Giant-Alpecin - noch immer überwältigt von seinem irren Erlebnis.

Nicht Geschke, sondern John Degenkolb war bei der deutschen Equipe eigentlich für die Erfolge vorgesehen, nachdem der achtmalige Etappensieger Kittel wegen Formschwäche zu Hause hatte bleiben müssen. Degenkolb biss sich jedoch bislang die Zähne aus, war zweimal Zweiter und dreimal Vierter. "Wir sind so stolz auf Simon", sagte der Paris-Roubaix-Gewinner, der am Sonntag auf den Champs Elysees noch eine letzte Gelegenheit hat.

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Erst um drei Uhr in der Nacht fand Geschke endlich Ruhe, bis dahin hatte der gebürtige Berliner gebraucht, um die unzähligen Glückwünsche zumindest zu lesen. "Ich war trotzdem vor dem Wecker wach, das waren dann nur vier, fünf Stunden, aber ich habe gut geschlafen", sagte er am Donnerstag lächelnd, seine Augen verdeckte Geschke zur Sicherheit aber dennoch mit einer Sonnenbrille.

Im Mannschaftshotel nahe Chorges war Geschke nach seinem spektakulären Sieg herzlich empfangen worden, im Restaurant applaudierten Feriengäste und Personal. Mit seinem Coup hatte Geschke die Skeptiker verstummen lassen, die dem Team eine bisher weitgehend enttäuschende Tour attestiert hatten. "Da war kein Druck", wiegelte Giant-Teamchef Iwan Spekenbrink ab: "Wir haben fast in jeder Etappe das Finale geprägt, viele zweite, dritte, vierte Plätze geholt. Aber das war die Krönung für eine gute Tour."

Zutiefst gelöst durfte Spekenbrink damit auch unter die Debatte um Kittel einen Schlussstrich ziehen, der am Mittwoch selbst die Unstimmigkeiten beigelegt hatte und seinen bis 2016 laufenden Vertrag bei Giant-Alpecin erfüllen möchte. "Wir hatten viel Pech", sagte Spekenbrink über die bisherige Frankreich-Rundfahrt, erwähnte das Aus von Tom Dumoulin, der nah am Gelben Trikot gewesen war, die Stürze des Franzosen Warren Barguil, der die Top Ten im Gesamtklassement erreichen könnte - und ausdrücklich auch die Probleme von Kittel, dessen Platz ausgerechnet Geschke eingenommen hatte.

Tour de France: Alle deutschen Etappen-Sieger der Tour-Geschichte
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Alle deutschen Tour-Etappensieger

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Und dieser Geschke stand nun im Mittelpunkt wie nie zuvor. Das letzte Live-Interview gab der kletterstarke Allrounder, dessen markanter Bart ein internationales Tour-Gesprächsthema geworden ist, erst gegen 22.00 Uhr - bevor er sich mit seinen Kollegen zum kleinen Umtrunk zusammensetzte.

Beeindruckende 23 Tour-Etappensiege haben deutsche Radprofis nun seit 2011 eingefahren, und vor Geschke waren es stets Andre Greipel (9), Kittel (8) oder Tony Martin (5) gewesen, die für Jubel sorgten. Seit der Tour 2013 gingen 32 Prozent der Etappen an einen Fahrer aus dem Nachbarland, rechnete die L'Equipe am Donnerstag vor und schrieb dazu. "Und am Ende gewinnt ein Deutscher."

Diesmal jedoch erhielt ein Fahrer den Lohn, der zumeist im Schatten der Stars zuverlässig seinen Helferdienst verrichtet und eigene Ambitionen zurückstellt. "Simon verkörpert das Team wie kein anderer, er ist in der DNA verankert. Wir haben ihn gescoutet, und hier ist er gewachsen", sagte Spekenbrink über Geschke, der vor sechs Jahren zur damaligen Mannschaft Skil-Shimano kam und sich seither stetig der Weltspitze näherte.

Auf das Rampenlicht wird Geschke erst einmal wieder verzichten müssen, auf sein Markenzeichen allerdings keinesfalls. "Ich werde mich erst rasieren, wenn ich das Gesamtklassement der Tour gewinne", sagte er schmunzelnd: "Das wird aber nie passieren, also gewöhnt euch lieber an den Bart."

(sid)
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