Gelb, Grün, Solo-Sieger Alleskönner van Aert lebt seinen Tour-Traum

Lille · Im vergangenen Jahr gewinnt Wout van Aert ein Zeitfahren, eine Bergetappe und einen Sprint bei der Tour. In diesem Jahr beeindruckt der Alleskönner erneut und freut sich über jeden Tag im Gelben Trikot.

 Wout Van Aert (M) aus Belgien vom Team Jumbo-Visma im Gelben Trikot des Gesamtführenden jubelt über seinen Etappensieg.

Wout Van Aert (M) aus Belgien vom Team Jumbo-Visma im Gelben Trikot des Gesamtführenden jubelt über seinen Etappensieg.

Foto: dpa/Thibault Camus

Wout van Aert braucht jeden Tag Action. Der belgische Alleskönner hielt bei der 109. Tour de France bisher in jeden Sprint rein, fuhr dann auf dem Weg nach Calais einfach mal das ganze Feld auseinander. Und die von vielen gefürchtete Kopfsteinpflasteretappe am Mittwoch ist für van Aert so etwas wie die Komfortzone. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, hinten im Feld herumzufahren und mir die Gegend anzuschauen. Ich brauche jeden Tag ein Ziel“, sagt van Aert.

Und Ziele gibt es jede Menge. An erster Stelle steht der Gewinn des Grünen Trikots des besten Sprinters. Diese Wertung führt der 27-Jährige souverän an. Zugleich will sein Team Jumbo-Visma die Tour mit Primoz Roglic oder dessen Kronprinzen Jonas Vingegaard gewinnen. Van Aert trägt sein Gelbes Trikot also nur als Platzhalter - und hat kein Problem damit. „Es ist nicht einfach, beides zu kombinieren. Aber letztlich ist die Tour immer eine Herausforderung“, erklärt van Aert.

Wie schwer es für ein Team ist, das Gelbe und das Grüne Trikot zu gewinnen, zeigt ein Blick in die Statistik. Es ist 25 Jahre her, dass dies zum letzten Mal gelang. 1997 gewann Jan Ullrich die Tour und Erik Zabel ließ sich im Finale auf den Pariser Champs-Élysées im Grünen Trikot feiern. Es war der Jackpot für das Team Telekom. 2012 versuchte es Sky in beiden Wertungen mit Bradley Wiggins und Mark Cavendish, war am Ende aber nur in der Gesamtwertung vorn.

Unter Experten und Fans gibt es Argumente dafür, dass van Aert aufgrund seiner Vielseitigkeit sogar alles gewinnen könnte. Wie einst sein Landsmann Eddy Merckx. Grund dafür ist die vergangene Tour. Dort gewann der dreimalige Cross-Weltmeister ein Zeitfahren, die zweimal über den erbarmungslosen Mont Ventoux führende Königsetappe und den finalen Sprint in Paris. Das war so noch keinem Fahrer gelungen.

Für van Aert sind solche Szenarien nur Fantasien. Er sei viel zu schwer, um in den Bergen mit den Besten mithalten zu können. Und dennoch zählt der Klassiker-Spezialist auch in den Bergen zu den wichtigsten Helfern von Roglic und Vingegaard. Doch eben nicht nur da. Auch auf dem Kopfsteinpflaster und in hügeligem Terrain ist der frühere Amstel-Sieger an der Seite seiner Kapitäne. Eine unheimlich komplexe Aufgabe, die für fast alle anderen Fahrer wohl unmöglich wäre.

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Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Im Team gibt man sich entspannt, alle Ziele erreichen zu können. „Wir schauen in der letzten Woche mal, wo wir stehen“, sagt der sportliche Leiter Grischa Niermann. „Jeder im Team muss sich den Zielen des Teams unterordnen, dann können wir sie auch erreichen.“ Der Niedersachse ist bei der Planung der Taktik genauso ehrgeizig wie van Aert auf dem Rad. Schon im Dezember hat sich Niermann einige Etappen angeschaut. „Streckenkenntnis ist einfach fundamental“, betont der 46-Jährige.

Das hat nicht zuletzt van Aerts überragender Solo-Sieg auf dem Weg nach Calais bewiesen. Schon vor Monaten hatte sich das Team Jumbo-Visma den Hügel elf Kilometer vor dem Ziel für eine Attacke herausgesucht. Bei Paris-Nizza übte man im März den geschlossenen Angriff auf ähnlichem Terrain mit Erfolg, bei der Tour wiederholte man das Kunststück. Und das, obwohl die Konkurrenz betonte, man habe aufgrund von Paris-Nizza damit gerechnet. Doch der rastlose Wout van Aert ist momentan einfach zu gut.

(lonn/dpa)
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