Sky-Duo leidet im Hexenkessel Zuschauer schubst Froome fast vom Rad

L'Alpe d'Huez · Chris Froome von einem Fanatiker fast vom Rad gestoßen, Triumphator Geraint Thomas bei der Siegerehrung ausgebuht: Im Hexenkessel von L'Alpe d'Huez schlug der Doppelspitze des umstrittenen Sky-Teams teils blanker Zorn der Zuschauer entgegen.

 Sky-Fahrer Chris Froome bei der 12. Etappe der Tour de France 2018.

Sky-Fahrer Chris Froome bei der 12. Etappe der Tour de France 2018.

Foto: dpa/David Stockman

Sportlich war Sky im Radsport-Mekka aber obenauf: Thomas baute durch seinen zweiten Etappensieg binnen 24 Stunden die Gesamtführung aus, Froome wahrte trotz erneutem Zeitverlust alle Chancen auf seinen fünften Tour-Titel.

"Ich bin sprachlos. Ich hätte nie gedacht, dass ich heute gewinnen kann. Es ist unglaublich, ein Sieg in Gelb in L'Alpe d'Huez. Das Rennen ist bislang wie für mich gemacht", sagte Thomas, der mit Blick auf die Geschehnisse an den legendären 21 Kehren aber ernst wurde.

"Froomey ist beinahe gestürzt. Ich weiß nicht, ob es absichtlich war, aber die Leute sind uns einfach zu nahe gekommen. Das war nicht gut anzusehen", sagte Thomas und wandte sich an Fans: "Wenn ihr Sky nicht mögt, okay. Buht und pfeift ruhig, das ist in Ordnung. Aber packt uns nicht an, spuckt uns nicht an."

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Der Waliser weiter im Gelben Trikot, der große Kapitän Froome mit nun schon 1:39 Minuten Rückstand Zweiter - an der Hackordnung im am Donnerstag erneut dominanten Sky-Team hat sich für Thomas aber weiterhin nichts geändert: "Ich fahre nach wie vor für Froomey, er weiß, wie man eine Tour über drei Wochen fährt und gewinnt. Er ist eine Legende, vielleicht der beste Fahrer aller Zeiten."

Der viermalige Toursieger Froome, der im Schlussspurt einer packenden Königsetappe erneut nicht das Hinterrad seines etatmäßigen Helfers halten konnte und Vierter wurde, wirkte nach dem vielleicht heikelsten Tag der dreiwöchigen Frankreich-Rundfahrt sichtlich erleichtert. Der 33-Jährige, dem die Asthmamittel-Affäre immer noch nachhängt, radelte lächelnd Richtung Teamhotel.

Der ein Jahr jüngere Thomas hatte in einem packenden Schlagabtausch wie am Tag zuvor in La Rosiere die größeren Reserven und setzte sich mit zwei Sekunden Vorsprung auf den Niederländer Tom Dumoulin (Sunweb) durch. Dritter wurde Romain Bardet (Frankreich/AG2R) mit drei Sekunden Rückstand vor Froome, der vier Sekunden hinter Thomas lag - allerdings kassierte dieser als Etappensieger zehn Bonussekunden.

Dumoulin liegt als Dritter der Gesamtwertung (+1:50 Minuten) noch auf Schlagdistanz. Am Donnerstag verpasste er den ersten Sieg eines Niederländers am "Berg der Holländer" seit 29 Jahren knapp. Zudem riss in L'Alpe d'Huez die Serie der Franzosen, die zuletzt dreimal in Serie mit Pierre Rolland (2011), Christophe Riblon (2013) und Thibaut Pinot (2015) im größten "Stadion" des Radsports triumphiert hatten.

Auf den letzten Kilometern hatten sich Froome, Thomas, Bardet und Dumoulin hartnäckig belauert, es kam beinahe zu Stehversuchen. Im Schlusssprint zog Thomas dann beeindruckend davon. Der Kolumbianer Nairo Quintana (Movistar) musste sechs Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen und büßte endgültig alle Chancen auf den Toursieg ein.

Beendet ist die Tour für den ehemaligen Sieger Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida). Der Italiener stürzte nach einem Zusammenstoß mit einem Polizeimotorrad rund fünf Kilometer vor dem Ziel. Nibali quälte sich zwar über die Linie, im Krankenhaus wurde jedoch ein Wirbelburch diagnostiziert.

Für die deutschen Fahrer setzte sich eine enttäuschende Tour fort. Einen Tag nach dem Aus von Marcel Kittel (Arnstadt/Katusha-Alpecin) war die Rundfahrt auch für Sprint-Routinier Andre Greipel (Rostock/Lotto-Soudal), seinen Teamkollegen Marcel Sieberg (Castrop-Rauxel) und Rick Zabel (Unna/Katusha-Alpecin) beendet. Das Trio lag bereits zur Hälfte der letzten Alpen-Etappe nach L'Alpe d'Huez so weit zurück, dass es in den Besenwagen stieg und die Tour damit verließ.

Angesichts der immer noch schwelenden Gefahr eines tätlichen Übergriffes auf den bei den Fans weiter unbeliebten Froome und kaum zu kontrollierenden Menschenmassen am Schlussanstieg hatten die Organisatoren die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. So war an neuralgischen Party-Punkten wie der "Kehre der Holländer" rund sechs Kilometer vor dem Ziel der Alkoholverkauf verboten worden.

(ako/sid)
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